Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die landwirtschaftliche Fläche ist ein Hauptproduktionsmittel der Landwirtschaft. Einen Verbrauch wie in den vergangenen Jahren können und dürfen wir uns nicht mehr leisten. Auch meine Vorredner haben darauf bereits hingewiesen. Durch ein intelligentes Flächenmanagement
muss es uns gelingen, Investoren zu überzeugen, vermehrt Altstandorte zu nutzen, statt Ackerflächen zu versiegeln.
Natürlich gibt es noch einige Projekte, wie die Nordverlängerung der A 14, die auch weiterhin landwirtschaftliche Flächen in Anspruch nehmen werden. Wir dürfen es in diesem Zusammenhang allerdings nicht zulassen, dass landwirtschaftliche Flächen in enormen Größenordnungen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verlorengehen.
Die Landesregierung ist derzeit dabei, einen Flächenpool für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei der Stiftung für Umwelt- und Klimaschutz einzurichten. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssen zukünftig vorrangig für die Sanierung von Altstandorten und die Aufwertung bereits vorhandener Naturschutzflächen verwendet werden.
Minister Dr. Aeikens hat den Bodenmarkt und hierbei explizit die Flächenverkäufe der BVVG angesprochen. Auch die SPD vertritt die Auffassung, dass die BVVGFlächen vom Land übernommen werden sollten. Erste entsprechende Versuche gab es bereits unter Minister Keller.
Das Betreiben der Bundesregierung und der Regierungskoalition der CDU/CSU und der FDP, Alteigentümer beim Flächenerwerb zu begünstigen, bereitet uns derzeit konkrete Sorgen. Um es ganz deutlich zu sagen: Dieses Anliegen ist mit Ihren Äußerungen, Herr Minister, wie: „Die Bodenrente gehört in die Dörfer und nicht woandershin“ oder: „Wir wollen landwirtschaftliche Betriebe, die in und mit dem Dorf leben und wirtschaften“, nicht vereinbar.
Herr Hauser, weil Sie immer so schön austeilen können, an dieser Stelle von mir die Frage - dieser oder jener wird sie kennen -: Wann ist die deutsche Einheit vollendet? - Die Antwort: Wenn kein Ostdeutscher mehr im Grundbuch steht.
(Frau Brakebusch, CDU: Eine Unverschämtheit! - Herr Hauser, FDP: Das ist völlig daneben! - Herr Dr. Schrader, FDP: So ein Quatsch! - Unruhe)
Ein Stichwort, das ich abschließend aufgreifen möchte, betrifft die Multifunktionalität der Landwirtschaft. „Vom Landwirt zum Energiewirt“ ist dabei sicherlich eine Option, die wir auch weiterhin unterstützen wollen. Wie von Minister Dr. Aeikens bereits ausgeführt, müssen wir dabei jedoch gravierende strukturelle Verschiebungen durch Nutzungskonkurrenten vermeiden; denn wir dürfen nicht aus dem Auge verlieren, dass die Hauptaufgabe der Landwirtschaft in der Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmittel besteht.
Wir haben also die große Verantwortung, mit unseren Ressourcen schonend umzugehen. Es liegen große Aufgaben vor uns. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Barth, für Ihren Beitrag. - Wir kommen zum Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Herr Krause erhält das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben eine ausgiebige Bilanz zur Landwirtschaft und zu den ländlichen Räumen gezogen. Ich möchte auf einige Problemfelder eingehen und unseren Standpunkt dazu deutlich machen.
Vorweg aber einige Anmerkungen. Sie werden mir darin zustimmen, meine Damen und Herren, dass Agrarpolitik nach wie vor von der grundsätzlichen Frage getragen wird: Wie kann die Landwirtschaft die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und die Belieferung der verarbeitenden Industrie mit landwirtschaftlichen Rohstoffen in hoher Qualität und in ausreichender Menge sichern?
Ein wichtiger Anspruch besteht für uns darin, dass die Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln aus eigenem Aufkommen zuverlässig versorgt wird. Dabei hat die Produktion im Rahmen eines verantwortungsvollen Umganges mit allen natürlichen Ressourcen zu erfolgen. Im Mittelpunkt muss dabei der sachgerechte Umgang mit dem Boden stehen. Ein Maßstab gerade für den regionalen Bezug der Landwirtschaft ist auch die weitestgehende Versorgung der Tierbestände mit Futter aus dem betrieblichen Aufkommen.
Meine Damen und Herren! Außerdem wissen wir, dass an eine Landwirtschaft, die zu einem Großteil aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, seitens der Bevölkerung nicht gerade geringe Erwartungen gestellt werden. Darüber, dass Nahrungsmittel in ausreichender Menge und guter Qualität bereitgestellt werden müssen, denkt heute angesichts unserer Sattheit kaum noch jemand nach. Das ist inzwischen eine Normalität, an die man sich angesichts voller Regale in den Supermärkten gewöhnt hat und an die man sich vielerorts mit einer Gleichgütigkeit gegenüber jenen gewöhnt hat, die täglich bei Wind und Wetter sowie an Sonn- und Feiertagen dafür ihre Arbeit leisten.
Auch wer im Urlaub die Einmaligkeit einer schönen Kulturlandschaft genießt, bringt diesen Genuss in den meisten Fällen kaum mit der produktiven Tätigkeit der Bauern bzw. der Landwirtschaft in Verbindung. Ich meine, dieser Trend ist besorgniserregend, weil er mehr und mehr eine Abnabelung von der Natur ist. Auch an diese Seite der Medaille sollte gedacht werden, wenn andererseits durchaus berechtigte Erwartungen an die Landwirtschaft geknüpft werden, und zwar in puncto Sicherung des Umwelt- und Naturschutzes, der Biodiversität, der Beachtung und Einhaltung von Tierschutzstandards in der Tierproduktion oder wenn zur Linderung der Folgen des Klimawandels im Allgemeinen mehr von der Landwirtschaft erwartet wird. Es ist gut, dass wir wenigstens die Landwirtschaft und den ländlichen Raum noch immer in einem engen Zusammenhang sehen.
Letztlich ist die Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU auch aus den Erwartungen der Menschen heraus erwachsen, dass die Landwirtschaft eine entscheidende Rolle beim Erhalt und Ausbau lebensfähiger ländlicher Räume spielt.
Die Bedeutung der Landwirtschaft - der Minister verwies bereits darauf - kann nicht allein an dem Anteil von 1,6 % an der gesamten Bruttowertschöpfung der Wirtschaft des Landes gemessen werden. Ohne eine gut aufgestellte Landwirtschaft wäre auch die erfolgreiche Entwicklung der gesamten Ernährungswirtschaft kaum denkbar.
Wenn auf eine fünf- bis sechsmal höhere Wertschöpfung in der Ernährungswirtschaft verwiesen wird, muss es einfach auch gestattet sein, an die Agrarpreissituation zu erinnern sowie an eine zu erwartende Einkommensentwicklung bei den Landwirten, wenn öffentliche Zuwendungen, die ca. 40 bis 50 % des Einkommens in der Landwirtschaft des Landes ausmachen, in den kommenden Jahren immer weniger werden sollen.
Meine Damen und Herren! In den neuen Bundesländern und damit auch in Sachsen-Anhalt zeichnen sich die landwirtschaftlichen Betriebe im Unterschied zur Landwirtschaft im früheren Bundesgebiet durch ein breites Spektrum an unterschiedlichen Rechtsformen aus.
Von den nun mehr als 4 800 Agrarunternehmen, die es in Sachsen Anhalt im Haupterwerb gibt, sind 546 juristische Betriebe. Damit sind 11,3 % aller Unternehmen in so genannten Gemeinschaftsunternehmen, im Wesentlichen in der Rechtsform GmbH und Agrargenossenschaft, organisiert.
Dabei ist die Agrargenossenschaft die bemerkenswerteste Betriebsform, die durch die Länder des neuen Bundesgebietes, der früheren DDR, in die Einheit Deutschlands eingebracht worden ist und sich auch als eine solche gegen den damaligen Widerstand aus der Politik und von Wirtschaftsberatern gerade Anfang der 90erJahre durchsetzen konnte. Die Vorstände waren davon überzeugt, dass die landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaften und das Genossenschaftswesen im Allgemeinen eine echte Chance auch unter den anderen gesellschaftlichen Bedingungen haben.
Die positive wirtschaftliche Bilanz der Landwirtschaft, die Herr Minister Aeikens in seiner Regierungserklärung gezogen hat, ist damit auch ein Beleg für die hervorragende Entwicklung der Genossenschaften im Lande. DIE LINKE hat sich von Anfang an für die neuen Agrarstrukturen und insbesondere auch für den Erhalt der Genossenschaften eingesetzt.
Meine Damen und Herren, wir hörten es bereits: Mit der neuen EU-Förderperiode ab 2014 muss sich die Landwirtschaft mit Sicherheit auf finanzielle Einschnitte einstellen. Die EU-Kommission stellte dazu - Sie haben es gehört - Mitte November 2010 ihre Pläne zur künftigen Ausgestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik vor. Die Bedeutung der Landwirtschaft zur Sicherung der Ernährung sowie zur Entwicklung der ländlichen Räume wird dabei klar hervorgehoben.
Stark diskutiert wird darüber, dass die erste Säule jetzt auch grüner werden soll. Das heißt, es wird erwogen, die Direktzahlungen nunmehr auch daran zu messen, wie bestimmte zusätzliche Umweltmaßnahmen erfüllt und in welchem Umfang Arbeitsplätze vorgehalten werden.
Wenn dabei das Ziel einer flächendeckenden multifunktionalen Landwirtschaft sowie der Erhalt und die Förderung unserer modernen Agrarstruktur nicht aus dem Auge verloren werden, ist eine solche Agrarpolitik zu unterstützen, umso mehr, wenn sie eine Landwirtschaft be
fördert, die vor allem auf der Grundlage regionaler Wirtschaftskreisläufe mit hohem ökologischem und sozialem Anspruch wirtschaftet.
Klar ist: Ein landwirtschaftliches Unternehmen, in welcher Rechtsform und Größe auch immer, wird sich nur dann nachhaltig behaupten können und in der Gesellschaft Anerkennung finden, wenn die Produktion auf einem ausgewogenen Verhältnis von wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien basiert.
Unseren Vorstellungen entspricht es auch, Arbeitsplätze vorzuhalten und daran einen Anteil von 20 % der Direktzahlungen zu binden. Damit könnte erreicht werden, dass EU-Mittel von den bisher wirtschaftlich besser gestellten Marktfruchtbetrieben, also reinen Ackerbaubetrieben, stärker zu den Misch- und Veredelungsbetrieben fließen. Das wäre zu begrüßen, da gerade in der Veredelungswirtschaft, in den Veredelungsbetrieben, also in den Betrieben mit Tierproduktion, mehr Arbeitsplätze vorgehalten werden, die der ländliche Raum dringend benötigt.
Darin sehen wir auch Chancen, verstärkt regionale Verarbeitungs- und Vermarktungslinien in Regie von oder in Kooperation mit Betrieben der Tierproduktion aus- und aufzubauen. Die Stärkung regionaler Vermarktungs- und Wertschöpfungsketten soll auch den Wettbewerb der Regionen untereinander befördern. In diesem Sinne sehen wir in der Stärkung von Direktvermarktungslinien in der Land-, Forst- und Ernährungsgüterwirtschaft in Sachsen Anhalt eine strategisch wichtige Aufgabe der Landespolitik.
Auf alle Fälle ist die Agrarpolitik ab dem Jahr 2014 so auszugestalten, dass die modernen und optimalen Agrarstrukturen im Land und auch in den neuen Bundesländern nicht benachteiligt werden. Mehr noch: Die EUAgrarpolitik ist so auszurichten, dass alle Agrarstrukturen in den Regionen Europas gleichberechtigt gefördert und gestärkt werden.
Ernsthafte Probleme sehen wir darin, dass von der Kommission - darauf haben auch meine Vorredner hingewiesen - erwogen wird, insbesondere für moderne und optimale Betriebsgrößen bei den Direktzahlungen Kappungsgrenzen einzuziehen. Das würde vor allem die Agrarunternehmen in den neuen Bundesländern benachteiligen. Aber gerade die diesen Betrieben innewohnenden Potenziale müssen durch eine künftige EUAgrarstrukturpolitik zielstrebig befördert und genutzt werden. Kappungsgrenzen bremsen moderne Agrarunternehmen aus und verhindern die Ausgestaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft in Europa sowie die Entwicklung der ländlichen Räume.
Wir meinen auch, dass es für die Entwicklung der Landwirtschaft unbedingt wichtig ist, sich von den neuesten Erkenntnissen der Agrarwissenschaft leiten zu lassen. Für deren Anwendung sind auch die notwendigen Strukturen entsprechend vorzuhalten. Genau diese haben wir in Sachsen-Anhalt und diese wollen wir hüten wie unseren Augapfel.
Noch haben wir in Sachsen-Anhalt gut ausgebildete Landwirte und insbesondere Betriebsleiterinnen und Be
triebsleiter. Wenn im letzten Bundesagrarbericht angemerkt worden ist, dass für die große Spannweite der positiven Entwicklung auch die Betriebsleiterqualifikation eine wesentliche Rolle spielt und dass wir in einem entsprechenden Vergleich gut abschneiden, dann ist dies insofern bemerkenswert, als Sachsen Anhalt unter anderem mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Hochschule Bernburg über herausragende agrarwissenschaftliche Standorte verfügt, die das Land auch weiterhin nachhaltig zu nutzen verstehen muss.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf unsere parlamentarische Initiative zur Stärkung der Agrarwissenschaften in Sachsen Anhalt, die letztlich in einen Beschluss des Landtages zur weiteren Stärkung der agrarwissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mündete.
Sehr verehrte Damen und Herren! Nach wie vor sind der Umgang mit dem Boden, der Bodenverbrauch, die rasante Bodenpreisentwicklung und die Verwertungspraxis der BVVG aktuell brennende Themen. Ein Landwirt brachte es vor wenigen Tagen auf der letzten Klausurtagung des Landesbauernverbandes mit der Feststellung auf den Punkt, dass die Bodenpolitik durch das Prinzip „Cash vor Wirtschaftlichkeit“ bestimmt wird.
Für den Handel mit landwirtschaftlichen Nutzflächen gelten die Bestimmungen des Grundstück- und des Landpachtverkehrsgesetzes. Mit diesem Gesetz werden ordnungspolitische Eingriffe unter anderem in den Fällen, in denen sich Nichtlandwirte um den Kauf bzw. die Pacht von landwirtschaftlichen Nutzflächen bemühen, geregelt. Dies hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten zur Sicherung einer gesunden Bodenverteilung und zur Verhinderung von Preistreiberei und Bodenspekulation bewährt.
Die jetzigen Probleme auf dem Bodenmarkt sind ausschließlich der Privatisierungspraxis der BVVG geschuldet, die die Verwertung ihrer Flächen unter politisch gestützter Missachtung des Grundstück- und des Landpachtverkehrsgesetzes, also ohne wirksame ordnungspolitische Eingriffe, durchführt.
Für uns steht nicht, wie es der Herr Minister betonte, die Änderung des Grundstückverkehrsgesetzes an erster Stelle - nein, es geht um die Einhaltung des Grundstückverkehrsgesetzes auch in diesem Bereich und nicht nur im privaten und öffentlichen Bereich.
Der Gesetzgeber hat es in der Hand, hierbei ordnungspolitisch auf der Grundlage beider Gesetze einzugreifen, um die gegenwärtige Preistreiberei der BVVG zu beenden - die BVVG ist Eigentum des Bundes - und gleichzeitig auch deren Privatisierungs- und Verwertungsgrundsätze zum Vorteil der Landwirtschaft und der ländlichen Räume neu auszurichten.