Protokoll der Sitzung vom 11.12.2015

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Herzlichen Dank dem Abgeordneten Herrn Rotter; denn das ist keine leichte Aufgabe. Wer das schon einmal gemacht hat, der weiß, was dahinter steht.

Wir kommen zu der angekündigten Zehnminutendebatte. Als erster Debattenredner spricht Herr Dr. Thiel von der Fraktion DIE LINKE.

Bevor Sie anfangen, möchte ich Damen und Herren der Jagdgenossenschaft aus dem schönen Dähre begrüßen. Herzlich willkommen, meine Damen und Herren!

(Beifall im ganzen Hause)

Sie haben das Wort, Herr Dr. Thiel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit der Einsetzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und der damit verbundene Untersuchungsauftrag wurden durch eine intensive dreijährige Arbeit dieses Ausschusses belegt und umfänglich bestätigt. Dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an der vollständigen Aufklärung von Sachverhalten, die in ursächlichem Zusammenhang mit öffentlich bekannt gewordenen Vorgängen hinsichtlich eines möglichen Fördermittelbetrugs in Sachsen-Anhalt standen, wurde damit im Wesentlichen Rechnung getragen.

Die Mehrzahl der bekannt gewordenen Fakten war zunächst ausschließlich über die Medien bzw. durch deren Recherchen öffentlich bekannt geworden. Die Landesregierung, ihre Ministerien und die ihnen nachgeordneten Behörden ließen zu diesem Zeitpunkt nur ein geringes Maß an Offenheit hinsichtlich der Aufklärung der Sachverhalte erkennen.

Im Ergebnis der Untersuchungen konnten die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE im 13. PUA

dem durch den Ausschussvorsitzenden vorgelegten Berichtsteil C zu den Ergebnissen der Untersuchung und zur Bewertung durch den Untersuchungsausschuss in keiner Weise zustimmen,

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

weil die Welt der Fördermittelvergabe eben nicht in Ordnung war, wie es dort auf - netto - zwei Seiten - es waren, sage und schreibe, 58 Zeugenvernehmungen - zusammengefasst - oder treffender gesagt: zusammengeschrumpft - wurde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es war für bisherige PUA-Verhältnisse eine durchaus singuläre Leistung,

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

sich in der Bewertung weder auf konkrete Zeugenaussagen sowie Aktenvorlagen zu beziehen, noch sich anhand bekannter Fakten zu einer Bewertung hinreißen zu lassen.

Bis heute sind Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, letztendlich den Beweis für Ihre Behauptungen in Ihrem Bewertungsteil schuldig geblieben.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Wir teilen somit die bewertenden Aussagen des vorliegenden Abschlussberichtes in keinem Punkt. Es gibt absolut keine Deckungsgleichheit, die vorliegenden Bewertungen gehen strikt auseinander.

(Herr Borgwardt, CDU: Beweise habt ihr auch keine!)

Wir haben hierbei völlig andere Maßstäbe und Kriterien angesetzt, welche in unserem dem Abschlussbericht angefügten Sondervotum mehr als deutlich zur Geltung kommen. Wir kommen letztlich zu einem anderen Ergebnis und zu anderen Konsequenzen und Schlussfolgerungen. Und wir belegen dies durch Zeugenaussagen in öffentlichen Sitzungen sowie aus den uns zur Verfügung gestellten Akten, lieber Kollege Borgwardt. Lesen bildet manchmal.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Folgende Grundaussagen wurden unsererseits getroffen: Die im Einsetzungsbeschluss zum Ausdruck kommenden Vorwürfe und Behauptungen haben sich nach unserer Auffassung partiell als begründet erwiesen.

Durch ungenügendes oder zögerliches Handeln oder Unterlassen der Landesregierung, insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft - ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - und der nachgeordneten

Behörden, wurde zumindest fahrlässig ein über viele Jahre laufender Fördermittelmissbrauch begünstigt.

Die schnelle Reaktion auf personelle Engpässe hätte erheblich dazu beitragen können, Fördermittelvergaben einschließlich deren Bewertungsverfahren sowie Verwendungen im Bereich der Arbeitsmarktförderung rechtmäßig und damit gesetzeskonform zu realisieren und einem Missbrauch langfristig vorzubeugen.

Vorhandene Kontroll- und Reaktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Bewilligung oder Verwendung von Fördermitteln sind somit als nicht hinreichend einzuschätzen. Ein Mitzeichnungsrecht des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit existierte nicht, ebenso wenig standardisierte Berichtspflichten an das Ministerium ab einem bestimmten Auftragsvolumen oder einer bestimmten Beschäftigungszahl. Das Ministerium erhielt lediglich die Bearbeitungsliste und die Quartalsstatistiken zur Kenntnis, um einen Überblick über die Anträge und die Höhe der Fördermittel zu erhalten.

Mechanismen sowie auch Fehlstellen, die zu diesem Missbrauch geführt haben, wurden nicht oder nur ungenügend erkannt und demzufolge auch nicht oder nur in einem geringen Ausmaß verändert bzw. beseitigt.

Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer gepflegten Nichtverantwortung der jeweiligen politischen Hausspitzen,

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

und dies übrigens nicht nur in einem Ministerium und nicht nur von einem Minister oder Staatssekretär, wie auch im Problemfall IBG sichtbar wurde. Reihenweise konnten sich Minister oder Staatssekretäre nicht erinnern, wenn es um konkrete Details ging. Man war schließlich für das „große Ganze“ zuständig und hatte unbegrenztes Vertrauen in das Tun handelnder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Daraus erklärt sich auch die Weigerung, politische Konsequenzen zu ziehen.

Da steht schon die Frage im Raum, wer eigentlich in einem Ministerium den politischen Hut - insbesondere auch mit Blick auf die zu entscheidenden Detailfragen sowie auf das Tun oder Unterlassen der Mitarbeiterinnen -auf hatte und hat. Man konnte sich öfter nicht des Eindrucks erwehren, dass mancher Minister, mancher Staatssekretär sich lieber in den Windschatten der Entscheidungen seiner Mitarbeiter gestellt hatte, als selbst Verantwortung zu tragen und zu übernehmen. Dabei wurde gern vergessen, dass ein Minister die Gesamtverantwortung für sein Ressort trägt. Das lässt sich nicht delegieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Die Landesregierung war offensichtlich nicht in der Lage und auch nicht gewillt, alle notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um dem Missbrauch von Fördermitteln vorzubeugen, ihn einzugrenzen oder gar zu vermeiden.

Da hilft es auch nicht, wenn man, wie der Kollege Thomas jüngst bei MDR Sachsen-Anhalt, erklärt, der heutige Ministerpräsident sei seiner Verantwortung nachgekommen, als festgestellt wurde, dass es kriminelle Vorgänge gab.

(Herr Thomas, CDU: Jawohl!)

Er habe das sofort zur Anzeige gebracht und sofort die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Eben nicht!)

Lieber Kollege Thomas, wir müssen zeitweise in unterschiedlichen Ausschüssen gesessen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Herr Thomas, CDU: Das kann sein!)

Denn es konnte sich keiner der Zeugen so recht erinnern, wer eigentlich die Anzeige gestellt hat, nicht einmal der Ministerpräsident selbst. Selbst der leitende Staatsanwalt ging davon aus, dass die Ermittlungen von Amts wegen begannen, nach Gesprächen mit dem Privatermittler Jüngling und den Verantwortlichen der IHK in Dessau.

Mangelnde Sensibilität bezüglich der Korruptionsanfälligkeit, ungenügende Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen sowie ein fehlendes Berichtswesen haben die kriminellen Machenschaften in einzelnen Unternehmen und Firmen bei der Fördermittelbeantragung und -verwendung unwissentlich befördert.

Eine zumindest mittelbare Beeinflussung auf die durch das Landesverwaltungsamt zu realisierenden Fördermittelverfahren seitens der Landesregierung war darin zu erkennen, dass sogenannte Bitten, Hinweise und Empfehlungen von Mitgliedern der Landesregierung allein schon aufgrund ihrer Stellung von den Betroffenen nicht als solche eingeordnet wurden. Nach deren Wahrnehmung trugen sie den Charakter verbindlicher Vollzugsanweisungen, von Weisungen bzw. sogar von Erlassen, und wurden dementsprechend nicht infrage gestellt, sondern nahezu bedingungslos unterstützt und umgesetzt, selbstverständlich im Rahmen der vorgegebenen Verordnungen.

Meine Damen und Herren! Eine gewisse Verwunderung gab es in der öffentlichen Wahrnehmung darüber, dass wir bei der Bewertung eines möglichen CDU-Parteispendenskandals eher zurückhaltend reagiert haben. Nun, das ist kein Wunder. Maßgebliche Zeugen haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, sodass die Spendenpraxis nicht vollständig aufgeklärt und

die Vermutungen nicht widerlegt werden konnten. Nicht mehr und nicht weniger.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir wollen hier seriös die Tatsachen und nicht die Vermutungen bewerten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend muss festgestellt werden, dass es durch die Versetzung des ehemaligen leitenden Staatsanwaltes an das Finanzgericht Sachsen-Anhalt zu einer, wenn auch nicht erheblichen, zeitlichen Verzögerung in den Ermittlungen des gegenständlichen Verfahrens gekommen ist.

Diese Verantwortung haben Zeugen innerhalb dieses Komplexes nicht völlig ausräumen können bzw. teilweise sogar bestätigt. Jedoch liegen keine direkten Anhaltspunkte und Beweise dafür vor, dass es sich um unübliche Verfahrensabläufe im Ministerium für Justiz und Gleichstellung und den ihm nachgeordneten Behörden gehandelt hat.

Folglich ist festzustellen, dass die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstellung, keinen zielgerichteten Einfluss darauf genommen hat, eine zügige und umfassende Aufklärung möglicher Fördermittelbetrugsfälle mittels einer unzureichenden personellen Ausstattung zu verhindern. Dennoch bleibt anzuzweifeln, dass die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstellung, alles getan hat, um mittels ausreichender personeller Ausstattung die Ermittlungen zügig und vor allem zeitnah abzuschließen.

Ähnliches lässt sich für den Verantwortungsbereich des Ministeriums für Inneres und Sport einschließlich des Landeskriminalamtes und der Ermittlungsgruppe „Sponsor“, konstatieren. Personalknappheit bestand seit jeher, in jedem Ermittlungsverfahren. Jedoch aufgrund des durch die Landesregierung in den zurückliegenden Jahren praktizierten ersatzlosen Personalabbaus hatte sich die Personalsituation auch in den genannten Bereichen des Ministeriums für Inneres und Sport erheblich zugespitzt. Dieser Zustand führte unweigerlich auch zu Abstrichen in der zu realisierenden Ermittlungsarbeit. Es wurden infolgedessen in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Schwerpunkte und Ermittlungsrichtungen festgelegt, sodass nicht jedem Tatvorwurf bis ins Detail nachgegangen wurde, Ressourcen gebündelt wurden und anhand dessen die notwendige Ermittlungsarbeit durchgeführt wurde.