Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Unter den hier gegebenen Umständen, insbesondere des vorliegenden relevanten Personengeflechts der maßgeblich handelnden Akteure, genannt das „System von der Osten“, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass es auch bei einer besseren Überwachung zu Rechtsverstößen

im Rahmen von Beteiligungsentscheidungen gekommen wäre.

Ich schließe sehr bewusst mit dem Satz: Es sind zukünftig Rahmenbedingungen zu schaffen, die gewährleisten, dass die Kontrollorgane das vorsätzlich pflichtwidrige Verhalten Einzelner verhindern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Kollege Miesterfeldt. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Meister. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach etwas mehr als zwei Jahren Arbeit legt der 14. Parlamentarische Untersuchungsausschuss dem Landtag heute seinen Untersuchungsbericht vor. Die Arbeit im Untersuchungsausschuss war, was durchaus nicht selbstverständlich ist, davon geprägt, dass nicht nur die Oppositionsfraktionen die Aufklärung vorantrieben, sondern auch die Regierungsfraktionen, insbesondere die CDU-Fraktion, sich aktiv an der Untersuchungsarbeit beteiligten. Ich hoffe, Sie können mit Lob von der falschen Seite umgehen.

Dementsprechend ist auch der Untersuchungsbericht in vielen Punkten von einer gemeinsamen Einschätzung getragen. Bestimmte Bewertungen gehen dann aber doch auseinander. Die beiden vorliegenden Sondervoten verdeutlichen das.

Gemeinsam ist allen, so meine ich, dass wir bei der Vergabe von Risikokapitalmitteln bestimmte Verstöße gegen Fördermittelrichtlinien und Beteiligungsvoraussetzungen feststellen mussten. Gab es Förderung von Unternehmen, die nicht innovativ waren? - Ja. Gab es Förderung von Unternehmen, die nicht klein oder mittelständisch waren? - Ja. Von Unternehmen außerhalb SachsenAnhalts? - Ja. Von Unternehmen, obwohl sie sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden? - Oh ja. Gab es unrechtmäßige private Geschäfte und Interessenskollisionen durch Mitarbeiter der IBG, insbesondere Herrn Dinnies von der Ostens? - Aber ja. Das ist nicht gut und das sind sehr ernste Feststellungen.

Spannend und nicht mehr ganz so einheitlich ist die Beantwortung der Frage nach den Ursachen und Motiven. Wieso lief die IBG so aus dem Ruder? Wieso konnte Dinnies von der Osten so schalten und walten, wie er es tat?

Tatsächlich liegt hierin der wesentliche Unterschied in den Einschätzungen zwischen unseren Sondervoten und den Positionen der CDU und der SPD. Die Kollegen von der Koalition schildern gern das „System von der Osten“. Danach kam - ich

überspitze es - Herr von der Osten irgendwie von der Straße, setzte sich bei der IBG an den Tisch und brachte die Akten und die arme Landesregierung gehörig durcheinander. Das scheint mir doch eine reichlich verkürzte Sichtweise.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Keine Frage: Herr Dr. von der Osten ist selbstverständlich eine der Hauptfiguren in diesem Drama. Wenn man ihn jedoch als Einzeltäter darstellt, blendet man ganz wesentliche Aspekte des Skandals aus und riskiert, dass sich Ähnliches wiederholt oder schlicht fortsetzt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nach meiner Einschätzung des Untersuchungsergebnisses ist es so, dass sowohl die Verquickungen von der Ostens als auch die systematischen Verstöße gegen Richtlinien und Grundsätze in der Landesverwaltung und Landesregierung bekannt waren bzw. bekannt sein mussten, aber geduldet oder sogar ausdrücklich befürwortet wurden.

Als von der Osten nach Sachsen-Anhalt kam, hatte er letztlich Q-Cells im Schlepp. Jeder, der das wissen wollte, wusste es. Von der Osten gehörte dem Q-Cells-Aufsichtsrat an, und das noch vor der Beteiligung des Landes, also im Rahmen seines eigenen privaten Engagements. Dass sich von der Osten mit der IBG also auch an einem eigenen Unternehmen beteiligte, lag klar auf dem Tisch, interessierte aber nicht.

Q-Cells war zunächst ein Riesenerfolg, an dem sich alle freuten und der von der Osten alle Türen öffnete. Es war daher Regierungspolitik - dafür haben wir klare Belege in den Akten -, von der Osten unbedingt zu halten und von ihm gestellte Forderungen auch zu erfüllen.

Schon im Jahr 2003 bestehende kritische Anmerkungen des Landesrechnungshofes - mein Vorredner hatte es bereits ausgeführt - wurden ignoriert. Die Privatisierung des Beteiligungsmanagements, die zu erheblichen Kostensteigerungen führte, war nicht etwa eine Idee der Landesregierung oder eine Idee aus dem politischen Bereich des Landtages, es war eine Idee von der Ostens, die man dann bereitwillig umsetzte, nämlich um ihn zu halten.

Die Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe des Beteiligungsmanagements, die nicht so ganz überraschend von der Osten gewann, füllen längere Passagen im Untersuchungsbericht.

Als rechtlicher Betreuer des Vergabeverfahrens engagierte das Land ausgerechnet unter Tausenden Juristen, die zur Verfügung gestanden hätten, Dr. Krohn, einen langjährigen Bekannten von der Ostens, nämlich auf dessen Empfehlung hin.

Nach Aussage Dr. Krohns wusste das Land von den engen Beziehungen. Dem Untersuchungsausschuss wurde dieses interessante Detail verheimlicht. Dabei dann noch von einem fairen Vergabeverfahren zu reden, wäre albern.

In der Vergabe gab von der Osten eine negativ eingeschätzte Präsentation ab, was seine Chancen jedoch scheinbar nicht schmälerte. Bewertungskriterien wurden noch im Nachhinein zu seinen Gunsten angepasst. Das ist kein „System von der Osten“, das ist ein „System für von der Osten“.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Seine Verquickungen wurden in Kauf genommen bzw. wollte man nicht so im Detail kennen. So erklärt sich dann auch, dass von der Osten in seinen Vertrag Passagen hineinverhandeln konnte, nach denen ihm eine Offenlegung zuvor eingegangener, kollusiver Beteiligungen nicht auferlegt wurde. Wieso sollte er eine solche Klausel wünschen, wenn es doch gar nichts offenzulegen gegeben hätte? Das hat aber niemanden gewundert.

Diese Situation erklärt, wieso von der Osten ungestört seinen Geschäften nachgehen konnte. Im Übrigen wurden auch bei der jüngst erfolgten erneuten Vergabe viele Fehler der ehemaligen Vergabe, wenn auch dieses Mal ohne von der Osten, fortgesetzt. Auch die handelnden Personen blieben weitgehend, von seiner Person abgesehen, die gleichen.

Noch weniger „System von der Osten“ ist bei den systematischen Verstößen gegen die Richtlinien festzustellen. Das Land Sachsen-Anhalt hat - das war ein politischer Wunsch, der maßgeblich vom damaligen Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff ausging - enorme Mengen an Finanzmitteln in den Bereich Risikokapital gepumpt. Um das einmal zu verdeutlichen: Die Sachsen haben, trotz deutlich größerer Einwohnerzahl und größeren Wirtschaftsvolumens, nur ein Drittel unserer Summe in diesen Bereich gesteckt. Ähnlich sind die Zahlen in Berlin.

Es muss einem dabei klar sein, dass der Bedarf der Wirtschaft an Risikokapital für innovative kleine und mittelständische Unternehmen begrenzt ist. Es lassen sich nicht beliebig hohe Summen in begrenzter Zeit in dieses Segment investieren. Vor diesem Problem stand nun aber von der Osten. Der Landesregierung muss das klar gewesen sein.

Von der Osten löste das Problem letztlich auf die einzig mögliche Art und Weise, indem bei vielen Investments die Förderbedingungen außer Acht gelassen wurden. Dieses Vorgehen ist für das Land gefährlich, da Rückforderungen der europäischen Mittel drohen, wenn man die Bedingungen nicht einhält. Hierzu zu behaupten, das hätte er hinter dem Rücken der Landesregierung getan,

geht fehl. Im Gegenteil: Er setzte die Vorgaben um.

Insbesondere bei dem Thema Schlossgruppe Neugattersleben der Familie Hübner ist ein Eigeninteresse von der Ostens nicht erkennbar. Er nutzte dankbar die Möglichkeit, dort Gelder zu versenken. Dass es gerade die Schlossgruppe war und dass diese Möglichkeit sich insbesondere ab dem Amtsantritt des Finanzministers Bullerjahn ergab, beruht auf den persönlichen und politischen Verbindungen Klaas Hübners, ehemaliger SPDBundestagsabgeordneter und Mitglied des damaligen SPD-Kompetenzteams, in die Landesregierung.

Wir hatten hierzu und zu dem in diesem Zusammenhang unübersehbaren steuerlichen Zinserlass für die Unternehmen der Schlossgruppe schon heftige aktuelle Debatten. Das dort von mir Gesagte hat sich nach meiner Auffassung bestätigt.

In Reinform erfolgte ein Verstoß gegen alle Richtlinien bei der zur Rettung der Schlossgruppe gegründeten K 57. Bei diesem Vorhaben stand groß auf der Stirn: Das ist rechtswidrig.

Vor diesem Hintergrund kann man sich insgesamt fragen, wie gut die Kontrollen eigentlich sein sollten. Einigkeit zwischen allen Fraktionen besteht allerdings tatsächlich darin, dass die Kontrollen unzureichend waren. Der Aufsichtsrat unter Führung des jeweiligen Wirtschaftsministers, der Beteiligungsausschuss und das Finanzministerium als das die Funktion des Gesellschafters ausübende Haus übten ihre Aufgabe - das ist zumindest meine Auffassung - nicht oder nur mangelhaft aus.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Viele der auf der Landesseite tätigen Mitarbeiter waren schon von ihrer Ausbildung her nicht in der Lage, von der Osten wirksam zu kontrollieren oder auch nur nachzuvollziehen, was da gerade läuft. Auch diese Fehler werden derzeit fortgesetzt.

Der jetzige Geschäftsführer hat zuvor das Universitätsmarketingprogramm „Studieren in Fernost“ bearbeitet. Ich finde dieses Programm ausgesprochen gelungen; dabei wurde eine sehr gute Arbeit geleistet. Ich kann aber ohne Weiteres keinen Zusammenhang mit dem Management von Beteiligungen oder der Bewirtschaftung von Risikokapital erkennen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Das wird man, bezogen auf die Person, abwarten müssen, wie es sich entwickelt. Aber der kritische, in Finanzfragen erfahrene Ralf Seibicke, ehemaliger Chef des Landesrechnungshofes, der seinerseits von der Landesseite selbst ins Gespräch gebracht worden war, wäre für einen Neuanfang eine interessante Personalie gewesen. Ein

solcher radikaler Neuanfang war aber nicht gewünscht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

In der Konsequenz brauchen wir jetzt eine realistische Einschätzung dazu, wie groß der Bedarf an öffentlichen Risikokapitalmitteln in Sachsen-Anhalt tatsächlich ist. Wir brauchen eine darauf ausgerichtete Finanzkulisse und -struktur sowie eine Arbeitsweise der Kontrollgremien und Ausbildung der Beteiligten, die ihrer Verantwortung gerecht wird, und eine konsequentere Ausrichtung auf innovative Unternehmen und Unternehmen in Start-upSituationen, auch wenn das nicht den ganz großen Mittelabfluss bringt.

Letztlich brauchen wir im Bereich der Politik einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Förderinstrument Risikokapital. Es bedarf angemessener Zielsetzungen und inhaltlicher Vorgaben und einer Politikferne in den einzelnen Förderungen. Vettern- und Freunderlwirtschaft haben bei uns nichts zu suchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Mit diesen Maßgaben wäre ein Neustart unseres Engagements im öffentlichen Risikokapital möglich. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Danke sehr, Kollege Meister. - Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Leimbach. Bevor ich ihm jedoch das Wort erteile, können wir Schülerinnen und Schüler der Ludwig-Gleim-Sekundarschule in Ermsleben bei uns begrüßen. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr, Herr Leimbach.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Seit dem Urteil des Reichsoberhandelsgerichts im Dezember 1873 ist klar, dass Bilanzen der objektiven Wahrheit möglichst nahe kommen und nach den Prinzipien der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit ein gerechtes, zutreffendes und nachvollziehbares Bild zum Stichtag zeichnen sollen.

Die Opposition hat die Bilanz unserer Arbeit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wie ich meine, künstlich vor die Landtagswahl gezogen, die Berichte kurz vor Weihnachten vorgelegt und damit die Zahl der Arbeitstage, die uns dafür

verblieben sind, einen eigenen Komplex zu erarbeiten, verkürzt.