Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Wir sind dazu bereit und würden uns freuen, wenn wir zu ganz praktikablen Lösungen kommen, sodass zwischen Parlament, Landesregierung und den gesellschaftlichen Gruppen bei der Programmierung so viel Mitgestaltung wie möglich gewährleistet ist. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir beginnen nunmehr mit der Debatte. Als erste Rednerin spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Latta.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz allgemein zu dem Thema etwas sagen. Die EU-Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 ist ein Teil der Europa-2020-Strategie. Das Ziel der EU-2020-Strategie ist ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum.

Die Schwerpunkte liegen auf der Förderung von Forschung und Entwicklung, der Hochschulbildung, dem lebenslangen Lernen, der besseren gesellschaftlichen Integration und der Förderung umweltfreundlicher Technologien. Damit ähneln sie den Hauptzielen der Lissabon-Strategie.

Wichtig ist, dass in erster Linie innovative Projekte gefördert werden und nachhaltige Beschäftigung gesichert wird. Die Veröffentlichung der EU-Kommissionspläne für die Reform der europäischen Struktur- und Kohäsionsfonds sind durchdacht und ausbalanciert. Mit der Prioritätensetzung auf Investitionen in Bildung und Ausbildung finden wir GRÜNE unsere Impulse in den Kommissionsvorschlägen wieder. Auch die Wiederaufwertung des ESF im Verhältnis zu den anderen Fonds ist ein wertvoller Beitrag für ein soziales Europa.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weil die Armutsbekämpfung zu einem der Flagships in der Europa-2020-Strategie geworden ist, wurde dieses Ziel auch in den ESF als eigenständiges Ziel aufgenommen. Das eröffnet neue und integrierte Strategien für den ESF-Einsatz, die über die Arbeitsmarktpolitik hinausgehen.

Durch das Flagship „Verringerung der Schulabbrecherquote“ in der Europa-2020-Strategie kann der ESF und auch der EFRE zu einer Verbesserung der Aufstiegschancen von sozial benachteiligten Kindern beitragen und so das Weitervererben von Armut stoppen.

Nun möchte ich für unseren Änderungsantrag werben. Ich freue mich, dass der Vorschlag durch die SPD eingebracht wurde, die beiden Anträge in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zu überweisen. Trotz alledem lassen Sie mich noch zu dem Änderungsantrag, für den ich auch noch einmal werben möchte, die drei Punkte, die wir dort aufgeführt haben, ausführen.

Erstens. Der Umsetzung der Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ fällt eine Schlüsselrolle für die Erreichung der Ziele der Strategie Europa 2020 zu. Die Betonung liegt hierbei auf dem Wort „ressourcenschonend“. Prioritäten bei den Investitionen sollen in den Bereichen der Verbesserung der Energieeffizienz, dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor zum Schutz der natürlichen Umwelt gesetzt werden.

Die EU-Kommission erwartet, dass die Mitgliedstaaten und Regionen die Regionalpolitik nutzen, um durch Strukturreformen die Entwicklung zu einer ressourcenschonenden, klimabeständigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft mit geringen CO2Emissionen zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens geht es um die Sicherstellung der notwendigen Kofinanzierung durch Bund, Land und Kommunen. Hier wollen wir die Kommunen zusätzlich erwähnt wissen, da die Kommunen bisher an der Kofinanzierung beteiligt sind und das auch in Zukunft sein werden.

Wir werben zusätzlich für den Punkt 3. Die Landesregierung möge berichten, wie sie die Wirtschaft- und Sozialpartner in die Programmierung der operationellen Programme einbezieht und hinsichtlich der Programmierung schult und unterstützt sowie den Abfluss der EU-Mittel gewährleistet.

Sie wissen alle, dass die Wirtschafts- und Sozialpartner eine wichtige Rolle spielen und eine der Schaltstellen für das Gelingen der Programmierung der operationellen Programme sind. Das Unterstützen, das Einbeziehen und das Schulen der sogenannten Wiso-Partner ist essenziell für einen guten Mittelabfluss in der neuen Strukturfondsperiode.

Ich werbe daher noch einmal für unseren eingebrachten Änderungsantrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Latta. - Für die CDUFraktion spricht nunmehr der Kollege Kurze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir, die aus den Fraktionen der CDU und der SPD bestehende Koalition, wollen ein starkes und handlungsfähiges SachsenAnhalt in Europa.

Wir erleben in Europa die schwierigste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese Krise ist eine Banken- und Staatsschuldenkrise. Keiner hat momentan einen Königsweg in petto, mit dem wir aus der Krise herauskommen. Die EU braucht selbst Reformen im System. Ich glaube aber, dass wir als Landtag und als Regierungskoalition dem Weg aus der Krise ein ordentliches Mosaiksteinchen hinzusetzen, wenn wir bei der Konsolidierung des Haushaltes mit gutem Beispiel vorangehen.

Europa ist alternativlos. Aber die Rahmenbedingungen und Regeln müssen im gesamten Konstrukt angeglichen werden. Die Solidarität, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf nicht zum Selbstzweck inflationieren.

Bevor Sachsen-Anhalt am Ende dieses Jahrzehnts finanziell endlich auf eigenen Füßen stehen muss, sind mittelfristig noch finanzielle Transfers in unser Land notwendig. Sachsen-Anhalt hat sich dank der Förderung durch die Europäische Union sehr positiv entwickelt. Dieser Aufholprozess wäre ohne EU-Strukturfondsförderung nicht möglich gewesen.

Sachsen-Anhalt ist längst noch nicht da, wo andere Regionen in Deutschland bereits sind. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ist das Land daher auch weiterhin auf diese Zahlungen angewiesen. Deshalb setzen sich die Koalitionsfraktionen heute auch dafür ein, dass ein sichtbares Zeichen zu geben, die Neuprogrammierung der EU-Strukturfonds frühzeitig an Fahrt gewinnt.

Die Europa-2020-Ziele für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum sind ehrgeizig und die Entwicklungsziele unseres Landes sind mit den Wegmarken der Europa-2020-Strategie sehr eng verbunden. Europa will eine führende Rolle in der Weltwirtschaft einnehmen und Sachsen-Anhalt wird seinen Beitrag dazu leisten. Etwas humoristisch ausgedrückt könnte man auch formulieren: Wo Europa drauf steht, soll Innovation aus Sachsen-Anhalt drin sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Jeder, der sich mit den EU-Strukturfondsförderungen beschäftigt, weiß, dass es sich bei deren Verwaltung um ein schwer zu durchschauendes System handelt. Die Rede ist von EU-Prüfstellen, EUVerwaltungsbehörden und EU-Prüfbehörden. Niemanden dürfte es verwundern, dass die Verwaltung der jeweiligen Programme vor diesem Hintergrund auch mit hohen bürokratischen Hürden konfrontiert ist. Die Folgen kennen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz genau.

Der Landtag hat sich bereits in der Debatte im Juli dieses Jahres in Auswertung des sogenannten Strategieberichtes 2010, dem Ramboll-Gutachten, kritisch zu den Mittelabflüssen geäußert. Ich glaube, sie haben auch etwas mit der bürokratischen Welle zu tun. Die zum Teil sehr geringen Mittelabflussquoten zur Halbzeit der Förderperiode sind fraktionsübergreifend kritisch betrachtet worden.

Die Probleme, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen in der zweiten Hälfte der Förderperiode abgestellt werden. Erfahrungsgemäß sind die Abflussquoten in der zweiten Hälfte einer Programmperiode höher. Aber das sollte keine Entschuldigung dafür sein, dass die zur Verfügung stehenden Mittel vom Beginn an zielgenauer und fristgerechter abfließen müssen.

Hierfür machen die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag klare Vorgaben. Wir wollen die Schwerpunkte in der Programmierung der Fonds in der kommenden Periode in enger Zusammenarbeit mit der Landesregierung festlegen. Dafür verlangen wir von der Landesregierung klare Auskünfte über die zeitliche Abfolge bei der Programmierung der neuen Förderperiode.

Wenn die Prüfungen ergeben, dass der Verwaltungsaufwand und das Kontrollsystem in den unterschiedlichen Programmen unterschiedlich funktionieren, dann sind darüber hinaus auch Vorkehrungen für eine zukünftige Vereinfachung notwendig. Oftmals hat man das Gefühl, dass wir uns bei dieser Frage in Deutschland selbst im Weg stehen, wenn wir das mit anderen Ländern der EU vergleichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worin bestehen die Leitlinien für die kommende Periode? - Entsprechend den Vorschlägen der EU-Kommission für die Strukturfondsförderung für den Zeitraum von 2014 bis 2020 sollen 80 % des Mittelvolumens des EFRE in den Bereichen der CO2Reduzierung, der Innovation und der Wettbewerbsfähigkeit von KMU eingesetzt werden. Das ist ein ganz deutliches Zeichen, das auch wir hier in Sachsen-Anhalt unterstreichen müssen.

Es ist darum jetzt wichtig, im Zuge der Neuprogrammierung der EU-Förderfonds die Schwerpunktsetzungen so vorzunehmen, dass die Innovationspotenziale der heimischen Wissenschaftslandschaft gezielt für die Unternehmen genutzt werden können. Es gilt also, nicht nur bei Kinder

gärten und Schulen und deren Sanierung zu klotzen, sondern auch bei Wissenschaft und Forschung. Wichtig ist es dieser Regierungskoalition auch, dass die Regionen unseres Landes, so, wie wir es in der Verfassung stehen haben, gleiche Entwicklungschancen vorfinden.

Insgesamt freilich werden die ostdeutschen Bundesländer von der neue Kategorie „Übergangsregionen“ profitieren. Die Streichung der Strukturfondshilfen für diejenigen, die ein hohes Haushaltsdefizit aufweisen, lehnen wir ab. Wir brauchen mittelfristig die Solidarität Europas. Das setzt einen effizienten Mitteleinsatz voraus. Unser Antrag stellt dafür frühzeitig die richtigen Weichen.

Herr Tögel hat es bereits gesagt: Für die Berichterstattung in den Ausschüssen erwarten wir einen pragmatischen Weg, auf dem sich der Ist-Stand, der Aufwand und der Nutzen nicht selbst im Weg stehen.

Wir wollen alle drei Anträge, Frau Latta - darüber haben sich die SPD und die CDU vorher abgestimmt -, gemeinsam an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien überweisen und dort über alle drei Schwerpunkte gemeinsam beraten und einen entsprechenden Beschluss fassen, den wir dann auf die Reise schicken, Herr Czeke.

In diesem Sinne bitte ich um Überweisung der drei Anträge. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kurze. - Als Nächster spricht in der Debatte der Abgeordnete Herr Czeke für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verteidigen äußerst ungern die Landesregierung,

(Herr Bergmann, SPD: Warum?)

aber so sehr müssen die Koalitionsfraktionen sie nun auch nicht unterfordern und verwirren. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD, Sie trauen sich schon Anträge.

Den letzten Punkt zur Geschlechtergleichstellung in der Politik habe ich schmunzelnd gelesen. Wahrscheinlich ist das ein ganz neues Steckenpferd der Kollegen der CDU.

(Beifall bei der LINKEN - Frau Bull, DIE LINKE: Ein kleines Pflänzchen!)

In Ihrem Antrag bitten Sie um einen Bericht zum Bericht.

(Frau Bull, DIE LINKE, lacht)

Das liegt doch alles schon vor. Bereits im Juni 2011 zeichneten sich mit den Kommissionsvorschlägen zum mehrjährigen Finanzrahmen die Grundzüge und die Ausstattung der zukünftigen Kohäsionspolitik ab. Der Finanzminister sprach schon davon.

Am 6. Oktober 2011 hat die EU-Kommission ihre Verordnungsvorschläge für die Kohäsionspolitik ab dem Jahr 2014 vorgelegt. Eine Woche später waren diese sogar im LIV auffindbar. Zu diesen Vorschlägen hat die Landesregierung auch schon berichtet: am 26. Oktober 2011 bei der auswärtigen Sitzung des Europaausschusses in Brüssel. Daran haben nach meiner Erinnerung auch Vertreterinnen der regierungstragenden Fraktionen teilgenommen. Vorhin ist sogar per Regierungserklärung zu diesem Thema - wenn auch nicht zu 100 % dazu - berichtet worden.

Warum fordern Sie in Ihrem Antrag nicht wenigstens eine klare Positionierung der Landesregierung zu den vorliegenden Papieren?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Noch besser wäre, Sie stellten eigene Forderungen an die Landesregierung, wie sie weiter verhandeln soll oder eben auch nicht. Es bleibt wieder bei uns, bei der LINKEN, mittels Änderungsantrag konkret zu werden.