Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

Aus diesem Ernstnehmen ergibt sich für uns die Schlussfolgerung, dass sich die Arbeitsweise des Parlaments seinen Aufgaben anpassen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen ausdrücklich, dass es sich nicht um einen beschließenden und dauerhaften Ausschuss handeln soll. Uns geht es um eine stärkere Anbindung des Parlaments, um einen besseren Informationsfluss und um den notwendigen Raum dafür, der - davon sind wir überzeugt - frei von den Zwängen der bereits befassten Ausschüsse, frei vom Druck der Listen der nicht bearbeiteten Beratungsgegenstände und der aktuellen Tagesordnungen nach unserer Überzeugung weitaus besser zu schaffen wäre.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Uns geht es hierbei ausdrücklich nicht um das Signal, was wir mit einem solchen Ausschuss eventuell könnten verbinden wollen. Nein, uns geht es hierbei ausschließlich um die Anpassung der Arbeitsweise des Parlaments an die Dynamik der Entwicklung.

Meine Damen und Herren! Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich aufeinander und greifen ineinander. Für uns stehen sie in einem unmittelbaren Zusammenhang. Da wir aber mit unserem Antrag ausdrücklich auf die konkreten Handlungsmöglichkeiten im Land abzielen und ich mir vorstellen kann, dass es in den Fraktionen unterschiedliche Auffassungen zu den einzelnen Punkten gibt - Zustimmung zu einigen Punkten, Ablehnung zu anderen Punkten vielleicht -, beantragen wir an dieser Stelle vorsorglich die Einzelabstimmung der von uns beantragten Punkte.

Meine Damen und Herren! Ich bin auf die Debatte gespannt. Ich bin auch froh, dass wir sie heute Abend noch führen können und sie nicht erst morgen nach der Fragestunde führen müssen. Ich werde sehr gespannt sein, wie Sie sich zu den einzelnen Punkten unseres Antrages positionieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Kollegin Quade, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Stahlknecht. Bitte sehr, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Zuzug von Asylbegehrenden in die Bundesrepublik Deutschland und damit auch nach Sachsen-Anhalt hält unvermindert an. Wir haben in den Monaten September und Oktober dieses Jahres allein 17 000 Asylsuchende aufgenommen. Pro Woche weist uns der Bund mittlerweile durchschnittlich zwischen 2 600 und 2 700 Asylsuchende zu. Nach der Mitteilung des Bundes ist mit weiteren Steigerungen zu rechnen. - Das ist der nüchterne Befund.

Asylsuchende, deren Asylantrag durch die zuständige Bundesbehörde, das Bundesamt für Migration, BAMF, positiv beschieden wird, dürfen selbstverständlich in unserem Land bleiben. Sie sind zu integrieren und schnellstmöglich in Arbeit zu bringen. Dort haben wir auch verschiedene Rahmenbedingungen geschaffen, die Integration voranbringen und möglich machen. Allerdings sind abgelehnte Asylbewerber nach geltendem Recht zur Ausreise verpflichtet.

Jetzt möchte ich einmal mit Zahlen etwas für Klarheit sorgen, weil hier immer behauptet worden ist, dass mehr als 90 % von jenen, die hierher kommen, ein Schutzbedürfnis hätten.

Die Gesamtschutzquote der Asylbewerber liegt nach Angaben des BAMF von Januar bis einschließlich Oktober 2015 für alle Herkunftsländer bei bundesweit 41,2 %. Daraus folgt, dass weitaus mehr als 50 % der Asylbegehrenden eben keine positiven Bescheide erhalten und somit ausreisepflichtig sind. Kommen sie dieser Ausreisepflicht im Fall vorläufig vollziehbarer bzw. bestandskräftiger Bescheide nicht nach, besteht der gesetzliche Auftrag, die Ausreise zwangsweise im Wege der Abschiebung durchzusetzen. Genau das tun wir und davon werden wir uns auch nicht abhalten lassen.

Zur Unterbringung in den Zelten weise ich darauf hin, dass das Land Sachsen-Anhalt ausschließlich - auch das darf man nicht vergessen zu erwähnen -, beheizte Zelte nutzt. Damit ist eine Zeltunterbringung bei jahreszeitlich bedingten kälteren Temperaturen grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Dennoch streben wir nach wie vor die baldige Beendigung der Zeltunterbringung in der ZASt an und sind trotz der erheblich weiter gestiegenen Zugangszahlen auf einem guten Weg, dieses Ziel nunmehr endgültig zu erreichen.

Das Camp I in der ZASt mit ursprünglich 220 Plätzen wurde bereits vollständig leergezogen und befindet sich im Abbau. Die Camps II und III befinden sich im Prozess der Leerziehung. Ich danke auch dem Kollegen Jens Bullerjahn, der weitere Liegenschaften ermöglicht hat, in denen wir die Asylsuchenden unterbringen können.

Insgesamt werden von ursprünglich ca. 850 Zeltplätzen in der ZASt derzeit noch rund 300 Plätze genutzt. Daran kann man erkennen, dass bereits ein Großteil leergezogen ist. Wir werden diese auch weiter abbauen. Insofern sind Ihre Ausführungen zu chaotischen Zuständen in der ZASt völlig neben der Sache und werden im Übrigen auch der Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere der ehrenamtlichen, nicht gerecht. Daher würde ich in solchen Situationen, in denen Schwieriges geleistet wird, mit solchen Äußerungen etwas zurückhaltender sein. Aber das ist Ihre Entscheidung.

In der ZASt erfolgt gerade die Möblierung der frisch sanierten dritten Etage des Hauses B mit 100 Plätzen. Diese Etage wird jetzt auch belegt. Die vierte Etage des Hauses B wird in wenigen Tagen zur Verfügung stehen.

Nach der Planung des BLSA kommen bis Ende November weitere 100 Plätze in der bereits betriebenen ZASt-Außenstelle in Quedlinburg hinzu. Die ehemaligen Einkaufsmärkte in Halberstadt und Genthin mit mehr als 900 geplanten Plätzen befinden sich nach Angaben des BLSA im Umbau. Ich habe mich gestern in Genthin davon überzeugen können, nachdem ich mit dem Bürgermeister gesprochen habe. Die Beendigung der Zeltunterbringung ist damit in Sicht und wir haben genügend Plätze für den Winter und auch für die kommenden Monate im nächsten Jahr.

Besonders schutzbedürftige Personen werden bei der Unterbringung besonders berücksichtigt. Familien mit minderjährigen Kindern und allein reisende Frauen bringen wir bereits in ständiger Praxis bevorzugt in hotelartigen Unterbringungseinrichtungen unter, die wir teilweise selbst betreiben oder angemietet haben.

Im Umkreis der ZASt in Halberstadt werden insbesondere Hotels und hotelähnliche Einrichtungen in Ballenstedt, Halberstadt, Pansfelde sowie in Wendefurth genutzt.

Erwähnen möchte ich eine weitere Unterkunft in Bernburg, die nach derzeitigem Stand ab 16. November, also nächste Woche, zunächst mit 50 Plätzen insbesondere für Familien und Frauen mit Kindern zur Verfügung steht und deren Kapazität sukzessive auf bis zu 180 Plätze erweitert wird.

Das Land Sachsen-Anhalt nutzt also bereits auch kleine Objekte, um auch den besonderen Bedürfnissen der Schutzsuchenden individuell nachzukommen.

Weitere Objekte, wie zum Beispiel in der Breitscheidstraße in Magdeburg, befinden sich ebenfalls in Umsetzung, wodurch zusätzliche Unterbringungsplätze in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen.

Zusätzlich stehen seit dem 2. November 2015 insgesamt fünf Jugendherbergen für die Unterbringung - zwei bis zum 20. März und drei bis zum 17. April 2016 - zur Verfügung, die wir fortlaufend belegen. Bis Ende dieser Woche sind in den Jugendherbergen bereits rund 650 Personen untergebracht worden. Die Belegung dauert an.

Es bleibt festzuhalten, dass die Aufnahme von Asylsuchenden in den benannten Größenordnungen sowohl für das Land als auch für die Aufnahmekommunen selbstverständlich eine tagtägliche Herausforderung darstellt. Dieser Herausforderung stellen wir uns gemeinsam.

Ich halte es dabei für sachgerecht, an einer Verteilung nach dem Aufnahmegesetz unter Berücksichtigung der Einwohnerzahlen festzuhalten. Hierdurch wird eine sachgerechte Belastung der Landkreise und der kreisfreien Städte erreicht, die den gesetzlichen Auftrag der landesinternen Aufnahme erfüllen. Die Landkreise wollen das auch so, so sagt der Landkreistag, ebenso der Städte- und Gemeindebund. Sie wollen keinen anderen Verteilungsschlüssel.

Durch die dargelegte weitere Erhöhung der Erstaufnahmekapazitäten entlasten wir die Aufnahmekommunen weiter. Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans verbleiben zudem in den Erstaufnahmeeinrichtungen, um bei Vorliegen einer vollziehbaren Entscheidung zur Ausreisepflicht direkt von dort zurückgeführt werden zu können.

Die bundesrechtlich erfolgte Erhöhung der Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf bis zu sechs Monate erleichtert diese Maßnahme zusätzlich.

Die Konstituierung eines gesonderten zeitweiligen Ausschusses für die Aufnahme und Unterbringung Asylsuchender halte ich in diesem Kontext weder für erforderlich noch für sachgerecht. Der Ausschuss für Inneres und Sport des Landtages ist bestens geeignet - und er tut es auch -, die Thematik weiter federführend zu bearbeiten, und wird sich diesem Thema - davon bin ich felsenfest überzeugt - weiterhin intensiv widmen.

Fragen der Aufnahme und der Unterbringung erfassen auch nur einen Teilbereich der relevanten Materie. Bei der Erstaufnahme geht es eben nicht nur um die reine Erstunterbringung, die Koordination mit den Aufnahmekommunen und den besonderen Schutz vulnerabler Personen. Genauso relevant sind ausländerrechtliche, gefahrenabwehrrechtliche und polizeiliche Fragestellungen. Außerdem steht das Thema der freiwilligen Ausreise und der zwangsweisen Rückführung in einem engen Zusammenhang mit der Erstaufnahme. Sämtliche Themen gehören in den Innenausschuss.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Gallert hatte eine Frage. Steht sie noch?

Sie steht dreifach.

Ich stehe hier auch noch.

Erstens zum Thema Bleibequote, zu sogenannten sicheren Drittstaaten. Wir müssen uns nicht darüber äußern, Herr Innenminister, wie sinnvoll diese sicheren Drittstaaten sind. Eines ist aber klar: Die 41 %, die Sie genannt haben, beziehen sich auf den Zeitraum Januar bis Oktober.

Das habe ich ja gesagt.

Wir alle wissen, dass das mit der jetzigen Realität nichts mehr zu tun hat; denn es ist bekannt, dass aus den sogenannten sicheren Drittstaaten, vor allen Dingen aus den Balkanländern, etwa seit August fast keine nennenswerten Zahlen mehr zu Buche schlagen und dass die Situation schon seit August in den Erstaufnahmeeinrichtungen bei uns, wie überall, dadurch geprägt ist, dass wir dort fast nur noch Leute mit sehr, sehr hoher Bleibeperspektive haben. Punkt eins.

Deswegen brauchen wir diese Debatte eigentlich nicht mehr zu führen. Wir können sie über die sogenannten Altfälle führen. Das sehen wir auch noch anders. Aber die aktuelle Situation mit den sehr hohen Zahlen ist dadurch nicht beeinflusst.

Punkt zwei. Wenn wir uns über die Situation, auch über die Zeltunterbringung in der ZASt aufregen, dann tun wir das durchaus gemeinsam mit den ehrenamtlichen Helfern. Das DRK Wanzleben hat ganz klar gesagt: Wir machen die Betreuung dort nur noch im Oktober. Es wäre unverantwortlich, wenn wir als ehrenamtliche Helfer durch unsere Leistungen die Zeltunterbringung in der ZASt darüber hinaus legitimieren würden. - Das war eins zu eins das Zitat des Chefs des DRK Wanzleben.

Punkt drei. Wenn wir die Leute, die sich dafür ehrenamtlich engagieren, wie zum Beispiel freiwillige Feuerwehren, motivieren wollen zu helfen, dann frage ich mich: Warum müssen die Gemeinden die freiwilligen Feuerwehren mit den entsprechenden Auslagen jetzt selbst versorgen, also in Vorkasse gehen? Warum ist das Land nicht einmal in der Lage, diese geringen Leistungen selbst zu erbringen, und zwar dann, wenn sie anfallen?

Herr Gallert, der erste Punkt - Sie haben über Zahlen referiert - bildet die Situation ab, wie sie ist. Ich habe auch nichts anderes gesagt. Dass bei denen, die in letzter Zeit hierhergekommen sind, eine sehr hohe Bleibeperspektive besteht - dessen sind wir uns selbstverständlich bewusst.

Eines dürfen Sie bei den Zahlen jedoch nicht vergessen: Nicht alle, die in der Erstaufnahme ankommen, bleiben in Sachsen-Anhalt; vielmehr wir haben eine Situation, dass die Zahlen der Ankommenden in der Erstaufnahme bei Weitem nicht die sind, die sich hinterher in den Landkreisen abbilden. Auch das sollten Sie dabei berücksichtigen.

Zweitens zu den Zelten. Ich will eine Sache wiederholen und etwas sagen, über das Sie sich gleich aufregen werden. Aber das nehme ich in Kauf.

Zunächst die Anmerkung, mit der ich mich wiederhole: Herr Bullerjahn, ich und damit das gesamte Kabinett und diese Landesregierung haben das Ziel, diese Zelte leerzuziehen. Wir wären auch schon ein Stück weiter, wenn es neben dem Hotel „Sorgenfrei“ nicht eine Hanfplantage gegeben hätte. Wir haben es für unverantwortlich gehalten, in diesem Hotel eine weitere Belegung durchzuführen. Auch das gehört dazu.

Eines will ich auch noch einmal deutlich sagen, wenn Sie den Herrn aus Wanzleben zitieren, wo man sagt, die Unterbringung in Zelten sei unverantwortlich und menschunwürdig. Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diejenigen, die zu uns kommen, sind geflohen aus Angst vor Tod und Folter. Daher muss man doch wohl sagen können, wir geben ihnen hier zumindest Sicherheit und haben Zelte. Die dargestellte Abwägung ist für mich überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, um das auch einmal ganz deutlich zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage es noch einmal: Wir ziehen die Zelte leer. Je intensiver wir diese Diskussion führen, umso weniger Verständnis erreichen Sie in größeren Teilen der Bevölkerung. Es gehört auch dazu, das zu akzeptieren.

Drittens zu dem Bereich mit den Feuerwehren. Ich bitte Sie, dass Sie mir das dezidiert darlegen. Darüber können wir reden, Herr Kollege. Das sind Dinge, die haben nicht in Ihrem Antrag gestanden. Bevor ich jetzt ins Blaue hinein solche Dinge reflektiere, möchte ich das gern mit Substanz machen. Daher bitte ich, das vorzubringen. Dann werden wir das besprechen.

Manchmal ist vielleicht ein Halbsatz, der hinterher bei einer Prüfung entsteht, etwas anders, als Ihre Frage das in der Antwort erwartet hätte. Insofern bitte ich um das Verständnis. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU)