Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Der Ausschuss für Soziales hat sich in der 61. Sitzung am 1. Dezember 2010 mit diesem Antrag befasst. Ihm lag zur Beratung auch ein Entwurf einer Beschlussempfehlung der Fraktion DIE LINKE vor. Dieser beinhaltete zum einen die Kritik des Landtages am Beschluss des Bundestages, eine einkommensunabhängige Finanzierung der Krankenversicherung durch Erheben von Zusatzbeiträgen einzuführen, mit der eine einseitig zunehmende Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbunden sein wird. Zum anderen wurde von der Fraktion DIE LINKE nochmals der Punkt 2 des Antrages in der Drs. 5/2490 aufgegriffen.

Die Koalitionsfraktionen bekundeten, dass sie den Antrag zum Entwurf einer Beschlussempfehlung der Fraktion DIE LINKE ablehnen werden, da das Gesetz zur Gesundheitsreform im Bundestag bereits verabschiedet worden sei. Die Problematik habe sich somit erledigt, so die Koalition.

Der Ausschuss lehnte nach kurzer Beratung den Entwurf der Beschlussempfehlung der Fraktion DIE LINKE bei 3 : 7 : 0 Stimmen ab. Daraufhin wurde auch der Antrag in der Drs. 5/2490 bei 3 : 7 : 0 Stimmen abgelehnt. Der Ausschuss gab dem Landtag die Empfehlung, in diesem Sinne zu beschließen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Wir kommen, wenn gewünscht, zum Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Bischoff, Sie haben Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur in Ergänzung meines Beitrags vom 18. März 2010 etwas vortragen. Ich habe damals deutlich gemacht, wie meine Stellungnahme zu dem Thema ist. Ich habe damals nicht die Meinung der Landesregierung wiedergegeben, sondern die, die dazu vonseiten der SPD vertreten wird, nämlich dass wir für eine solidarische Finanzierung sind.

Mittlerweile sind einige Dinge klarer geworden. Auch das, was ich am 18. März 2010 gesagt habe, ist jetzt konkretisiert geworden. In der nächsten Woche wird das

Vorhaben wahrscheinlich im Bundestag verabschiedet werden.

Sozusagen der andere Teil der Landesregierung will die Finanzierung sicher und auch demografiefester machen und hat sich für die Einführung der einkommensunabhängigen Zusatzprämie ausgesprochen, sodass wir uns aus Koalitionsgründen im Bundesrat, würde dort abgestimmt, der Stimme enthalten würden. Daher nehme ich an, dass die Koalitionsfraktionen dem vorliegenden Antrag heute nicht zustimmen werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Wir kommen zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Penndorf das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die jüngste Gesundheitsreform, mit dem Kalkül gestaltet, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss, ist beschlossen. Damit könnte man eigentlich glauben, dass unser Antrag vom März 2010 erledigt wäre. Er lief nämlich zum einen darauf hinaus, dass die Landesregierung im Bundesrat und in der Gesundheitsministerkonferenz gegen die Einführung einer einkommensunabhängigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung aktiv werden sollte.

Meine Damen und Herren von der SPD, man kann laufend aktiv werden, auch wenn es nicht im Bundesrat verabschiedet worden ist, weil es eine laufende, eine immer fortwährende Baustelle ist. Die Erhebung einer Kopfpauschale sollte so verhindert werden.

Zum anderen sollte sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Weiterentwicklung der GKV durch Verbreiterung der solidarischen Finanzierungsbasis im Sinne einer allgemeinen Bürgerversicherung einsetzen.

Schon in der Märzdebatte zeigte sich, dass die Koalitionsfraktionen eigentlich gar nicht so weit von unserer Meinung entfernt waren. Der Antrag wurde in den Ausschuss überwiesen und erhielt die Chance, vom Landtag erneut behandelt zu werden. Diese Chance ist heute gekommen. Wir sollten sie nutzen, um unsere Kritik am beschlossenen Gesetz zum Ausdruck zu bringen und auf einige Widersprüche zwischen Wort und Tat bei den Koalitionsfraktionen aufmerksam zu machen.

Mit der Überweisung erhielt der Ausschuss für Soziales die Aufgabe, dem Landtag eine Beschlussempfehlung vorzulegen, und damit die Chance, die im März und seit Wochen immer wieder seitens der CDU- und der SPDFraktion geäußerten kritischen Aspekte in einen Beschluss zu fassen.

Das veranlasste uns, den Antrag in einer geänderten Fassung in den Ausschuss für Soziales einzubringen. Das Interview, das Herr Scharf dem „AOK-Forum“ gab, kam uns dabei sehr entgegen,

(Beifall bei der LINKEN - Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

durften wir doch annehmen, dass die Erarbeitung einer gemeinsamen Meinung mit folgendem Tenor unproblematisch möglich würde. Unsere Beschlussempfehlung lautete im Punkt 1:

„Der Landtag kritisiert den Beschluss des Bundestages, eine einkommensunabhängige Finanzierung der GKV durch Erheben von Zusatzbeiträgen, mit der eine einseitig zunehmende Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbunden sein wird, einzuführen.“

Dieser Inhalt entspricht ganz eindeutig den Aussagen von Herrn Scharf

(Beifall bei der LINKEN)

und vielen anderen Meinungen, die in der Niederschrift über die Plenardebatte im März 2010 nachlesbar sind.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Der Punkt 2 sollte unverändert bleiben. Doch es wurde im Ausschuss nicht einmal eine Diskussion geführt. Es ist ja nichts Neues, dass unsere Anträge im Ausschuss prinzipiell abgelehnt werden. Die beiden Regierungsfraktionen hatten sich bereits in der Debatte im März 2010 deutlich gegen die Gesundheitsprämie bzw. die Kopfpauschale ausgesprochen. Niemand außer Frau Dr. Hüskens hatte Gegenteiliges in die Diskussion eingebracht.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Hinzu kommt die jüngst publizierte Verlautbarung von Herrn Scharf, die eine Absage gegenüber der Kopfpauschale zum Ausdruck bringt. Er betonte, dass es sich nicht allein um seine persönliche Meinung handelt, sondern um die der ganzen Fraktion. Umso bemerkenswerter ist es, dass man nun nicht einmal mehr zu einer kritischen Wertung bereit ist.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Es lebe der Wahlkampf und damit die Heuchelei - oder wie soll man dies nennen?

(Oh! bei der CDU und bei der FDP - Frau Weiß, CDU: Das haben Sie gerade nötig - Unruhe)

Kommunikative Probleme bei der Meinungsbildung innerhalb der Fraktionen oder einfach Irreführung der Wähler, um mit Blick auf die Landtagswahl noch ein paar Punkte zu sammeln? Denn immerhin lehnen 82 % der deutschen Bevölkerung die einkommensunabhängige Kopfpauschale ab. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach.

Die inhaltliche Bewertung überlassen wir an dieser Stelle der Öffentlichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Sachsen-Anhalt. Sie haben ein Recht darauf, über die Widersprüche zwischen Worten und Taten, zwischen angeblichen Positionen und parlamentarischem Handeln aufgeklärt zu werden.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass unsere Beschlussempfehlung die Einführung der Gesundheitsreform zum 1. Januar 2011 nicht verhindert hätte, aber eine öffentliche kritische Stellungnahme wäre ein klares Signal des Landes Sachsen-Anhalt an die Bundesregierung sowie an die Bürgerinnen und Bürger des Landes gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es zeichnet sich ein Systemwechsel ab, der die Solidarität aushebelt und eine Dreiklassenmedizin bewirken wird. Im Übrigen sieht es auch Herr Scharf als schlicht falsch an, das gut funktionierende Umlageverfahren gegen ein anderes System einzutauschen, und gibt sein klares Ja zur solidarischen Finanzierung.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Gesundheit ist keine Ware, die man sich eben leisten kann oder nicht, und Solidarität bedeutet, der eine steht für den anderen ein, und nicht, ich stehe für mich, gemessen an meiner Erkrankung und Kaufkraft, ein.

Es ist richtig, dass die Leistungen des Gesundheitssystems nicht umsonst zu haben sind. Aber es kann nicht sein, dass Einnahmequellen und Kostenbremsen ständig Geringverdiener, Rentner und Familien mit Kindern überproportional treffen und vor allem Besserverdienende entlasten.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Penndorf, kommen Sie langsam zum Schluss. Ihre Redezeit ist schon abgelaufen.

Neben dem Beitragssatz, der Praxisgebühr und den Zuzahlungen kommen nun die Kopfpauschale und Steuerentrichtungen für den Solidarausgleich hinzu. Ich kann nur wiederholen, dass es mit dem von der LINKEN propagierten System der solidarischen Bürgerversicherung möglich wird, die Finanzierung der GKV wieder auf sichere Füße zu stellen. Mit dieser Aussage stehen wir nicht allein. Es ist an der Zeit, sich zu besinnen, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger diese Alternative in Betracht zu ziehen.

Wir werden jedenfalls unseren Kampf gegen die Einführung einer Kopfpauschale weiterführen. Wir werden die Beschlussempfehlung des Ausschusses ablehnen. Damit im Lande jede und jeder weiß, wie ihre Landtagsabgeordneten es mit der Übereinstimmung von Wort und Tat halten, beantragen wir eine namentliche Abstimmung. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Namentliche Abstimmung haben Sie beantragt?

Dann kommen wir zu dem Debattenbeitrag der CDU. Der Abgeordnete Herr Brumme wird jetzt das Wort nehmen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde bereits am 10. März 2010 in diesem Hohen Hause behandelt. Ich denke, es sind keine wesentlichen neuen Erkenntnisse hinzugekommen. Wir haben unseren Standpunkt dargelegt. Herr Scharf hatte in dem Interview mit der AOK die Meinung der Fraktion noch einmal dargestellt. Ich weiß nicht, was die LINKE nun von uns will.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Dass Sie dem Antrag zustimmen!)

- Nein, das tun wir nicht, weil Intentionen darin sind, die einfach nicht funktionieren.

Damit komme ich jetzt zum Einzelnen. Berlin hat - das muss man erst einmal akzeptieren - das Gesetz verabschiedet und hat das nachvollzogen, was Ulla Schmidt bereits auf den Weg gebracht hatte: Der Beitragssatz wurde von 14,9 % auf 15,5 % angehoben. Damit wurde der Status quo vor der Wirtschaftskrise wiederhergestellt. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds - dieser wurde schon vorher eingeführt - und mit der Einfrierung des Arbeitgeberbeitrages wurden damals schon Fakten geschaffen.

Das, was jetzt geändert wurde, ist der Zusatzbeitrag, keine Kopfpauschale, bitte schön. Der Zusatzbeitrag versetzt die Krankenkassen in den Stand, dass wieder ein Wettbewerb zwischen den Krankenkassen funktioniert und dass wieder - ich sage es einmal so - die Spreu vom Weizen getrennt wird. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, wenn einheitliche Beiträge und einheitliche Leistungen angeboten werden.