Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Zur Beschlussempfehlung ist einiges gesagt worden. Ich empfehle natürlich die Annahme dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Steppuhn. - Wir kommen dann zum Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Frau Dirlich, Sie haben das Wort.

Herr Steppuhn, ich möchte Sie beruhigen: Inhaltlich passt zwischen mich und Herrn Birkwald kein Blatt Papier.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute über einen Antrag, der in der Landtagssitzung im Dezember 2012 - ich habe es in der Berichterstattung schon gesagt - von uns zur Diskussion gestellt wurde. Dass der Antrag aufgrund der Fülle der Aufgaben erst im Mai 2013 zum ersten Mal im Ausschuss aufgerufen wurde, das kann und soll niemandem angelastet werden. Aber dass es Januar 2016 werden musste, bevor wir zu einem Ergebnis kommen, das hat mich schon vor Zeiten zu einem Ausspruch veranlasst, der inzwischen zu einem meiner Standardsätze geworden ist: Wir warten nur noch!

(Beifall bei der LINKEN)

Erst haben wir auf die Bundestagswahl gewartet. Dann haben wir auf die Regierungsbildung gewartet. Dann haben wir auf den Koalitionsvertrag gewartet. Seitdem warten wir darauf, dass irgendeine der versprochenen sozialen Segnungen, die in diesem Koalitionsvertrag vereinbart worden sind, irgendwann wenigstens in einen Gesetzentwurf mündet.

Angleichung der Rentenwerte Ost und West, Bundesteilhabegesetz, Vereinfachungen und Verbesserungen bei Hartz IV - inzwischen ist mehr als die Hälfte der Legislaturperiode des Bundestages vorbei und wir warten; wobei, in einer Sache haben wir inzwischen Klarheit: Die Angleichung der Rentenwerte wird auch in dieser Legislaturperiode nicht kommen.

Ich erinnere daran, dass ein entsprechendes Versprechen von der Bundeskanzlerin bereits zu Beginn der vorvorigen Legislaturperiode gemacht wurde - ich wiederhole, was ich im Juni 2015 gesagt habe -, ein Versprechen, dass nunmehr schon zum zweiten Mal gebrochen wird. Und, meine Damen und Herren, in den Wahlreden in beiden Jahren wurde keine Teilangleichung versprochen.

Unser Antrag aus dem Jahr 2012 enthält eine Reihe von Forderungen zur Veränderung und zur Verbesserung der Rente. Immerhin hat ein Fachgespräch stattgefunden, das durchaus bemerkenswerte Ergebnisse hatte.

Der Vertreter der gesetzlichen Rentenversicherung stimmte zum Beispiel der Einschätzung zu, dass das Prinzip der Lebensstandardsicherung wieder das Grundprinzip der gesetzlichen Rente werden muss. Das einseitige Beharren - das waren seine Worte - auf dem Dogma der Beitragsstabilität und die damit einhergehende Absenkung des Renten

niveaus seien schädlich für die Akzeptanz der gesetzlichen Rente.

Die Diskussion darüber, dass mit einem Beitragssatz von 22 % eine Lebensstandardsicherung im Alter auch angesichts der demographischen Entwicklung nicht möglich sei - so sagte er -, muss endlich offen geführt werden.

Interessant war auch die Diskussion zur Erwerbstätigenversicherung, also der Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rente. Auch der Vertreter der gesetzlichen Rente sprach sich dafür aus, natürlich nicht, ohne darauf aufmerksam zu machen, dass die dadurch zu erzielenden zusätzlichen Einnahmen nicht automatisch zu neuen Spielräumen für eine solidarische Gestaltung der Rente führen werden. Es entstehen neue Anwartschaften und Ansprüche. Inwieweit diese Ansprüche abgeflacht werden können, ist natürlich nach wie vor offen und muss noch festgestellt werden.

Aber auch er hat erklärt, dass es hierbei um ein Gerechtigkeitsproblem geht. Aus der schriftlichen Stellungnahme geht hervor, dass es im Interesse des Gemeinwohls durchaus vertretbar sei, dass aus höheren Beiträgen vergleichsweise geringere Ansprüche entstehen. Dass es für diesen Vorschlag zurzeit keine politische Mehrheit gibt, wird unsere Partei nicht davon abhalten, diese Forderung immer wieder zu erheben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Weit auseinander gehen die Meinungen bei der Frage der solidarischen Mindestsicherung. Einmal abgesehen davon, dass noch im Wahlkampf fast alle Parteien ähnliche Vorschläge gemacht haben - damals gingen Worte wie Zuschussrente und Solidarrente herum -, sieht sich dieser Vorschlag jetzt, weitab vom Wahlkampf, massiver Kritik ausgesetzt. Der Vertreter der gesetzlichen Rentenversicherung hat uns sogar vorgeworfen, seine Behörde zu einer Filiale des Sozialamtes machen zu wollen.

Dagegen hielt der Vertreter der Fraktion DIE LINKE im Bundestag Matthias Birkwald, dass bei der solidarischen Mindestrente nur eine Einkommens- und Vermögensprüfung vorgesehen sei, aber keine Bedürftigkeitsprüfung. Das ist ein Unterschied. Eine Einkommensprüfung findet bei der Rente schon jetzt statt, beispielsweise bei der Hinterbliebenenversorgung.

Zudem soll nach dem Konzept der LINKEN die gesetzliche Rente auch so weit gestärkt werden, dass nur wenige Menschen überhaupt auf eine solche Mindestsicherung angewiesen sind bzw. nur für eine Übergangszeit.

Ich will nur ein Argument für eine solidarische Mindestsicherung ins Feld führen. Unter den 34 OECDMitgliedstaaten liegt Deutschland zusammen mit

Mexiko an letzter Stelle, wenn man sich die Nettoersatzraten bei Menschen anschaut, die wenig Geld verdienen, bei den Niedriglohnempfängern. Wir liegen an letzter Stelle zusammen mit Mexiko. - Herzlichen Glückwunsch! In Dänemark und in den Niederlanden sind die Renten für Geringverdiener im Übrigen höher als ihre Löhne.

Ebenso weit auseinander gehen natürlich die Meinungen bei der Frage der Angleichung der Rentenwerte. Letztlich sei ein gesamtdeutscher Rentenwert notwendig. Das würde natürlich dazu führen, dass im Westen die Werte sinken und im Osten die Werte steigen. Das wird man den westdeutschen Rentnerinnen und Rentnern wohl kaum zumuten oder antun.

Auch die Höherbewertung oder, richtiger gesagt, die Umrechnung der Einkommen ist eine strittige Frage. Ich sage dazu heute nur noch einen Satz. Im Vergleich der Bundesländer sind selbst in dem ostdeutschen Land mit dem höchsten Durchschnittsverdienst die Einkommen geringer als in dem westdeutschen Land mit dem niedrigsten Durchschnittseinkommen. Diese Zahlen, meine Damen und Herren, sprechen für sich.

Ich hätte gern noch etwas zur Frage der Zwangsverrentung gesagt. Ich weiß jedoch, dass meine Redezeit weit überschritten ist. Der Landtag wird sich mit den Fragen beschäftigen müssen. Die Beschlussempfehlung besagt dazu gar nichts. Der Landtag bittet die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung Vorbereitungen trifft, die niemanden schaden sollen, die aber auch wahrscheinlich niemandem nützen werden.

Es wäre ehrlicher gewesen, unseren Antrag abzulehnen, anstatt den Wählerinnen und Wählern diesen Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Frau Dirlich. Ich war in Bezug auf die Redezeit etwas großzügig, weil es ein wichtiges Thema ist. Herzlichen Dank für Ihren Beitrag.

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der Drs. 6/4718. Es ist die Annahme empfohlen worden.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei den Koalitionsfraktionen. Wer lehnt die Beschlussempfehlung ab? - Ablehnung bei den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? - Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Beschlussempfehlung zugestimmt worden und wir können den Tagesordnungspunkt 13 verlassen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Zweite Beratung

Krankenkassenkarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3570

Beschlussempfehlung Ausschuss für Arbeit und Soziales - Drs. 6/4723

Die erste Beratung fand in der 80. Sitzung des Landtages am 11. Dezember 2014 statt. Berichterstatterin ist Frau Dr. Späthe. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde vom Landtag in der 80. Sitzung am 11. Dezember 2014 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Mitberatend wurde der Ausschuss für Inneres und Sport eingesetzt.

Mit dem Antrag soll für Asylbewerberinnen und Asylbewerber eine Vereinfachung des Arztzugangs in Sachsen-Anhalt erreicht werden. Schneller und unkomplizierter sollen damit Behandlungen gewährleistet werden. Damit einhergehend soll das Personal der öffentlichen Verwaltung entlastet werden.

Die Obleute des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales haben sich am 26. März 2015 darauf verständigt, zu diesem Antrag ein Fachgespräch durchzuführen. Dieses Fachgespräch fand in der 53. Sitzung am 13. Mai 2015 statt.

Auf die Vorschläge der Fraktionen hin wurden unter anderem die kommunalen Spitzenverbände, die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Medinetz Magdeburg und Halle, die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, der Verband der Ersatzkassen e. V. und die AOK SachsenAnhalt eingeladen. Auch die AOK Bremen/Bremerhaven, die das sogenannte Bremer Modell anwendet - die Nutzung einer elektronischen Gesundheitskarte für Personen mit Leistungsbezug nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes - wurde zur Vorstellung ihres Modells eingeladen.

Die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Medinetz Halle und Magdeburg sowie das Psychosoziale Zentrum für Migrantinnen und Migranten St. Johannis GmbH Halle unterstützten die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Asylsuchende ausdrücklich, da sie ihrer Meinung nach die Situation für die Betroffenen, die Ärzte

und die Mitarbeiter in den Sozialbehörden erleichtert.

Der Landkreistag Sachsen-Anhalt gab zu bedenken, dass das Bremer Modell nicht unverändert auf einen Flächenstaat übertragbar ist. Bei der Einführung der Gesundheitskarte in einem Flächenland müssten vorher bestimmte Fragestellungen geklärt werden, zum Beispiel die des Abrechnungsverfahrens.

Der Landkreistag plädierte für eine bundeseinheitliche Lösung, ebenso die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt. Auch die AOK Sachsen-Anhalt sah die Übertragung des Bremer Modells auf ein Flächenland eher skeptisch.

Der Verband der Ersatzkassen, Landesvertretung Sachsen-Anhalt, ließ über eine schriftliche Stellungnahme wissen, dass er aufgrund von leistungsrechtlichen und finanziellen Abgrenzungsproblemen eine Beteiligung beim Einsatz von Krankenkarten für Asylsuchende ablehne.

Die AOK Bremen/Bremerhaven, die am Fachgespräch nicht teilgenommen hat, übersandte dem Ausschuss eine Stellungnahme mit Erläuterungen zum Bremer Modell.

Darüber hinaus ergab sich im Ausschuss jedoch weiterer Erläuterungsbedarf. Deshalb vereinbarte der Ausschuss im Anschluss an das Fachgespräch, die AOK Bremen/Bremerhaven um die schriftliche Beantwortung der offen gebliebenen Fragen zu bitten. Das entsprechende Schreiben des Ausschusses an die AOK Bremen/Bremerhaven wurde am 4. Juni 2015 herausgeschickt. Die Beantwortung dieser Fragen ist dem Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Schreiben der AOK Bremen/Bremerhaven vom 27. Juli 2015 zugegangen.

Die nächste Beratung über den Antrag in der Drs. 6/3570 führte der Ausschuss für Arbeit und Soziales in der 56. Sitzung am 9. September 2015 durch. Dazu lag ihm einerseits das Antwortschreiben der AOK Bremen/Bremerhaven und andererseits der Entwurf einer vorläufigen Beschlussempfehlung der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE vor.

In diesem wurde in Punkt 1 des Antrages vor dem Hintergrund, dass nun im Flächenland NordrheinWestfalen seit Ende August 2015 ein unterzeichneter Rahmenvertrag für die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber vorliegt, eine Änderung vorgenommen.

Die Landesregierung empfahl mit Blick auf das Ziel, eine bundeseinheitliche Regelung zu finden, die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfeltreffens am 24. September 2015 abzuwarten. Die Koalitionsfraktionen befürworteten diesen Vorschlag. Die

Oppositionsfraktionen hingegen sprachen sich gegen eine weitere Schiebung der Erarbeitung einer vorläufigen Beschlussempfehlung aus.

Die Fraktion der CDU beantragte daraufhin die Vertagung der Erarbeitung der vorläufigen Beschlussempfehlung auf die nächste Sitzung. Dieser Antrag wurde mit 8 : 5 : 0 Stimmen angenommen.