Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

(Herr Hauser, FDP: Ich bin nicht launisch, ich bin ehrlich!)

- Ich komme auf Sie noch zurück, Herr Hauser.

Sehr geehrter Herr Minister Aeikens, vielen Dank für Ihre Regierungserklärung. Sie haben hier zwei Themenschwerpunkte benannt, die Landwirtschaft und die Entwicklung des ländlichen Raums. Beides sind Themengebiete, die zwar eng miteinander verflochten sind, für die es sich aber gelohnt hätte, einzelne Regierungserklärungen abzugeben. Ihre Regierungserklärung, Herr Minister, hat mich in dieser Auffassung sogar noch bestärkt.

Die Entwicklung der ländlichen Räume ist umfassend. Sie ist eine sehr komplexe Materie, die eines - wie Sie richtig feststellen - ressortübergreifenden Ansatzes bedarf - dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass unser Land, abgesehen von den Städten Halle und Magdeburg, ländlicher Raum ist.

Wenn wir über die künftige Entwicklung ländlicher Räume sprechen, dann geht es neben der Agrar- und Umweltpolitik vorrangig auch um Wirtschaftspolitik, um So

zialpolitik, um Bildungspolitik, um Verkehrspolitik, um Kommunalpolitik und nicht zuletzt auch um Finanzpolitik.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Für meine Begriffe greift es daher ein wenig zu kurz, wenn Sie Ihren Dank für die gute Zusammenarbeit auf Ihre CDU-Kollegen Dr. Haseloff und Dr. Daehre beschränken. Ich denke aber, der Wahlkampf lässt grüßen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung unserer ländlichen Räume ist auch ein Zukunftsthema.

Wir haben in den vergangenen Jahren durch eine Vielzahl von Maßnahmen - Ausbau der Infrastruktur, Dorferneuerung und Dorfentwicklung - viel erreicht. Wer heute durch unsere Dörfer fährt, spürt, dass sich in der Infrastruktur und der Bausubstanz viel getan hat. Auch das von Minister Aeikens angesprochene bürgerschaftliche Engagement möchte ich hervorheben. Es trägt maßgeblich zu einer lebenswerten Gestaltung unserer ländlichen Räume bei.

Jene Menschen, die sich in besonderer Art und Weise für ein lebenswertes Miteinander oder die Bewahrung unserer Umwelt einsetzen, müssen auch in Zukunft unsere volle Unterstützung haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle und aus aktuellem Anlass Herrn Dr. Christoph Kaatz zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gratulieren.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Sein Engagement für den Arten- und Naturschutz in Sachsen-Anhalt ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Artenvielfalt auch für künftige Generationen in unseren ländlichen Räumen erhalten werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den vergangen 20 Jahren viel erreicht, aber auch viel aufholen müssen. Wenn wir Bilanz ziehen, so können wir ohne Zweifel auf das Erreichte stolz sein. Künftig stehen wir insbesondere aufgrund der demografischen Entwicklung vor enormen Herausforderungen, um gleichwertige Lebensbedingungen in unseren ländlichen Räumen zu wahren.

Die SPD-Landtagsfraktion hat in den vergangenen zwei Jahren zehn Werkstattgespräche zur künftigen Entwicklung ländlicher Räume durchgeführt. Wir haben uns darin Themen wie dem Flächenverbrauch, dem demografischen Wandel, der künftigen Daseinsvorsorge, der Landesentwicklung als Planungsinstrument, dem Gesteinsabbau, der Landwirtschaft und der Regionalvermarktung gewidmet. Zu diesen Werkstattgesprächen haben wir Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis eingeladen, um mit ihnen über die künftige Entwicklung zu diskutieren.

Die Erfahrungen haben uns gezeigt, dass das Instrument der Werkstattgespräche sehr konstruktiv und für die politische Willensbildung eine Bereicherung ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Ihnen nun einige Ergebnisse der Werkstattgespräche vorstellen, da sie für die Entwicklung unserer ländlichen Räume von elementarer Bedeutung sind und

uns vergegenwärtigen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.

Meine Damen und Herren! Das wichtigste Thema dürfte - wie bereits erwähnt - die Bewältigung der demografischen Entwicklung sein. Die Entwicklung der ländlichen Räume in Sachsen-Anhalt wird durch die Demografie massiv beeinflusst. Der Bevölkerungsrückgang findet dabei künftig vor allem in den ländlichen Räumen statt. Die Altersstruktur wird sich in den kommenden Jahren deutlich dahin gehend verändern, dass die Gesellschaft immer älter wird. Insbesondere der Anteil junger Menschen nimmt erheblich ab. Für Sachsen-Anhalt wird damit gerechnet, dass die Zahl der Geburten bis zum Jahr 2025 von derzeit etwa 18 000 auf etwa 10 000 sinkt.

Wir kommen also nicht umhin festzustellen, dass Sachsen-Anhalt mehr als andere Länder vom demografischen Wandel besonders betroffen sein wird. Für uns heißt das, dass wir bei der Entwicklung von Anpassungsstrategien innovativer und schneller sein müssen. Die zentrale Frage ist dabei, wie wir eine funktionierende Gesellschaft mit starken Haltefaktoren schaffen können.

Wir brauchen eine Versorgungs- und soziale Infrastruktur, welche langfristig die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen im ländlichen Raum sicherstellt. Dies wird ein entscheidender Standortfaktor für die künftige Entwicklung ländlicher Räume sein. Die Anforderungen von jungen Familien und die unterschiedliche Mobilität der verschiedenen Altersgruppen der Bevölkerung sind da insbesondere zu beachten. Zudem sind wir gut beraten, alles zu tun, um den Weggang von jungen Frauen zu stoppen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von der Landesregierung wurde in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Projekten und Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels angeboten, angeschoben und durchgeführt, die es konsequent weiterzuentwickeln und umzusetzen gilt. Exemplarisch aufführen möchte ich hier die Durchführung von Demografiechecks bei Entscheidungsvorhaben, regionale Demografiewerkstätten, die Einführung von Regionalbudgets und die Anpassung der Verwaltungsstrukturen.

Das Thema Daseinsvorsorge ist für die Bürgerinnen und Bürger von besonderer Bedeutung. Das betrifft die Grundversorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen, die medizinische Versorgung und Pflege, ÖPNV-Leistungen, Schulstandorte oder den mobilen Warenhandel. Auch hierbei gibt es erhebliche Anstrengungen, um die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in unserem ländlichen Raum zu erhalten.

Ich denke in diesem Zusammenhang an das Medizinstipendium und die Unterstützung junger Ärzte bei der Niederlassung, die mobile Praxisassistentin und flexible Bedienformen im ÖPNV sowie die Erhaltung von Grundschulstandorten auch bei geringer Auslastung.

Hervorheben möchte ich, dass mit der Einführung des Kapitels „Sicherung und Entwicklung der Daseinsvorsorge“ im Landesentwicklungsplan Vorhaben verankert wurden, die in den Fachplanungen zu berücksichtigen sind. Wir haben also das Thema Daseinsvorsorge in der Landesentwicklung deutlich aufgewertet. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich würdigen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln. Neben der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln hat die Bereitstellung nachwachsender Rohstoffe, die regionale Energieversorgung auf der Basis der landwirtschaftlichen Biomasse sowie die Erhaltung des Naturhaushalts und der Kulturlandschaft zunehmende Bedeutung. Die Landwirtschaft ist somit ein multifunktionaler Wirtschaftszweig, dessen Leistungsfähigkeit in allen Teilen des Landes entsprechend den regionalen Gegebenheiten zu entwickeln ist.

Die Landwirtschaft hat zusammen mit der Ernährungswirtschaft in Sachsen-Anhalt insofern eine herausragende Bedeutung. Die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt ist im europäischen Maßstab gut aufgestellt, und unser oberstes Ziel muss es sein, die Chancengleichheit und die damit verbundene Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe europa- und weltweit zu erhalten.

Dazu sehen wir neben der Beibehaltung der Betriebsprämien sowie der Vermeidung von Obergrenzen und Degressionen auch die Notwendigkeit des Aufbaus von regionalen Wirtschaftskreisläufen und Wertschöpfungsketten.

Zu den Vorschlägen der Kommission kann ich Minister Aeikens hinsichtlich seiner drei Problemfelder nur beipflichten. Der unklare Finanzrahmen, die differenzierte Interessenlage der Mitgliedstaaten und die wenig konkreten Vorschläge lassen eine fundierte Bewertung derzeit nicht zu. Zur Ankündigung der Einführung von Kappungsgrenzen kann ich an dieser Stelle aber bereits festhalten, dass wir diese konsequent ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Agrargenossenschaften übernehmen als Mehrfamilienbetriebe wichtige ökonomische und soziale Funktionen im ländlichen Raum und haben wesentlich zum Ausbau von regionalen Wirtschaftskreisläufen und Wertschöpfungsketten beigetragen. Wir müssen also alles dafür tun, dass diese Unternehmen durch eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik nicht benachteiligt werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Ankündigung, das Arbeitskräftekriterium bei den Direktzahlungen berücksichtigen zu wollen, sehen wir kritisch, da dieser Ansatz in der Praxis kaum umsetzbar sein dürfte. Auch muss man die Frage stellen, welcher bürokratische Aufwand künftig für eine gemeinsame Agrarpolitik betrieben werden soll.

Bezüglich der Ökologisierungskomponente der Direktzahlungen sehen wir die Notwendigkeit, dass die Anforderungen auf die regionalen Gegebenheiten abgestimmt werden. Ein einheitlicher Katalog an Umweltmaßnahmen von Lappland bis Griechenland wird den unterschiedlichen Verhältnissen nicht gerecht.

Insgesamt haben die Vorschläge eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen. Eine abschließende Beurteilung ist erst möglich, wenn diese konkret beantwortet sind. Ein wichtiges Kriterium wird hierbei sicherlich sein, mit welcher Basisprämie die Landwirte in den EU-Mitgliedstaaten künftig rechnen können. Die unterschiedlichen Lohn-, Arbeits- und Produktivkosten in den Mitgliedstaaten sind nach unserer Auffassung dabei zu berücksichtigen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft die Frage, wie die jährlichen Zahlungen ohne zusätzlichen Aufwand für die

Landwirte und für die Verwaltung berechnet, ausgezahlt und kontrolliert werden sollen. Die Kommission ist jetzt gefordert, in den nächsten Monaten dazu schlüssige Antworten zu finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tierproduktion ist und war immer Bestandteil der Landwirtschaft. Es steht außer Frage, daran festzuhalten. Tierproduktion beinhaltet mit ihren vor- und nachgelagerten Bereichen Wertschöpfung in der Region. Der landesweite Tierbesatz ist nach wie vor einer der niedrigsten in Deutschland, und wir sehen hier Potenzial und Nachholbedarf.

Es muss uns gelingen, unsere Landwirte davon zu überzeugen, künftig verstärkt in die Tierproduktion zu investieren. Das heißt aber auch, dass die Rahmenbedingungen für sie so gestaltet werden müssen, dass sie Kredite erhalten und Eigenkapital bilden können, um investieren zu können.

Dass Tierproduktionsanlagen einer bestimmten Größe bedürfen, um wirtschaftlich zu sein, liegt auf der Hand. Wir sehen an dieser Stelle die Notwendigkeit, durch Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu werben. Viele Beispiele in allen Regionen zeigen, dass es hierbei größere Probleme gibt. Ich will die einzelnen Beispiele nicht aufführen. Das würde meine Redezeit deutlich überbeanspruchen.

Wie gesagt, ohne Akzeptanz in der Bevölkerung ist es schwierig, den Tierbesatz nachhaltig zu erhöhen. Den Erlass des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr zu der Raumbedeutsamkeit großer Tierproduktionsanlagen verstehen wir in diesem Zusammenhang.

Zwei Worte zur Forst. Wir stimmen mit dem Minister darin überein, dass es vorrangig um eine stoffliche Nutzung unseres Waldes und unseres Rohholzes gehen muss und erst im Nachgang die Verbrennung erfolgen sollte. In diesem Bereich haben wir, denke ich, in der Zukunft noch viele Dinge zu tun.

Für uns ist es wichtig, dass es uns gelungen ist, die Lehrlingsausbildung in unserem Land zu erhalten. Dafür treten wir auch zukünftig ein, gerade was den sehr guten Standort in Magdeburgerforth betrifft. Zudem begrüßen wir natürlich, dass es jetzt in Halle eine landwirtschaftliche Fakultät gibt. Die DLG-Ansiedlung haben wir ebenfalls positiv begleitet. Ich denke, dass wir uns darüber freuen können, dass es so gekommen ist.

In Bezug auf die zukünftige Forststruktur will ich an dieser Stelle sagen, dass wir mit dem derzeitigen Stand nicht zufrieden sind, weil es an dieser oder jener Stelle hakt. Ich will nur ein Beispiel nennen. Es kann nicht sein, dass im Landesbetrieb Drittbetriebe in enormen Größenordnungen Arbeit leisten und die Forstarbeiter im Landeszentrum Wald mehr oder minder ABM-Tätigkeiten ausführen. Ich denke, darüber gilt es zukünftig noch nachzudenken, wobei unsere Forderung - diese kann jeder nachlesen; sie steht in unserem Wahlprogramm - lautet: Wir fordern eine Anstalt öffentlichen Rechts. Wir werden sehen, wie wir das zukünftig umsetzen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die landwirtschaftliche Fläche ist ein Hauptproduktionsmittel der Landwirtschaft. Einen Verbrauch wie in den vergangenen Jahren können und dürfen wir uns nicht mehr leisten. Auch meine Vorredner haben darauf bereits hingewiesen. Durch ein intelligentes Flächenmanagement