Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir haben natürlich ein Problem. Wir werden immer weniger und wir werden immer älter. Das ist natürlich mit Blick auf den Arbeitsmarkt insofern ein Problem, als wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir dieser Entwicklung entgegentreten.

Ich bin den Kollegen von der FDP-Fraktion dankbar dafür, dass sie diese Debatte initiiert haben; denn sie bietet uns Anlass, wieder einmal darüber zu sprechen und uns damit zu beschäftigen, wie wir in Sachsen-Anhalt die Rahmenbedingungen dafür schaffen können, wie wir hier die Bedingungen so gestalten können, dass wir den Fachkräftemangel, den es immer geben wird - machen wir uns doch nicht vor, dass es irgendwann einmal eine hundertprozentige Erfüllung gibt; Fachkräftemangel wird es immer geben -,

(Zuruf von Frau Rente, DIE LINKE)

zumindest sinnvoll bekämpfen können.

Im Vergleich zum Jahr 2005 wird die Gesamtzahl der Schüler deutschlandweit bis zum Jahr 2020 um rund 20 % zurückgehen. Derzeit stehen die geburtenschwächsten Jahrgänge vor der Frage, was sie einmal werden wollen. Der Geburtsjahrgang 1992/1993 ist der geburtenschwächste Jahrgang seit der Wende. Danach gab es einen leichten Aufwuchs, aber dieser ist marginal.

Deshalb ist die Frage berechtigt, wie wir es schaffen, dass möglichst viele aus diesen Jahrgängen zu qualifizierten Fachkräften werden. Auch das gehört dazu, wenn wir von der Bekämpfung des Fachkräftemangels reden. Wenn wir die Möglichkeit ins Spiel bringen, dies durch qualifizierte Zuwanderung zu realisieren, verstehe ich das nur als eine mögliche Option. Es ist nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn wir sagen: Wir haben einen Fachkräftemangel; nun wandert alle nach SachsenAnhalt ein, und damit haben wir das Problem gelöst.

An dieser Stelle müssen wir selbstbewusst sagen, dass wir uns erst mit unseren eigenen Leuten auseinandersetzen müssen. Wir müssen diese zu Fachkräften ausbilden. Eine zusätzliche Option ist es, ausländische Fachkräfte für uns zu gewinnen.

(Zustimmung bei der CDU)

In der deutschen Wirtschaft gibt es einige Tugenden. Dies sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Das könnte man auch mit deutschem Inge

nieurtum überschreiben. Genau in diesen Bereichen stellen wir fest, dass auf 100 ausscheidende MINT-Kräfte nur 90 nachwachsen. Im Jahr 2020 werden es nur noch 70 Kräfte sein, die nachwachsen.

Weil wir diese Entwicklung kennen, müssen wir jetzt gezielt dabei ansetzen, unsere Anstrengungen zu verstärken, um diese qualifizierten Fachkräfte genauer für diese Wirtschaftsbereiche zu motivieren und heranzubilden. Dabei sind wir mit vielen Initiativen der Landesregierung, aber auch der örtlichen Wirtschaft gut unterwegs. Beispiele sind schon genannt worden. Dies sind beispielsweise Stipendien, die mit Hilfe der Wirtschaft unterstützt werden. Wir haben die Zukunftsstiftung Sachsen-Anhalt, die Gastprofessuren ausschreibt. Dies alles sind Mittel, um dem Fachkräftemangel in diesem Bereich entgegenzuwirken und um den Bildungsauftrag zu erfüllen, der sich uns stellt.

In diesem Zusammenhang nenne ich das Stichwort des lebenslangen Lernens. Wir alle wissen, dass es heute nicht mehr so ist wie vor 40 Jahren, als wir eine Facharbeiterausbildung oder eine Gesellenausbildung über zweieinhalb Jahre gemacht und dann 40 Jahre lang nach diesen Standards und Normen gearbeitet haben. Heute sind wir alle gefordert, uns lebenslang weiterzubilden. Genau darin stecken die Reserven, die wir noch haben.

Frau Kollegin Rente, Sie haben vorhin angesprochen, es gäbe Gruppen, die nicht Deutsch lernen könnten, und dies scheitere am Geld. Dazu will ich Ihnen ein konkretes Beispiel nennen. Ich bin als Vorsitzender des Fördervereins der Kreisvolkshochschule in Quedlinburg ehrenamtlich tätig. Dieser Förderverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau für diese Leute kostenlos Kurse anzubieten. Damit würde den Leuten die Möglichkeit gegeben, die Sie angesprochen haben. Was meinen Sie, wie viele Menschen sich daran interessiert gezeigt haben? Nicht ein einziger. Es war für mich sehr ernüchternd festzustellen, dass man das anbietet, sich aber niemand interessiert daran zeigt.

Insofern muss man auch überlegen, wie wir diese Leute erreichen. Wir alle wissen doch: Gehen wir in ein fremdes Land - und ist es nur im Urlaub -, dann haben wir zumindest ein Wörterbuch dabei. Wenn wir dort studieren, dann lernen wir diese Sprache und haben das Bedürfnis, diese Sprache zu lernen. Ich denke, das dürfen wir auch von denen erwarten, die nach Sachsen-Anhalt kommen und hier leben wollen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen sollten wir versuchen, zunächst einmal die Menschen, die hier leben, für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Dabei sage ich ganz bewusst, dass das nicht nur durch Fördern geschehen kann, sondern auch durch Fordern geschehen muss. Wir müssen von den Leuten fordern dürfen: Bitte setzt euch auf die Schulbank und bildet euch weiter, damit ihr zu einer gut bezahlten Fachkraft werdet.

Weiterhin müssen wir natürlich auch versuchen - dabei bin ich ganz nah bei den Kollegen der FDP -, uns mit den Leuten zu beschäftigen, die schon hier sind. Das sind beispielsweise die Studenten, die vier, fünf Jahre lang in Halle, in Magdeburg oder in Stendal studieren. Diese sind hier und sprechen auch Deutsch. Sie verhalten sich auch so, wie wir das von ihnen erwarten. Sie gliedern sich also auch ein. Viele von ihnen überlegen auch ganz bewusst, hier zu bleiben.

Gehen Sie einmal durch ein Studentenwohnheim in Halle und schauen, welche Namen an den Türen stehen. Sie lesen dort viele ausländische Namen. Die ausländischen Studenten fühlen sich auch wohl hier. Das sind Studienbedingungen, die wir vor 20 Jahren nicht hatten, die wir heute ausländischen Studenten bieten und auch gerne bieten, weil wir sagen: Sachsen-Anhalt ist ein weltoffenes Land.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen meine ich: Lassen Sie uns nicht nur - das war der Haupttenor der Rede von den LINKEN - über misslungene Integration reden. Lassen Sie uns doch auch einmal über die Menschen reden, die ganz normal am Leben teilnehmen. Lassen Sie uns reden über den vietnamesischen Vati, der im Verein seine Kinder und unsere Kinder trainiert. Lassen Sie uns reden über den Arzt aus der Ukraine, der im Klinikum ganz normal seiner Arbeit nachgeht. Lassen Sie uns reden über den Ingenieur aus Bulgarien, der in seiner Heizungsfirma dafür sorgt, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Firma Aufträge erhält. Ich denke, das gehört auch dazu.

Wir werden uns auch in der kommenden Zeit mit diesem Thema beschäftigen. Ich warne aber vor einer gewissen Panikmache und möchte an dieser Stelle eindeutig sagen, dass wir die Option begrüßen. Wir sollten aber nicht vergessen, worin unsere eigentlichen Stärken und Pflichten liegen. Diese liegen in Sachsen-Anhalt, und zwar genau bei denjenigen, die jetzt unsere Hilfe brauchen, bei denjenigen, die wir noch fortbilden müssen, damit sie den Status einer Fachkraft erlangen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Thomas, es gibt noch eine Nachfrage von Frau Rente. Würden Sie diese beantworten? - Bitte sehr, Frau Rente.

Herr Thomas, Sie sprachen die mangelnde Beteiligung an Deutschkursen in Quedlinburg an. Ist Ihnen bekannt, dass Quedlinburg seit dem Jahr 2006 überhaupt keine Gemeinschaftsunterkunft mehr für Asylbewerber hat? Deshalb ist es sehr schwer, dass jemand hätte erfahren können, dass Sie so etwas anbieten.

Schönen Dank für die Nachfrage. Das verlängert meine Redezeit und so kann ich das noch einmal im Detail erläutern.

Das Verfahren in Quedlinburg war folgendermaßen: Wir haben uns mit der Arbeiterwohlfahrt, mit der Harzer Tafel zusammengesetzt, die etwa 3 000 bis 3 500 Bedürftige betreut. Wir haben gebeten, unter den Bedürftigen zu ermitteln, welche Kurse wir kostenlos anbieten sollen, damit daraus ein Vorteil entsteht. Die Reaktion der Arbeiterwohlfahrt war: keine Resonanz. - Das ist nüchtern festzustellen.

(Frau Rente, DIE LINKE: Wenn aber keine da sind!)

- O doch. Es gibt auch in Quedlinburg einige Migranten.

Danke sehr, Herr Thomas. - Damit ist die Debatte beendet. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst.

Bevor wir den nächsten Tagesordnungspunkt behandeln, haben wir die Freude, Damen des LandfrauenKreisverbandes Mansfelder Land bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsordnung des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/2616

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen - Drs. 5/2919

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/2949

Ich bitte Herrn Marco Tullner, als Berichterstatter des Ausschusses das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bevor ich zur eigentlichen Berichterstattung komme, lassen Sie mich noch eine Berichtigung, die im Laufe der letzten Phase der Beratung aufgetreten ist, hier kundtun.

Wir haben es mit dem dramatischen Fehler zu tun, dass der § 1 des Gesetzentwurfs keine Überschrift trägt, während § 2 den Titel „Inkrafttreten“ trägt. Das ist für Juristen nicht nur in diesem Hause ein unhaltbarer Zustand. Deswegen müssen wir bei § 2 das Wort „Inkrafttreten“ streichen, damit beide Paragrafen keine Überschrift tragen.

Das heute ausdrücklich zu erwähnen ist mir aufgegeben worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der oben genannte Gesetzentwurf wurde von der Landesregierung in der 77. Sitzung des Landtages am 17. Juni 2010 eingebracht und in den Ausschuss für Finanzen zur Beratung überwiesen.

In der Sitzung des besagten Ausschusses am 13. Oktober 2010 wurde ausführlich der Zweck der Änderung der Landeshaushaltsordnung beraten. Die Landesregierung begründete dies durch das strukturelle Defizit im Landeshaushalt. Ziel sei es, vorzeitig, nämlich spätestens im Jahr 2013 ohne neue Schulden auszukommen und verbindliche Tilgungspläne für die Altschulden festzulegen. Dadurch soll das strukturelle Defizit des Landes nach und nach beseitigt werden, um irgendwann von den Konjunkturzyklen unabhängig zu werden. Deshalb hat die Landesregierung die Änderung der Landeshaushaltsordnung vorgeschlagen.

Die Fraktion der FDP wollte gern einen Schritt weiter gehen und entsprechende Regelungen in die Landesverfassung aufnehmen. Eine notwendige Mehrheit im Landtag war aber nicht oder nur theoretisch vorhanden.

Die von der Landesregierung eingebrachte Regelung, so die FDP-Fraktion, sei zu kompliziert. Sie ersetze eine komplizierte Regelung durch eine noch kompliziertere. Eine klare Regelung sei möglich gewesen.

Die Fraktion DIE LINKE wiederum bevorzugte einen anderen Weg, nämlich die Bindung der Kreditaufnahme an Investitionen. Der im öffentlichen Bereich verbreitete Sparkurs auf vielen Gebieten führe zu sinkenden Steuereinnahmen und verschlechtere die Investitionsfähigkeit des Staates. Mit dem Sparen würden dem Wirtschaftskreislauf Mittel entzogen, die dann nicht mehr investiv eingesetzt werden könnten. Die Fraktion der LINKEN sei nicht bereit, dies als gegeben und alternativlos hinzunehmen.

Die Koalitionsfraktionen wiederum lehnten die von der Fraktion DIE LINKE bevorzugte Bindung der Kreditaufnahme an Investitionen ab. Diese führe zu einer Erhöhung der Schulden und nicht zu einer Konsolidierung, die sich die Koalition von der Änderung der Landeshaushaltsordnung erhofft. Die Regelungen in dem Gesetzentwurf seien ein richtiger Schritt. Die Neuverschuldung müsse definiert und dies in Verbindung mit einem Tilgungsplan für die Altschulden gebracht werden. Zumindest drei Fraktionen seien sich einig, dass alles getan werden müsse, um die Schuldenaufnahme und den Schuldenabbau in den Griff zu bekommen. Dazu ist der vorliegende Gesetzentwurf ein erster Schritt.

An dieser Stelle gestatte ich mir noch einen kleinen Einschub. In § 10 - das ist in den Beratungen noch einmal deutlich geworden - gibt es die folgende Formulierung unter Absatz 3, die ich hier ganz kurz vorlesen möchte - ich zitiere -:

„Die Landesregierung unterrichtet den für den Haushalt zuständigen Ausschuss des Landtages und den fachlich zuständigen Ausschuss des Landtages rechtzeitig, wenn das Land oder juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen, unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen an Unternehmen begründen, wesentlich ändern oder aufgeben.“

Diese Formulierung bezieht sich ausdrücklich nicht auf den kommunalen Raum, sondern nur auf die Handlungsfelder des Landes und seiner Einrichtungen. Damit wird noch einmal klargestellt, dass die Kommunen hiervon nicht betroffen sind.