Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

Infolge des Endes der nationalsozialistischen Tyrannei wurde in der sowjetischen Besatzungszone eine neue Diktatur unter dem roten Stern errichtet, meine Damen und Herren. Hinrichtungen, Deportationen, Zwangsarbeit und willkürliche Inhaftierungen wurden von den neuen Machthabern systematisch angewandt. Zuchthäuser und Konzentrationslager aus der NS-Zeit wurden durch die rote Diktatur als Speziallager weitergenutzt, in denen nach dem Krieg viele Menschen erniedrigt und qualvoll getötet worden sind.

Für viele Menschen in Ost- und Mitteldeutschland war der 8. Mai kein Tag der Freude und Zuversicht. Erst im Jahr 1989 erhielten die Bewohner

der ehemaligen DDR die Chance, eine Demokratie aufzubauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die hier diskutierte Forderung der LINKEN wurde bereits im April 2013 im Bundestag beraten. Seinerzeit haben die LINKEN dort den Antrag „Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenktag werden“ eingebracht. Alle im Bundestag vertretenen Fraktionen, auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben diesen Antrag gegen die Stimmen der LINKEN abgelehnt.

Auch wir in Sachsen-Anhalt sehen keine Notwendigkeit für den von Ihnen geforderten weiteren gesetzlichen Feiertag. Ich bitte daher um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Kolze, Frau Quade würde, wenn ich die Handbewegung richtig gedeutet habe, Ihnen gern eine Frage stellen. Möchten Sie diese beantworten?

Frau Quade, bitte.

Herr Kollege Kolze, Sie sprachen zweimal von Ost- und Mitteldeutschland. Was definieren Sie in diesem Zusammenhang als Ostdeutschland und was als Mitteldeutschland?

(Zustimmung bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Ich glaube nicht - liebe Kollegin Quade, so gut kenne ich Sie -, dass ich Ihnen Nachhilfeunterricht im Fach Geografie geben muss.

(Zustimmung bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Striegel.

Herr Präsident! Zunächst zu Ihnen, Kollege Kolze. Bekanntlich outet sich jeder so gut er kann. Das war ein Ausspruch, den meine Eltern prägten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den 8. Mai als Tag der Befreiung zu begehen, ihn als Geschenk

der Alliierten zu begreifen, der die Chance zur demokratischen Entwicklung barg, darüber herrschte bei unserer ersten Debatte zu diesem Gesetzentwurf Ende April 2015 weitgehend Einigkeit. Uneins waren wir darüber, ob dies ein Tag des Feierns sein kann und ob dies durch einen gesetzlich verordneten staatlichen Feier- und Gedenktag ausgedrückt werden soll. Ich weise an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich die damalige vom CDU-Fraktionsvorsitzenden André Schröder vorgetragene Sichtweise zurück, der 8. Mai sei - Zitat - „für uns Deutsche kein Tag zum Feiern“.

Er ist es. Er ist es deshalb, weil nur durch das vollständige militärische Niederringen des verbrecherischen nationalsozialistischen Regimes überhaupt die Chance bestand, das von Millionen mitgetragene und von Hunderttausenden mitverantwortete industrielle Töten von Menschen und die barbarischen deutschen Kriegsverbrechen zu beenden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Darüber, Herr Kollege Kolze und liebe Damen und Herren von der CDU-Fraktion, kann und darf die Vertreibung von Millionen Menschen, die Teilung Deutschlands und die Errichtung einer zweiten, kommunistischen Diktatur in der DDR nicht vergessen werden. Dies aber war Folge des von Deutschen gewollten Krieges und der von Deutschen ermächtigten und weitestgehend unterstützten Politik.

Meine Fraktion, wir GRÜNE, begehen den Tag der Befreiung als eben solchen. Wir sind dennoch skeptisch, ob es dafür eines staatlichen Feiertages bedarf. Der Einführung eines Gedenktages analog zum 27. Januar, dem bundesweiten Gedenktag anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, hätten wir uns unmittelbar anschließen können. Die Kolleginnen und Kollegen im Thüringer Landtag haben diesen Weg beschritten. In Thüringen wird der 8. Mai, der Tag der Befreiung, in Zukunft als landesweiter Gedenktag begangen. Das begrüßen wir. Hier hätte Ihre Initiative ansetzen können, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE.

Ein Gedenktag schafft Raum für notwendige Debatten darüber, was Antifaschismus heute bedeutet und wie er in Zeiten der Bedrohung unserer Demokratie durch rechte Gewalttäter oder rassistische Hetzer tatsächlich wirksam werden kann.

Morgen früh werden wir im Landtag die Gelegenheit haben, ausführlich darüber zu diskutieren und zu streiten. Diese Diskussion ist notwendig angesichts der Zeiten, in die wir uns gestellt sehen.

Wer über den 8. Mai als gesetzlichen Feiertag sprechen will, der sollte und muss auch das Konzert der Feiertage in Sachsen-Anhalt insgesamt in den Blick nehmen. Ob dieses noch stimmig ist,

wage ich zu bezweifeln. Es braucht jedoch eine Debatte im Verbund darüber, ob beispielsweise der hierzulande begangene und bevölkerungspolitisch kaum begründbare Epiphaniastag als allgemeiner gesetzlicher Feiertag erhalten werden sollte. Einer solchen Debatte würden wir uns nicht verschließen. Auch ich als Katholik würde mich ihr nicht verschließen.

Einer bloßen Erhöhung der Anzahl der gesetzlichen Feiertage können und wollen wir uns jedoch nicht anschließen. Deshalb werden wir der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport zustimmen. Dies tun wir allerdings nicht - das sage ich ganz deutlich -, weil wir einen Gedenktag 8. Mai als Tag der Befreiung ablehnen, sondern weil wir glauben, ein Feiertag ist nicht die richtige Wahl, ein Gedenktag ja. Ich bin mir sicher, wir werden in der nächsten Legislaturperiode Gelegenheit haben, das Thema noch einmal aufzurufen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir dann auch mit veränderten politischen Mehrheitsverhältnissen dafür sorgen, dass wir diesen Tag insgesamt im Land würdig als Gedenktag begehen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU)

Herr Striegel, Kollege Gallert möchte Sie etwas fragen. - Bitte Herr Gallert.

Herr Striegel, da ich überhaupt keiner Religionsgemeinschaft angehöre, traue ich mich, diese Frage zu stellen. Welchen Tag würden Sie zur Disposition stellen?

(Heiterkeit bei der CDU)

- Ihr wusstet das auch nicht, aber ihr habt euch nicht getraut zu fragen.

Ich beantworte die Frage gern sowohl für religiösunmusikalische als auch für die dahin gehend musikalischen Menschen: Der Epiphaniastag wird unter Katholiken am 6. Januar begangen. Das ist der Dreikönigstag.

Das war auch unser Tipp.

(Frau Bull, DIE LINKE: Wir waren uns nicht einig!)

Nun hat die Kollegin Schindler das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die erste Beratung zu dem Gesetzentwurf, über den wir heute abschließend entscheiden, fand im Zusammenhang mit einer Aktuellen Debatte zum 70. Jahrestag des Tages der Befreiung vom Nationalsozialismus statt.

Ich fand die Aktuelle Debatte an diesem Tag würdig, um die Bedeutung des Tages, die Anerkennung dieses Tages und das Gedenken an diesen Tag hervorzuheben. Deshalb werde ich an dieser Stelle nicht die Worte unseres Fraktionsmitglieds und Vizepräsidenten Gerhard Miesterfeldt wiederholen. Seine Worte fand ich richtig und der Bedeutung des 8. Mai für uns und Deutschland würdig. In Würdigung dieses Tages und der Aktuellen Debatte wurde der Gesetzentwurf damals zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen.

Ich stimme Ihnen, Herr Striegel, zu: Wenn es darum geht, den 8. Mai zu einem gesetzlichen Feiertag zu erklären, dann sollte das im Kontext mit anderen Feiertagen und des gesamten Feiertagskanons gesehen werden.

Wie bereits gesagt, geht die Initiative auch in anderen Bundesländern dahin, einen Gedenktag einzuführen. Nur in Sachsen-Anhalt wurde beantragt, diesen Tag als gesetzlichen Feiertag festzuschreiben. In Brandenburg, in Berlin, in Hessen, in Sachsen und in Thüringen sind die Beratungen dazu teilweise bereits abgeschlossen. In Brandenburg und aktuell auch in Thüringen wurde der 8. Mai zum Gedenktag erklärt.

In den einzelnen Bundesländern gibt es eine unterschiedliche Anzahl von gesetzlichen Feiertagen. Das ist auch dem Föderalismus geschuldet. Die Anzahl variiert zwischen neun und 13 Feiertagen. Sachsen-Anhalt liegt mit elf gesetzlichen Feiertagen in der Mitte. Wir haben hauptsächlich religiöse Feiertage; wir begehen nur zwei nichtreligiöse Feiertage, nämlich den 1. Mai und den 3. Oktober, und zwar einheitlich mit allen anderen Bundesländern.

Dass in den einzelnen Bundesländern eine unterschiedliche Anzahl an religiösen Feiertagen begangen wird, hängt mit der geschichtlichen und kirchlichen Prägung der Bundesländer zusammen. Sachsen-Anhalt macht eine Ausnahme und begeht sowohl den 6. Januar als katholischen Feiertag als auch den 31. Oktober als evangelischen Feiertag. Ich denke, das ist auch Ausdruck der Pluralität unserer Gesellschaft. Die neuen Bundesländer haben durchschnittlich zehn, elf Feiertage. SachsenAnhalt befindet sich somit in guter Gesellschaft.

Der 8. Mai war, wie gesagt, bereits in der DDR ein Feiertag, der Tag der Befreiung, und zwar von 1950 bis 1966. Im Jahr 1966 ist er im Zusammenhang mit der Einführung der Fünftagearbeitswoche

abgeschafft worden. Insofern ist hierbei durchaus ein Zusammenhang zwischen Feiertagen und Arbeitstagen zu sehen.

Wir haben viele Gedenktage. Ich bin heute unter einem anderen Tagesordnungspunkt bereits auf das Thema Gedenktage eingegangen. Gerade in dieser Woche häufen sich Gedenk- und Feiertage, nämlich der 9. November und der Volkstrauertag. In Anbetracht all dieser Gedenktage sehe ich den 8. Mai als würdigen Gedenktag. Einem weiteren gesetzlichen Feiertag können wir heute nicht die Zustimmung geben. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollegin Schindler. - Ich sehe keinen weiteren Gesprächsbedarf. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport in der Drs. 6/4517 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit wurde der Beschlussempfehlung zugestimmt und der Gesetzentwurf wurde abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich Ihnen in Abstimmung mit den Fraktionsspitzen mitteilen, dass im Eingangsbereich des Landtages ein Kondolenzbuch für den verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Schmidt ausliegt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/4197