Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

Unterbrechung: 13.01 Uhr.

Wiederbeginn: 13.47 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Sitzung fort.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/2786

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales - Drs. 5/2935

Ich bitte Herrn Markus Kurze, als Berichterstatter des Ausschusses das Wort zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD wurde vom Landtag in der 79. Sitzung am 9. September 2010 in erster Lesung behandelt und zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Soziales überwiesen. Mitberatend war der Ausschuss für Inneres.

Ziel des Gesetzentwurfes ist die Regelung von zwei Dingen. Zum einen soll mit einer Änderung des § 12 - Entgelte für Rettungsdienstleistungen - erreicht werden, dass die Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes und die Leistungserbringer gemeinsam mit allen zuständigen Trägern der Sozialversicherung kostendeckende Benutzungsentgelte vereinbaren. Hierbei handelt es sich um eine Klarstellung des geltenden Rechts.

Zum anderen soll mit der Änderung des § 15 - Übergangsregelung - des derzeit geltenden Rettungsdienstgesetzes die Frist der Genehmigungsdauer für die Leistungserbringer, das heißt für alle Hilfsorganisationen und privaten Anbieter im Land, deren Befristung der Genehmigung zwischen dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes und dem 31. Dezember 2013 liegt, bis zum 31. Dezember 2013 verlängert werden. Somit besteht bis zur Novellierung des Rettungsdienstgesetzes in der kommenden Wahlperiode keine Notwendigkeit der Neuausschreibung von Rettungsdiensten.

Eine erste Beratung über den Gesetzentwurf fand in der 59. Sitzung des Ausschusses für Soziales statt. In dieser Sitzung verständigte sich der Ausschuss auch auf die weitere Vorgehensweise. Aufgrund der Dringlichkeit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch den Landtag wurde eine sehr enge Terminkette festgelegt.

In Abweichung von der sonst üblichen Verfahrensweise wurde vereinbart, noch in der 59. Sitzung die vorläufige Beschlussempfehlung zu verabschieden und in der 60. Sitzung am 27. Oktober 2010 vormittags eine Anhörung zum Gesetzentwurf durchzuführen und nachmittags - bei Vorlage des Votums des mitberatenden Ausschusses für Inneres - die Beschlussempfehlung an den Landtag zu erarbeiten. Der Ausschuss für Inneres wurde gebeten, dem Ausschuss für Soziales seine Beschlussempfehlung bis zum Nachmittag des 27. Oktober 2010 vorzulegen.

Demzufolge fand eine erste inhaltliche Beratung des Gesetzentwurfs bereits am 29. September 2010 statt. In

dessen Ergebnis wurde - wie vorher verabredet - eine vorläufige Beschlussempfehlung erarbeitet, die zum Inhalt hatte, den Gesetzentwurf in unveränderter Fassung anzunehmen.

In der 60. Sitzung des Ausschusses für Soziales am 27. Oktober 2010 wurde vormittags eine Anhörung durchgeführt. Der dazu ebenfalls eingeladene Ausschuss für Inneres konnte aufgrund seiner termingleichen Sitzung leider nicht daran teilnehmen.

Der Anhörungskreis entsprach im Wesentlichen in leicht abgespeckter Form dem der Anhörung zu den Wirkungen des Rettungsdienstgesetzes am 2. Juni 2010. Somit nahmen Vertreter der im Land tätigen Hilfsorganisationen und privaten Anbieter von Rettungsdiensten, der Liga, der Krankenkassen, der kommunalen Spitzenverbände, der Krankenhausgesellschaft, der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt teil.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Hilfsorganisationen, die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenhausgesellschaft und auch die Ärztekammer - letztgenannte ausdrücklich nur unter dem Gesichtspunkt einer Übergangslösung - stimmten diesem Änderungsgesetz zu.

Die kommunalen Spitzenverbände und die Krankenkassenverbände äußerten nur bedingte Zustimmung zum Gesetzentwurf und unterbreiteten Änderungsvorschläge. Die Änderung des § 12 wurde von den Krankenkassenverbänden jedoch gänzlich abgelehnt.

Der Landesverband der privaten Rettungsdienste e. V. sah keine zwingende Notwendigkeit zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes, begrüßte jedoch die Abrechnung nach einem Satzungsverfahren.

Die Falck Rettungsdienst GmbH nannte den Gesetzentwurf verfassungswidrig und bundesrechtlich bedenklich und sprach sich deshalb gänzlich dagegen aus.

Im Nachmittagsteil der 60. Sitzung des Ausschusses für Soziales stand die Erarbeitung der Beschlussempfehlung an den Landtag auf der Tagesordnung. Dazu lag dem federführenden Ausschuss eine Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vor, die die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände, der Landeshauptstadt Magdeburg und der Kassenverbände berücksichtigte, die der Fraktion der CDU noch vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfes zugegangen waren.

Außerdem lag dem Ausschuss die Beschlussempfehlung des mitberatenden Ausschusses für Inneres vor, mit der sich dieser der Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes mit 6 : 0 : 3 Stimmen unverändert angeschlossen hat.

Schwerpunkt der Gesetzesberatung war die in § 12 Abs. 3 des Rettungsdienstgesetzes vorgeschlagene Frist von zwei Monaten, in der eine Entscheidung der Schiedsstelle über Benutzungsentgelte fallen muss, bevor dann die Satzungslösung greift.

Die Oppositionsfraktionen tendierten dazu, diese Frist etwas zu verlängern. Dagegen brachten die Koalitionsfraktionen vor, dass die Regelung nach dem bisher geltenden Recht - „in der Regel nach zwei Monaten“ - nicht in allen Fällen, aber oftmals doch nicht ausreichend war und sich die Verhandlungspartner gerichtlich weiter auseinandersetzen mussten. Die Koalition wies auch darauf hin, dass die Gesetzesänderung eine Übergangslösung darstellen soll.

Im Ergebnis der Beratung wurde der Gesetzestext in der Fassung der vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst vorgelegten Synopse ohne weitere Änderungen angenommen. Die heute vorliegende Beschlussempfehlung wurde mit 7 : 0 : 4 Stimmen verabschiedet.

Ich bitte das Hohe Haus, dieser Beschlussempfehlung zu folgen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kurze. - Die Debatte wird durch den Beitrag der Fraktion DIE LINKE eröffnet. Ich erteile Herrn Dr. Eckert das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert: Noch im März dieses Jahres wurde eine Novellierung des Rettungsdienstgesetzes strikt abgelehnt. Nach der Anhörung am 2. Juni herrschte Nachdenken. Kurz darauf folgte die Ankündigung, einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen zu wollen. Im September 2010 lag der Gesetzentwurf dann tatsächlich vor.

Es zeigte sich also ein erstaunlicher Wandel in den Ansichten der Regierungsfraktionen, der aber sicherlich dem Druck der Probleme geschuldet war.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Lernfähig und schnell!)

- Na ja.

Der nunmehr zur Beschlussempfehlung vorliegende Gesetzentwurf umfasst zwei Punkte. Der zweite Punkt, überschrieben mit „Übergangsregelungen“, ist unstrittig. Es ist nachvollziehbar, dass die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen mit der Weitergeltung der Genehmigung bis 2013 Zeit für eine grundlegende, seriöse Novellierung des von der CDU-FDPRegierung vermurksten Rettungsdienstgesetzes aus dem Jahr 2006 zu gewinnen versuchen. Das Anliegen, Zeit zu gewinnen, unterstützen wir.

Den ersten Teil des Gesetzentwurfs, in dem durch eine Änderung des § 12 bestimmt wird, dass nunmehr kostendeckende Benutzungsentgelte erhoben werden sollen, halten wir für sehr problematisch.

Wir kritisieren die Regelung nicht allein deshalb, weil damit einer relativ einseitigen Entgeltgestaltung Vorschub geleistet wird und für eine umstrittene grundsätzliche Regelung Pflöcke eingeschlagen werden; nein, wir kritisieren diese Regelung auch, weil sie durch die Festlegung verschärft wird, dass die Träger des Rettungsdienstes mit den Kostenträgern innerhalb von nur zwei Monaten eine Einigung erzielen müssen.

Geschieht das nicht, beschließt der Träger, in diesem Fall die Landkreise und kreisfreien Städte, die Entgelte per Satzung gegenüber allen Nutzern des Rettungsdienstes. Angesichts einer derzeit nicht arbeitsfähigen Schiedsstelle ist das eine klare Orientierung auf eine Satzungslösung, wie wir sie bis 2006 hatten.

In den Beratungen im Ausschuss wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass man nach dem Jahr 2013 ja auch an eine andere Lösung denken könnte. Damit geben die Regierungsfraktionen dem Verdacht Raum, dass sie eine erhebliche Kostenverschiebung zulasten der

Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen beabsichtigen.

Die anstehende und im Jahr 2012 abzuschließende Umstellung auf den Digitalfunk und die damit verbundenen investiven Kosten sollen quasi durch die Krankenkassen finanziert werden. Bei Bestehen von 14 Leitstellen ist das eine Investition in eine inakzeptable Struktur.

In Brandenburg, in Sachsen, in Mecklenburg-Vorpommern, auch in Schleswig-Holstein, überall bestehen nur fünf bzw. sechs Leitstellen. Wohlgemerkt: Es geht um die Leitstellen und nicht um die Rettungswachen. Das arme Land Sachsen-Anhalt investiert in 14 Leitstellen und konserviert damit auf Jahre eine ineffiziente Struktur.

Problematisch erscheint die Orientierung auf eine Satzungslösung auch mit Blick auf den Mangel an Notärzten. Gegenwärtig kann die Notarztversorgung nur über eine Notarztbörse und die Zahlung von 600 € bis 1 200 € und mehr pro 24-Stunden-Dienst gesichert werden, unter anderem auch, weil sich viele Krankenhäuser aus der Notarztbereitstellung zurückgezogen haben.

Bei einer Satzungslösung fehlt jeder Anreiz, sich wirklich für sparsame und zugleich effektive Maßnahmen zu engagieren. Die Krankenkassen, und hier nur die gesetzlichen Krankenkassen, haben die Mehrausgaben zu tragen.

Angesichts der Tatsache, dass die Kostensteigerungen der vergangenen Jahre vor allem durch die Steigerung der Notarztkosten bedingt sind, wird mit dem Gesetzentwurf eine sehr kostenwirksame Orientierung auf eine Satzungslösung vorgenommen.

Das lehnt die LINKE ab. Wir beantragen entsprechend den Ziffern in dem Gesetzentwurf eine getrennte Abstimmung über die Paragrafen. Wir werden uns bei der Gesamtabstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme enthalten. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Kley, FDP: Das ist aber feige!)

Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Für die SPD-Fraktion spricht Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Seit einem halben Jahr haben wir über die Novellierung des Rettungsdienstgesetzes geredet und haben immer offen gesagt: Das ist ein Zwischenschritt. Wir brauchen alsbald eine umfassende Lösung.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD, und von Herrn Kurze, CDU)

Das hat auch die Anhörung ergeben, in der viele Problemfelder aufgezeigt worden sind. Deswegen bitten wir umso eindringlicher um die Zustimmung zu dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf und der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses. Mit diesem Gesetz gewinnen wir Zeit, in der die Hilfsorganisationen nicht in eine Lage versetzt werden, die nicht mehr repariert werden kann.