Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Laut dem Vorschlag der Fratzscher-Kommission muss es Ziel öffentlicher Investitionen sein, eine Infrastruktur so günstig wie möglich für die Gesellschaft bereitzustellen. Dies beinhaltet drei Elemente: Finanzierungskosten, Effizienz und Risiken. Wichtig ist deshalb die Prüfung, mit welcher Beschaffungsvariante diese Ziele erreicht werden können. Das klingt erst einmal gut. Die Frage ist ja der Vergleich zwischen konventionell - Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung durch die öffentliche Hand - versus öffentliche-private Partnerschaften, ÖPP - private Investoren finanzieren und haften für Risiken.

Wie Beispiele zeigen, ist ÖPP keine Alternative zu herkömmlichen Finanzierungsmethoden. Der Bau und der Betrieb von ÖPP-Projekten zeigen, dass diese Varianten deutlich teurer sind. Wir haben auch ein eigenes Beispiel; brauchen nur nach Burg zu gucken. Das zeigen Untersuchungen des Bundesrechnungshofes sowie zahlreiche Stellungnahmen der Landesrechnungshöfe.

Jedes ÖPP-Projekt ist für die Wirtschaft nur dann interessant, wenn es gewinnversprechend ist. Der Wirtschaft geht es in erster Linie darum, ein Finanzprodukt am Markt zu platzieren. Die staatliche Infrastruktur ist dann das Pfand dafür. Daraus resultiert eine Risikominimierung, da ein drastischer Ausfall der Zahlungsflüsse äußerst unwahrscheinlich erscheint. Selbst wenn zum Beispiel die Autobahn aufgrund irgendwelcher Fehler kaputtgehen würde, springt der Staat ein, da die Autobahn betrieben werden muss.

Bei der langen Laufzeit der Modelle spielen die Refinanzierungszinsen für das eingesetzte Kapital für die Wirtschaft eine entscheidende Rolle; denn wie die Beispiele des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe zeigen, sind die ÖPPProjekte dann erheblich teurer.

Durch die Einbindung von privaten Anlegern wird wie in den Großkapitalgesellschaften der Druck

zur Gewinnerzielung größer sein als die Notwendigkeit des Erhalts der öffentlichen Infrastruktur. Der Staat zieht sich damit aus seiner Verantwortung für die öffentliche Daseinsvorsorge zurück. Außerdem sieht ver.di die parlamentarische Kontrolle bei den Vorhaben gefährdet.

Ver.di befürchtet auch, dass unmittelbar nach der erfolgten Aufgabenverlagerung eine Überprüfung der verbleibenden Landesstraßenbauverwaltung durchgeführt würde, welche im Ergebnis deutliche Veränderungen zulasten der Beschäftigten nach sich ziehen könnte. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die prinzipiell funktionierende Struktur der Landesstraßenbauverwaltung zerschlagen werden soll.

Fazit: Insgesamt steht hier nicht die Auftragsverwaltung an sich zur Debatte, sondern die Schaffung einer Bundesfernstraßengesellschaft nach dem Fratzscher-Modell, das heißt eine Neustrukturierung der Fernstraßenverwaltung mit dem Ziel, für privates Kapital rentable Anlagemöglichkeiten zu schaffen, Schattenverschuldung und gravierende Nachteile für ökologische Verkehrsträger inklusive. Das wollen wir nicht. Das kann auch keiner wollen, der vorgibt, sich um die Auftragsverwaltung und um die Interessen des Landes zu sorgen. Es geht eigentlich - das war unser Anliegen mit diesem Antrag - um ein geschlossenes Signal des Landtags in Richtung der Bundesebene.

Nun hat diese Antragsgeschichte eine gewisse Metamorphose erlebt. Ich bin durchaus erfreut darüber, dass die Koalitionsfraktionen einen Antrag vorgelegt haben, der, wenn auch anders formuliert, unsere Intention trifft. Wir waren bei der Erarbeitung dieses Antrags ein Stück weit fast an dem Ziel, dass wir alle vier Parteien dazu gebracht haben, sich zumindest dem Grunde nach der Intention zu nähern.

Die Formulierung, die in dem zwischenzeitlich existenten Papier stand, war die, die auch bei Ihnen im Antrag steht. Der wesentliche Unterschied ist, dass wir noch den Passus mit der Geschichte ÖPP darin haben. Den haben Sie nicht. Aber im Grunde genommen sind wir uns einig. Ich würde auch nicht zwingend darauf bestehen. Wir haben zum Thema ÖPP im Landtag schon einen Beschluss gefasst, der quasi die grundsätzliche Haltung, die wir dazu haben, enthält.

Leider ist es aber nicht über alle Parteien hinweg möglich gewesen; denn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten Bedenken,

(Herr Herbst, GRÜNE: Das hatte wahrschein- lich einen Grund!)

wahrscheinlich auch daraus resultierend, dass eine Vertreterin im Bundestag, Valerie Wessels, Nachhaltigkeits - -

(Herr Hövelmann, SPD: Wilms!)

- Wilms; danke für den Hinweis; Valerie Wilms - wohl, ich sage einmal, wesentliche strukturelle Optimierungsvorgänge darin sieht und nicht andere Probleme damit verbindet, wie ich sie versucht habe - so schnell wie das ging -, hier in der Kürze aufzuzeigen.

Meine Vermutungen, dass mehr hinter der Sache steckt, konnte auch das Gespräch mit Herrn Bodewig nicht wirklich ausräumen. Ich hoffe - das wird sich in der Debatte zeigen -, dass vielleicht aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch ein Signal kommt, dass man dann unter dem Blickwinkel, dass mehr riskante Szenarien damit verbunden sind, vielleicht doch die Intention unseres Ministers unterstützt, der zu denen gehört, wie alle Vertreter der Länder, die gesagt haben: Stopp! So nicht! An diesem Punkt sind wir uns einmal einig.

Staatssekretär Klang hat in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses klar gesagt, wo unsere Landesregierung, sprich in diesem Fall Minister Webel, steht.

Wenn es die Diskussion noch ergeben sollte, dass wir uns zumindest auf den Text, der im Antrag der Koalitionsfraktionen steht, einigen könnten, dann würde ich zwar sicherlich unserem Antrag zustimmen, aber wundern Sie sich nicht: Wenn der keine Mehrheit bekommt, stimme ich auch Ihrem Antrag zu. Das Schönste wäre, wir stimmten dem alle zu; denn das wäre das richtige Signal in Richtung der Bundespolitik.

Wenn wir schon einen solchen Punkt haben - es scheint sowohl bei den Koalitionsfraktionen als bei der Opposition so zu sein, dass wir unsere Leute in den Landesstraßenverwaltungen schützen wollen -, dann sollten wir auch versuchen, diesen Weg hinzugekommen. Ein einhelliges Signal in Richtung Bundespolitik ist immer besser, als wenn wir uns hier zerstreiten. - Danke

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann. Wir leben ja alle irgendwie in der Hoffnung. - Zu dem Tagesordnungspunkt 22 b erteile ich jetzt der Abgeordneten Frau Schiergott das Wort. Bitte schön, Frau Schiergott.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir beraten zu einem Thema, bei dem wir gemeinsam die landespolitische Sicht vertreten. Wir sind uns einig: Die Bundesauftragsverwaltung ist deutlich besser als ihr Ruf beim Bund. Das Netz der Bundesstraßen, wie wir es kennen, ist in der operativen Verantwortung der Länder entstanden. Artikel 90 des Grund

gesetzes legt fest: Dem Bund gehören die Bundesfernstraßen; die Länder verwalten die Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes. Die Länder übernehmen also vor Ort Verantwortung für die Planung und Durchführung der baulichen Maßnahmen und für die Unterhaltung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verkehrsministerkonferenz hat sich am 8. und am 9. Oktober 2015 in Worms eindeutig zur Bundesauftragsverwaltung bekannt. Mit der Bundesauftragsverwaltung wird sichergestellt, dass die Kompetenz und die Erfahrung bei der Straßenbauverwaltung vor Ort genutzt werden können. Entscheidungsabläufe werden derzeit dezentralisiert und erfolgen mit Rücksicht auf die Betroffenheit vor Ort. Daran wollen wir festhalten. Dazu brauchen die Länder Mitwirkungsmöglichkeiten bei den Investitionsentscheidungen des Bundes.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als CDUFraktion sagen aber auch: Auto- und Lkw-Fahrer zahlen in Deutschland an Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Maut rund 53 Milliarden €. Bei Weitem nicht alles fließt wieder auf die Straßen zurück, sondern in die Haushalte von Kabinettskollegen oder zu anderen Verkehrsträgern. Für die Bundesfernstraßen und Autobahnen, um die es hierbei in erster Linie geht, bleiben im kommenden Jahr noch Mittel in Höhe von 6,1 Milliarden € und in den Folgejahren 2017 und 2018 Mittel in Höhe von rund 6,5 Milliarden € übrig. Dieses Geld muss möglichst effizient zum Einsatz gebracht werden. Dafür brauchen wir weder Schnellschüsse noch Denkverbote.

Was wir brauchen, sind eine weiter optimierte Auftragsverwaltung mit geringen Kosten, strafferen Abläufen und einem effizienteren und transparenteren Mitteleinsatz,

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

ein Verzicht auf neue Strukturen und Doppelstrukturen, die die Abstimmungsbedarfe weiter erhöhen würden; denn der Bundesstraßenbau in Deutschland geht aus unserer Sicht aufgrund von zahlreichen Klagen bereits langsam genug voran; und deswegen Berücksichtigung der Belange und damit Beibehaltung der Mitspracherechte der Länder.

Die CDU-Fraktion steht für eine ehrliche Diskussion, an deren Ende ein weiter optimiertes System steht. Hierfür ist der Antrag der Regierungsfraktionen der richtige Weg. Ich bitte daher um Zustimmung zu dem Antrag der CDU und der SPD. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Schiergott. - Bevor ich Herrn Minister Webel das Wort erteile,

möchte ich auf der Tribüne Damen und Herren aus der Region Quedlinburg begrüßen. Herzlichen willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich erteile Herrn Minister Webel das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin den Abgeordneten des Landtages überaus dankbar dafür, dass sie uns als Regierung und insbesondere mir als Verkehrsminister hierbei den Rücken stärken. Die Abschaffung der Auftragsverwaltung ist keine neue Erfindung dieser Zeit. Es ging schon vor vielen Jahren darum, das im Grundgesetz verankerte Auftragsverwaltungsverfahren den Ländern de facto zu entziehen. Schon bei der Föderalismusreform II ging es darum, die Bundesstraßen den Ländern zu übergeben, allerdings ohne finanziellen Ausgleich. Die Länder haben sich damals erfolgreich dagegen gewehrt.

Deshalb haben die Verkehrsminister dieses Mal eine Kommission gegründet, die sich mit dem Problem der Übernahme der Auftragsverwaltung durch den Bund, der diese den Ländern entziehen will, beschäftigt. Diese Kommission wird von Professor Bodewig geleitet. Ich bin Mitglied dieser Kommission. Die Verkehrsminister, auch die grünen Verkehrsminister, sind der Meinung, dass sich diese Auftragsverwaltung bewährt hat und dass man dafür sorgen sollte, dass das verbessert werden kann. Verbessern kann man alles, aber man sollte das, was man verbessern kann, nicht unbedingt abschaffen.

Wir wissen, dass Mammutbehörden die Probleme nicht immer zur Zufriedenheit aller lösen. Ich denke dabei nur an die Bahnverwaltung sowie an die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung; denn der direkte Kontakt vor Ort ist sehr wichtig. Die Länder haben mit ihren Landesbehörden oder mit den beauftragten Unternehmen, die für diese Planung zuständig sind, diese Kontakte. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir mit einer Stimme sprechen. Deshalb noch einmal vielen Dank an den Landtag, dass er uns mit diesem Antrag unterstützt.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister, vielen Dank für Ihren Beitrag. - Wir kommen zur verabredeten Fünfminutendebatte. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Hövelmann von der SPD das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Für die SPD-Fraktion ist klar: Öffentliche Straßen gehören in öffentliche Verantwortung.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Deshalb wollen wir an dieser Stelle deutlich machen, dass dies auch bei diesem Thema gilt.

Wenn man sich den Vorschlag, der auf der Bundesebene entwickelt worden ist, genau anschaut, dann stellt man fest, dass es um die Finanzierung von Straßenbauprojekten außerhalb öffentlicher Haushalte geht. Das ist der eigentliche Zweck, der dahintersteckt. Also weg von der steuerfinanzierten Verkehrsinfrastruktur hin zur nutzerfinanzierten Verkehrsinfrastruktur. Was das bedeutet, das kann jeder sofort erkennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gründung einer solchen Gesellschaft würde eine Verfassungsänderung notwendig machen. Ich will hier deutlich sagen: Lassen Sie uns mit der Änderung der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland nicht in dem Tempo fortfahren, wie wir das in den letzten Jahren gemacht haben. Man kann die Verfassung nicht alle naselang ändern. Sie ist ein hohes Gut. Deshalb heißt es an dieser Stelle: Vorsicht! Das sollte man lieber nicht tun.

(Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Wenn man es nach dem Vorbild der Österreicher, der Asfinag, machen will, dann geht es in Deutschland um den Eingriff in die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, und das bedarf einer Änderung unseres Grundgesetzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen mit diesem Beschluss, den wir als Antrag ins Parlament eingebracht haben, der Landesregierung, konkret unserem Verkehrsminister, so weit Unterstützung mitgeben, wie es notwendig ist, damit eine klare Positionierung in der Verkehrsministerkonferenz und gegenüber dem Bundesverkehrsminister erfolgen kann. Jeder weiß, dass dort manchmal haarig gestritten und gerungen wird. Deshalb ist es wichtig, sagen zu können, dass es eine einmütige Position des Parlaments gibt, mit der man sozusagen im Rucksack zu einer Konferenz der fachlich zuständigen Minister fährt.

Ich würde mich sehr freuen - jetzt appelliere ich an die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -, wenn Sie sich einen Ruck geben könnten und das heilen, was uns im Vorfeld nicht gelungen ist, nämlich eine gemeinsame Antragstellung für dieses Plenum hinzubekommen. Lassen Sie uns gemeinsam eine einmütige Position einnehmen und entsprechend beschließen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hövelmann. - Wir werden sehen. Frau Berthold von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir später über den Bundesverkehrswegeplan debattieren, steht jetzt ein artverwandtes Thema auf der Tagesordnung. Die Anträge der Fraktion DIE LINKE und der Regierungskoalition sehen wir nicht unkritisch, was ich erläutern möchte.