Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will zum Ende kommen. Ich glaube und hoffe, dass deutlich geworden ist, was wir mit dem Antrag erreichen wollen, worum es uns geht. Ich will aber auch noch einmal deutlich sagen, dass uns natürlich nicht daran gelegen ist und dass wir auch nicht wünschen, dass die Landesregierung jetzt einen solchen hebammengeleiteten Kreißsaal ins Leben ruft und selbst betreibt. Nein, wir wollen das bei den Krankenhausträgern belassen.

Wir wollen aber die Landesregierung nicht aus der Pflicht entlassen, hierzu Einiges zu tun. Deswegen - das ist der Unterschied zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen - ist uns schon sehr daran gelegen, so wie es in unserem Antrag beschrieben ist, hier etwas Konkretes zu installieren, das über die Wahlperiode hinaus Bestand haben wird.

Daher wird es Sie nicht überraschen, dass wir natürlich bei unserem Antrag bleiben werden. Denn wir wollen schon sicherstellen, dass die Arbeitsgruppe „Hebammengeleiteter Kreißsaal“ tatsächlich in dieser Wahlperiode installiert wird. Es müssen Informationen eingeholt werden. Es müssen Expertinnen und Experten gehört werden. Die Landesregierung soll in diese Arbeitsgruppe mit einer ganz konkreten Zielstellung hineingehen.

Letztlich soll ein Konzept entstehen. Am Ende soll eine konkrete Empfehlung ausgesprochen werden, wo es gut und richtig wäre, einen solchen hebammengeleiteten Kreißsaal in Sachsen-Anhalt zu installieren.

Ich würde mich freuen, wenn es größtmögliche Zustimmung zu unserem Antrag gäbe, und freue mich jetzt auf Ihre Redebeiträge, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Danke schön.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann, für die Einbringung des Antrages. - Für die Landesregierung spricht jetzt der zuständige Minister Herr Bischoff. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jedenfalls ein schöner Antrag. Er passt auch zu Weihnachten, weil es um Geburt und Kinder geht.

Unser Problem in Deutschland und in SachsenAnhalt ist ja, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung darauf angewiesen sind und uns darüber freuen sollten, dass Kinder, die geboren werden und von denen übrigens mehr geboren werden sollten, auch die besten Bedingungen bekommen.

Ich fange einmal mit etwas Persönlichem an; so viele Landtagsreden in werde ich vielleicht nicht mehr halten. Ich bin einer der wenigen, die zu Hause geboren wurden.

(Frau Niestädt, SPD: Ich auch!)

Das ist meine Familiengeschichte; manche kennen Sie vielleicht schon. Unsere Eltern wollten unbedingt ein Mädchen haben, zum Schluss waren wir sechs Jungs plus ein Pflegekind. Damals im Dezember 1950 - es war Winter und ein Krankenhaus war nicht in der Nähe; es gab damals schon Krankenhausgeburten - kam die Hebamme aus der Nachbarstraße. Mein Bruder ist zur Welt gekommen und man wartete auf die Nachgeburt, aber nicht auf mich.

Sie wussten eben nicht, dass es Zwillinge sind. Wir sind trotzdem geboren worden, ich jedenfalls auch, und aus mir ist auch etwas geworden, obwohl wir schon nach siebeneinhalb Monaten zur Welt kamen. Heutzutage würde eine Zwillingsgeburt als Risikogeburt eingestuft und auf jeden Fall im Krankenhaus durchgeführt werden.

Ich finde diesen Antrag gut. Ich kann mich auch daran erinnern - deshalb kam ich zur Familiengeschichte; dazu könnte ich noch mehr erzählen; ich war übrigens der Fünfte in der Reihenfolge -, dass eine der aller ersten Amtshandlungen, die ich machen durfte, als ich 1990 im Ministerium der für Familien zuständige Referatsleiter wurde, die Förderung des Regenbogenzentrums in Halle. Die Vorsitzende war damals Inés Brock.

Ich habe über die Frauen gestaunt, die dort angefangen haben in einem Haus, das in einem desolaten Zustand war. Sie sind eingezogen und haben dort über Jahre renoviert. Es wurde das Dach deckt und ausgebaut. Das hätten andere nicht gemacht, sondern gesagt, wir ziehen ein, wenn es fertig ist.

Unter diesen Bedingungen haben sie ein Haus geschaffen, in dem, glaube ich, bis heute noch Kinder geboren werden können. Es ist zumindest ein familien- und kinderfreundliches Haus mit vielen Angeboten. Damals war aber die Zielstellung, die natürliche Geburt in Sachsen-Anhalt nach der Wende ins Leben zu rufen und auszubauen.

Dass es schwierig war, zeigt sich jetzt nach den vielen Jahren. Es entscheiden sich tatsächlich viel mehr Frauen bzw. Eltern dafür, ins Krankenhaus zu gehen. Dabei steht wahrscheinlich der Sicherheitsgedanke im Vordergrund. Ein Krankenhaus ist

aber ein Krankenhaus und eine Geburt ist keine Krankheit. Deshalb ist es absolut richtig, für die hebammenbegleitete Geburt einzutreten.

Aber Hebammen begleiten nicht nur die Geburt, sondern Sie begleiten die Familien, insbesondere die Frauen auch vorher und nachher. Wir haben auch die Familienhebammen. Deshalb finde ich die Idee gut, das zu vereinen, wie Sie es eben auch geschildert haben, Frau Lüddemann, nämlich die natürliche Geburt in einem Haus oder vielleicht zu Hause zu verbinden mit dem Kreißsaal in einem Gesundheitszentrum - so will ich es einmal nennen, wenn man den Begriff „Krankenhaus“ weglässt. Das halte ich für eine gute Idee.

Das gibt es in Sachsen-Anhalt tatsächlich schon. Aber wir haben halt die Schwierigkeit, dass die Abteilungen in den meisten Krankenhäusern von Ärzten geleitet werden. Die Geburtsabteilung gehört meist dazu und die Hebammen sind dann mit dabei. Wenn eine Krankenhausleitung der Meinung ist, man wolle eine Hebamme mit der Leitung der Geburtsabteilung beauftragen, dann kann sie es heute schon tun.

Sie wollen - das finde ich richtig - eine Empfehlung geben, die Vorteile - das betrifft die öffentliche Meinungsbildung - aufzeigen und die Frauen ermutigen, sich auf einen Prozess einzulassen, der nicht immer gleich einer medizinischen Betreuung bedarf. Es geht darum, einen natürlichen Vorgang zu erleben, der auch unter den Bedingungen eines Krankenhauses lebensnah und natürlich stattfinden kann.

Der Vorteil liegt ja auf der Hand. Wenn es wirklich akute Schwierigkeiten gibt - das ist der einzige Grund, warum sich Frauen für das Krankenhaus entscheiden -, dann sind die Ärzte in der Nähe. Daher nehme ich diesen Vorschlag gern auf.

Wir werden uns auch die Erfahrungen aus Thüringen und Nordrhein-Westfalen zu Gemüte führen. Sie haben ein Institut beauftragt, die Versorgungssituation zu durchleuchten. Gerade NordrheinWestfalen hat am 30. November dieses Jahres einen Bericht vorgelegt. Darin wird die Einrichtung eines Runden Tisches Geburtshilfe empfohlen.

Deshalb bin ich dankbar, dass wir erst einmal mit den dafür verantwortlichen Krankenhäusern, mit Ärzten und niedergelassenen Hebammen darüber diskutieren, was wir machen wollen. Ich will nicht gleich vorgeben, was man machen soll. Vielleicht ist der Weg viel einfacher, als wir uns das vorstellen können. Ich bin auch gern bereit bzw. derjenige, der das Haus in der nächsten Legislaturperiode leiten wird, dem Landtag dazu Bericht zu erstatten.

Deshalb noch einmal zum Schluss: Es ist der richtige Weg, Verantwortung zu teilen. Vergessen habe ich - das muss unbedingt geregelt werden,

wenn ein hebammengeleiteter Kreißsaal eingeführt wird - darauf hinzuweisen, dass die Haftungsfrage klar geregelt wird. Denn das ist eigentlich der springende Punkt, sowohl bei den Hausgeburten - die Hebammen haben gesagt, dass sie das Risiko nicht eingehen wollen - als auch im Krankenhaus. Aber ein Krankenhaus kann es regeln.

Deshalb denke ich, wir sollten diesen Weg gehen, und deshalb freue ich mich über den Antrag. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir begrüßen ganz herzlich zu meiner Linken Damen und Herren der Schule des Zweiten Bildungsweges Halle

(Beifall im ganzen Hause)

und zu meiner Rechten Schülerinnen und Schüler der Gorki-Sekundarschule Schönebeck. Ihnen ein herzliches Willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt nach dem Minister der zweite männliche Geburtsexperte, der Kollege Schwenke.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das konnte ich mir jetzt irgendwie nicht verkneifen.

Herr Präsident, auf diese Ausführung komme ich in meiner Rede noch zurück. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Landtagsabgeordnete! Als wir im Februar des letzten Jahres über die Versicherungsproblematik bei Hebamme debattierten, fing ich mit einem Zitat aus dem Alten Testament an. Das möchte ich heute aus Hochachtung vor dem Beruf der Hebammen wiederholen. Schon im zweiten Buch Mose heißt es:

„Und Gott tat den Hebammen Gutes, und das Volk mehrte sich und wurde sehr stark.“

(Zustimmung bei der CDU)

Aus aktuellem Anlass ein kurzer Verweis auf das Neue Testament. Leider konnte ich trotz intensiver Bemühungen auch kurz vor dem Weihnachtsfest nicht zweifelsfrei recherchieren, ob vor gut 2 000 Jahren bei der Geburt in einem Stall bei Bethlehem eine Hebamme dabei war. Aber offensichtlich ist die Geburt trotz schlechter Rahmenbedingungen gut verlaufen, sonst hätten wir ja in 14 Tagen nichts zu feiern.

Unabhängig davon ist der Beruf der Hebamme - die Bezeichnung für männliche Kollegen ist übri

gens „Entbindungshelfer“ - einer der ältesten und anerkanntesten Professionen der Welt. Er verdient Anerkennung und Unterstützung, wo immer auch die Hebammen tätig sind, ob im Krankenhaus, in Geburtshäusern oder jeweils zu Hause.

Genauso bekenne auch ich mich ausdrücklich zum Erhalt der Wahlfreiheit von Frauen über die Art und Weise sowie den Ort der Geburt. Ich erwarte auch eine langfristige und nachhaltige Lösung der Haftpflichtproblematik bei Hebammen. Diesbezüglich sind leider immer noch trotz aller Bekenntnisse fast alle Fragen offen.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Sehr geehrte Frau Lüddemann, ich kann hier bekennen, dass ich grundsätzlich den größten Teil der Forderungen der Konferenz der Landesfrauenräte im Jahr 2015 zum Thema „geburtshilfliche Versorgung“ unterstützen könnte. Ich habe sie hier liegen.

Auch wenn mir aus biologischen Gründen die persönlichen Erfahrungen fehlen, Herr Präsident, kann ich den Ausführungen zur natürlichen Geburt folgen und sie mittragen. Ich kann es nachvollziehen und unterstützen.

Es fällt mir allerdings trotzdem schwer, Ihrem heute vorliegenden Antrag zuzustimmen, zumal er leider kurz vor dem Ende der Legislaturperiode kommt. Dieser Antrag, liebe Frau Lüddemann, ist eigentlich ein typischer Fall von Überweisung in den Ausschuss zur Durchführung eines Fachgesprächs mit allen Beteiligten.

Auch mich interessiert zum Beispiel, wo die Fachleute die Ursachen für die überdurchschnittlich hohe Zahl an Kaiserschnitten sehen. Gibt es wirklich die unterstellten ökonomische Gründe? Werden Frauen falsch beraten? Haben sie schlicht und ergreifend so entschieden? Sind die Hinweise, die Sie, Frau Lüddemann, gegeben haben, möglicherweise nicht in die Beratungsgespräche eingeflossen?

Und ist den Kliniken bekannt, dass es schon jetzt die Möglichkeit gibt, die Hierarchie in den Geburtsstationen in Richtung Hebammen zu ändern, dass also schon jetzt ein hebammengeleiteter Kreißsaal möglich ist? Und wenn ja, warum wurde die Möglichkeit bisher so selten genutzt? Gibt es medizinische oder vielleicht haftungsrechtliche Bedenken? - Der Fragenkatalog kann sicherlich noch erweitert werden.

Wie gesagt, für eine Fachdiskussion bleibt in dieser Legislaturperiode leider keine Zeit mehr. Deshalb schlagen wir in unserem Alternativantrag vor, die in anderen Bundesländern derzeit in Auftrag gegebenen Berichte zu dem Thema auch in Sachsen-Anhalt auszuwerten und mit den zuständigen Akteuren zu diskutieren.

Dem Landtag der kommenden Legislaturperiode bleibt es dann überlassen, daraus die richtigen Schlussfolgerungen abzuleiten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Lüddemann, da auf die durch Ihren Antrag aufgeworfenen Fragen heute leider keine ausreichenden Antworten gegeben werden können, werden wir Ihren Antrag ablehnen und bitten um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.