Protokoll der Sitzung vom 04.02.2011

Wiederbeginn: 12.03 Uhr.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen das Abstimmungsergebnis mitteilen: Für den Antrag gestimmt haben 84 Abgeordnete.

(Zustimmung)

Es gab keine Neinstimme und sieben Stimmenthaltungen. Sechs Abgeordnete waren nicht anwesend. Damit ist dem Antrag zugestimmt worden und wir können den Tagesordnungspunkt verlassen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:

Beratung

Planfeststellungsverfahren für den Schleusenkanal Tornitz (Saale-Seitenkanal) nicht gefährden

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/3083

Meine Damen und Herren! Ich habe vernommen - widersprechen Sie mir, wenn es nicht richtig ist - dass zu diesem Thema eine zehnminütige Debatte gewünscht wird. - Dann machen wir das so.

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Dr. Schrader. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor gut einem Jahr haben wir letztmals in diesem Hohen Hause über den Saale-Seitenkanal diskutiert. Wir haben das sehr tiefgründig gemacht. Wir haben über Tonnagen, zu erwartende Wassertiefen, den Bezug zur Elbe und Umweltstandards geredet. Wir haben damals ein breites politisches Bekenntnis für dieses nach wie vor wichtige sowie ökologisch und ökonomisch sinnvolle Infrastrukturvorhaben abgegeben.

Die FDP bekannte sich damals einstimmig dazu. Die CDU tat dies ebenso. Bei der SPD gab es eine Stimmenthaltung und eine Neinstimme. Nur die Fraktion DIE LINKE stimmte geschlossen dagegen; das war zumindest mal eine klare Position.

Weshalb ist es nun aber notwendig, dass wir uns heute erneut mit diesem Thema beschäftigen? - Ich will es Ihnen sagen: Es sind das Bundesverkehrsministerium und die SPD. Es dürfte kaum jemandem entgangen sein, was diesbezüglich in der letzten Woche in der „Welt“ und in der „MZ“ zu lesen war. Die Wirtschaftlichkeit von Wasserstraßen und geplante Investitionen aus dem Bundesverkehrswegeplan sollen erneut überprüft werden, hieß es da. Es wurde berichtet, keine Priorität habe nun beispielsweise der geplante Elbe-Saale-Seitenkanal, oder der Saalekanal habe schlechte Karten.

Vor diesem Hintergrund wurde der geplante ScopingTermin verschoben. Es gibt auch in der nächsten Woche eine Befassung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.

Umso mehr ist es deshalb notwendig, dass dieses Hohe Haus heute einen klaren Beschluss fasst. Wir müssen signalisieren, dass der Kanal nach wie vor eine breite parlamentarische Unterstützung in Sachsen-Anhalt hat. Deshalb haben wir das Thema heute erneut auf die Tagesordnung gesetzt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Nachdem wir jahrelang für dieses Projekt gekämpft haben, empfinde ich den neuen Gegenwind aus Berlin als herben Rückschlag. Aber ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Ich sehe hierbei auch eine klare Mitschuld und Mitverantwortung bei den Sozialdemokraten. Ihre Wankelmütigkeit, Ihre Unentschlossenheit musste zwangsläufig beim Bund den Eindruck erzeugen, dass der Kanal hier im Land gar nicht so richtig gewollt ist.

(Zuruf von der LINKEN: Womit Sie Recht haben!)

Erst ordnet eine rot-grüne Bundesregierung das Projekt in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes ein. Dann kommt ein SPD-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Ulrich Kasparick, und polemisiert in schöner Regelmäßigkeit gegen den Kanal. Zuletzt tat er dies sehr öffentlichkeitswirksam vor ungefähr zwei Jahren, Anfang 2009. Er ließ damals doch recht selbstgefällig verlauten, dass der Kanal nicht gebaut werde, solange er und Tiefensee noch etwas zu sagen hätten.

(Herr Doege, SPD: Jetzt ist er weg!)

Herr Lischka führt diese Position im Bund mit entsprechendem Engagement weiter.

Meine Damen und Herren! Das wollen wir nicht hinnehmen. Deswegen stellen wir den vorliegenden Antrag.

Auf Landesebene scheint sich dieses Signal nun zu wiederholen. Jahrelang schien es, als wäre auf die SPD hier im Lande zu diesem Thema Verlass. Sie hat den Kanal immer unterstützt. Auch im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2006 wird an dem Vorhaben festgehalten. Darin heißt es:

„Für den Saale-Seitenkanal bei Tornitz sind Planungsverfahren zügig fortzuführen.“

Herr Doege erklärte vor einem Jahr hier im Landtag, dass die SPD-Fraktion klar zu diesem Projekt stehe. - Herr Doege, Ihnen nehme ich das ab.

(Zustimmung bei der CDU)

Inzwischen hat sich aber die Position der SPD insgesamt, der Partei, aus heiterem Himmel geändert. Auf Ihrem Parteitag im Dezember 2010 beschließen Sie plötzlich, dass auf den Bau des Kanals verzichtet werden kann.

Herr Doege, vor einem Jahr sprachen Sie noch von seriöser Verkehrspolitik, von Verlässlichkeit der SPD. Wenn Sie das ernst meinen, müssen nicht nur Sie, sondern dann muss auch Ihre Fraktion diesem Antrag heute zustimmen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es muss in diesem Zusammenhang auch gefragt werden, wie glaubwürdig solch eine wankelmütige SPD ist, wenn sie vor der Wahl behauptet, sie würde einen Herrn Gallert nie zum Ministerpräsidenten wählen. Hieran habe ich doch arge Zweifel.

(Zustimmung von Herrn Kley, FDP)

Meine Damen und Herren! Das Verkehrsaufkommen wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Das gilt insbesondere für den Güterverkehr und insbesondere auch für den mitteldeutschen Raum. Viele fordern, den Güterverkehr vermehrt auf Schiene und Wasserstraße zu bringen, kurioserweise gerade diejenigen, die den Saale-Seitenkanal jetzt am intensivsten so heftig bekämpfen.

Die Umweltfreundlichkeit des Verkehrsträgers Binnenschiff ist unbestritten. Die Vorteile des Seitenkanals sind uns allen bekannt. Ich möchte sie nicht wiederholen. Das kennen wir aus vielen Debatten der letzten Jahre. Neu sind belastbare Daten über zu erwartende Tonnagen von Industriebetrieben, und zwar nicht nur von denen, die unmittelbar an der Saale sind, sondern auch im mitteldeutschen Wirtschaftsraum von der Chemie.

Im Jahr 1992 wurde die sechste Staustufe bei Klein Rosenburg in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen. Dann kam anstatt der Staustufe der Kanal ins Gespräch und in die Planung. Sie wissen, wer damals den Kanal statt der Staustufe vorgeschlagen hat: Das waren gerade diejenigen, die den Kanal jetzt auch nicht wollen.

Auf dieser Basis ist aber damals der Hafen Halle mit 30 Millionen € ausgebaut worden. Die fünf vorhandenen Staustufen und Schleusen wurden modernisiert. Für 9 Millionen € jährlich wird die Saale als Bundeswasserstraße unterhalten.

Das alles sind Mittel, die investiert worden sind und die auch wirksam werden sollten. Diese Investitionen können jedoch erst wirksam werden, wenn das letzte wenige Kilometer lange Stück der Saale nutzbar gemacht wird. Hierbei handelt es sich um den letzten Lückenschluss einer bereits ausgebauten nutzbaren Wasserstraße.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht redlich, bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit und den Investitionsentscheidungen für die im Bundesverkehrswegeplan festgelegten Projekte die jetzigen Transportmengen auf ostdeutschen Flüssen zugrunde zu legen. Sie alle kennen noch die Anfangszeit der A 14. Damals hieß es teilweise: Diese Geisterautobahn brauchen wir überhaupt nicht. Dieselben Leute verlangen jetzt die dritte Fahrspur.

Meine Damen und Herren! Man kann nicht von vornherein sagen, dass sich die Verkehrswege mit den Tonnagen und dem Aufkommen so oder so entwickeln.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen: Nur dort, wo eine gute Infrastruktur vorhanden ist, findet Wirtschaftsentwicklung statt, siedeln sich Unternehmen an und werden Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben in den letzten 20 Jahren beachtliche Fortschritte beim Ausbau der Infrastruktur in Sachsen-Anhalt erzielt. Aber wir sind noch nicht am Ziel.

Lassen Sie uns die zentralen Vorhaben - dazu gehören die A 143 - Westumfahrung Halle, der A-14-Lückenschluss, die Verlängerung der B 6 neu und auch der

Saale-Seitenkanal - vollenden. Mit der Vollendung dieser letzten Vorhaben ist das Land infrastrukturell hervorragend aufgestellt. Es wäre in das europäische Verkehrsnetz eingebunden, und es wäre in der Lage, die zu erwartenden Verkehrsströme zu bewältigen.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich beantrage eine namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der FDP)

Sie beantragen eine namentliche Abstimmung? So habe ich es verstanden.

Herr Dr. Schrader, es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Doege. Wollen Sie sie beantworten?

Natürlich.

Bitte, Herr Doege, Sie haben das Wort.

Herr Dr. Schrader, ich habe einige Fragen. Ich weiß nicht, inwieweit Ihnen das Schreiben mit Datum vom 2. Februar 2011 von der Martin-Luther-Universität Halle bekannt ist, mit dem wir beglückt worden sind. Absender ist der uns allen bekannte Fachmann Herr Zabel,

(Zuruf: Genau!)