Die positive Einstellung zu diesem heute zur Beratung stehenden Antrag ist aus meiner Sicht nur ein ganz kleiner, bescheidener Beitrag gegen die Schlussstrichdebatte.
Und es ist ein Beitrag - auch da sage ich, es ist eher ein kleiner und bescheidener Beitrag -, um Vertrauen in heute aktive demokratische Institutionen und Personen zu schaffen.
Da die Staatssicherheit eben ein Geheimdienst war, ist es gut, dass es eine Behörde gibt, die sich mit der Tätigkeit dieses Geheimdienstes auseinandersetzt und dann auch feststellen kann, ob der eine oder andere dafür tätig war. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.
Als nächster Redner spricht in der Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Herbst.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Erst am vergangenen Freitag hat der Bundesrat die Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes beschlossen. Bei allen Differenzen zu verschiedenen Streitpunkten dieses Gesetzes zeigt dieses erfreuliche Ergebnis doch, dass in Deutschland nach wie vor eine breite politische Mehrheit in der Sicherung, der Erforschung und der Rekonstruktion der Stasi-Aktenbestände nach wie vor eine wichtige und bleibende Aufgabe sieht.
Dazu gehört auch die zentrale Aufgabe, jeder und jedem die Möglichkeit zu geben, Einsicht in eventuell vorhandene Akten zur eigenen Person zu beantragen. Die Erkenntnisse, die aus diesen Akten erwachsen, sind vielschichtig und reichen von der Belichtung blinder Flecken in der eigenen Biografie bis hin zu Erkenntnissen, die Teile unserer deutschdeutschen Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lassen.
Was die mutigen Menschen im Herbst 1989 und in den folgenden Monaten aus den Stasi-Zentralen der Bezirke, aus den Stasi-Knästen und den sonstigen zentralen Einrichtungen dieses Unterdrückungsinstrumentes retteten und sicherstellten, wird heute wissenschaftlich und im persönlichen Kontext zur Aufarbeitung genutzt. Die Rekonstruktion, die Aufbereitung und das Zur-VerfügungStellen der Ergebnisse der menschenverachtenden Machenschaften des MfS stellt in seinem Umfang und in seiner institutionellen Verankerung in dieser Form einen weltweit einmaligen Vorgang dar.
Die Akten sind aber auch die wichtigste und die maßgebliche Grundlage für das Wissen über Verwicklungen und Verstrickungen oder über die direkte Beteiligung von Menschen an den kriminellen und menschenverachtenden Machenschaften des MfS. Wer fordert, die Rekonstruktion und Erforschung der Akten zu beenden, der verschließt damit auch den Zugang zur Wahrheit.
Noch immer ist ein Großteil der Stasi-Akten nicht aufgearbeitet. Allein in den Außenstellen der BStU in Halle und in Magdeburg lagern noch immer über 3 000 Säcke mit vorvernichtetem und nicht erschlossenem Material. All diese Säcke bergen Informationen über Menschen, die zu Unrecht unter Verfolgung und Repression zu leiden hatten, oder Informationen eben über Menschen, die aus verschiedenen Gründen, sei es aus Opportunismus oder aus ideologischem Eifer, zu Tätern wurden.
Mit der heutigen Einsetzung eines Ausschusses zur Überprüfung der Abgeordneten auf eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR folgt der Landtag nicht einfach einer politischen Tradition oder einem Ritual, sondern es sprechen viele gute Gründe dafür, dass man diesen Schritt heute noch tut; denn selbstverständlich müssen sich auch die Abgeordneten dieses Parlaments ihrer Vergangenheit stellen. Aber es darf eben nicht bei der Einsetzung eines solchen Ausschusses bleiben. Dazu werden wir uns unter dem nächsten Tagesordnungspunkt noch austauschen können.
Eine wirkliche Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der DDR-Unrechtsgeschichte wird eben erst möglich im Zusammenspiel von Maßnahmen, die neben dem reinen Erkenntnisgewinn auf die Bedeutung verweisen, also neben der wissenschaftlichen Forschung auf Bildungs- und Beratungsangebote zielen. Wie wichtig der immer wieder erneute Blick in die Stasi-Akten ist, zeigt die bemerkenswerte Anzahl neuer Erkenntnisse.
Auch 22 Jahre nach der Sicherung der Archive treten durch eine permanente Erschließung immer neue Aufarbeitungsergebnisse zutage. Dies betrifft nicht immer nur Erkenntnisse über hauptamtliche oder informelle Mitarbeiter, sondern auch ganz interessante Querverweise. Ich verweise nur auf unseren letzten Landesbeauftragten für die StasiUnterlagen. Es waren BStU-Akten, die die entscheidenden Informationen zu seiner damaligen Aussage gegen einen aus politischen Gründen verhafteten Schulfreund gaben.
Meine Damen und Herren! Ich möchte bewusst diesen Tagesordnungspunkt und nicht den nächsten dazu nutzen, um auf den Schaden hinzuweisen, der durch die mittlerweile seit eineinhalb Jahren ausstehende Besetzung der Stelle des Landesbeauftragten entstanden ist. An jedem weiteren Tag, der vergeht, wird dieser Schaden für unser Land größer,
Die für diese Misere Verantwortlichen ziehen sich auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zurück. Damit machen sie es sich zu einfach. Sie wissen sehr gut, dass es mindestens ein weiteres Jahr dauern wird, bis mit einem Ergebnis aus Karlsruhe zu rechnen ist. Ich erwarte von denen, die für die Fehler bei der Ausschreibung bis hin zum jetzigen Festhalten an diesem Parteibuchkandidaten verantwortlich sind, dass sie zu den Opferverbänden gehen und ihnen das erklären. - Herzlichen Dank.
(Frau Budde, SPD: Das ist gegenüber de- nen eine bodenlose Frechheit, Herr Herbst! Bodenlos! Dafür sollten Sie Worte finden!)
(Frau Budde, SPD: Nein, für diese Aussage, dass Uli Stockmann mit seiner Geschichte nur ein Parteibuchkandidat ist, sollten Sie hier andere Worte finden! - Frau Niestädt, SPD: Unverschämtheit! - Lebhafter Beifall bei der SPD)
Wir fahren in der Debatte fort. Zum Abschluss spricht für die CDU-Fraktion Frau Abgeordnete Feußner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es kurz machen. Herr Thiel, zunächst möchte ich Ihnen mitteilen: Eine Antwort bleiben Sie zumindest immer schuldig. Wenn Sie sagen, vor der Nominierung legen Ihre Kandidaten ihren Lebenslauf offen - jetzt kann es durchaus sein, dass die Mitglieder der LINKEN ehrlicher sind als alle anderen Menschen auf dieser Welt -,
Wenn Sie wirklich an einer Aufklärung interessiert wären, würden Sie genau diesen Stasi-Untersuchungsausschuss zu Hilfe bitten, um zu überprüfen, ob Ihre Kandidatinnen und Kandidaten - bzw. dann die gewählten Vertreter - vor Ihrem Gremium die Wahrheit gesagt haben. Das wollen Sie aber gar nicht. Denn Sie haben bisher nie - das betonen Sie seit der zweiten Legislaturperiode; wir haben auch schon anlassbezogen überprüft - Konsequenzen daraus gezogen. Deshalb kann man Ihnen dort wahrscheinlich auch erzählen, was man will, weil es keine Konsequenzen hat. Deshalb ist das für Sie damit auch abgehakt.
Glaubwürdig ist das allemal nicht. Wenn Sie sagen: Das ist öffentlich, und es sind auch Medienvertreter und sonst was dabei, dann können Sie das auch hier machen. Dann hätten Sie auch keine Angst und keine Bedenken, den Stasi-Untersuchungsausschuss um Hilfe zu bitten, um festzustellen, ob Ihre Parlamentarier vor Ihrem Gremium die Wahrheit gesagt haben.
Das tun Sie eben gerade nicht, weil Sie davor Angst haben. Sie scheuen sich, der Öffentlichkeit zu sagen, wer Mitglied war und wer nicht, bzw. Sie verweigern sich selbst dieser Überprüfung. Da muss ich Ihnen sagen, Glaubwürdigkeit hin oder
her: Ich glaube auch nicht, dass Ihre Fraktionsmitglieder ehrlicher sind als unsere. Wir haben auch schon das eine oder andere nicht ehrliche Mitglied gehabt, und bei denen haben wir unsere Konsequenzen gezogen. Jeder kann das dann für sich verarbeiten. Wir hätten niemals das Recht zu sagen: Deshalb muss - sofern es jemanden gibt - Ihr Kollege aus dem Parlament entfernt werden. Das könnten Sie dann selbst auswerten, aber nicht einmal dazu haben Sie den Mut.
Vielleicht noch ein Letztes, sehr geehrter Kollege - zu Herrn Stockmann will ich mich in der Form jetzt nicht äußern, aber eines will ich Ihnen sagen -: Ob Partei oder nicht, er ist in diesem Hohen Hause mehrheitlich gewählt worden. Als Beschluss akzeptiere ich das, und wir alle sollten das akzeptieren. Wenn ich einen Mehrheitsbeschluss über alle möglichen Parteien hinweg gefasst habe, dann kann ich an dieser Stelle schlecht von einem Parteisoldaten sprechen. - Vielen Dank.
Frau Feußner, das, was ich sagen will, ist eigentlich parlamentsbekannt. Ich nehme jetzt bloß auf den Fakt Rücksicht, dass es eine Reihe von Abgeordneten in diesem Landtag gibt, die diese Debatte das erste Mal verfolgen und nach Ihren letzten Worten einen falschen Eindruck gehabt haben könnten.
Herr Thiel hat begründet: Die Beschlusslage, wie die Dinge bei uns laufen, existiert seit 1993, damals noch in der PDS. Seitdem machen wir das Verfahren. Wir machen es hier im Land SachsenAnhalt. Ich gebe zu, es gibt andere Landesverbände, in denen es tatsächlich Fälle gegeben hat, in denen Abgeordnete ihre politische Biografie und ihre Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit nicht offengelegt haben und wo es danach herausgekommen ist,
so wie es übrigens bei jedem Landtagsabgeordneten herauskommt, weil jeder x-beliebige Journalist diese Anfrage stellen darf und alle Dokumente bekommt, die der Abgeordnete selbst nie zur Verfügung gestellt bekommt. Das ist übrigens auch der Hintergrund dessen, wie die Dinge letztlich in der Öffentlichkeit bewertet werden.
tuation, dass eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter aus meiner Fraktion eine politische Biografie hatte, die er an dieser Stelle nicht vorher öffentlich gemacht hat. Alle Dinge von Abgeordneten, die im Kontakt zum MfS standen, waren öffentlich erklärt worden. Es gibt seit 1994 nicht einen einzigen Fakt, bei dem erst nach der Wahl öffentlich geworden ist, dass jemand in irgendeiner Art und Weise in Kontakt zum MfS stand. Deswegen ist seit 17 Jahren unsere Erfahrung, dass unser Weg funktioniert hat, und deswegen bleiben wir dabei.
Nun weiß ich, wie politisch und emotional aufgeladen eine solche Diskussion ist. Ich will ganz am Ende trotzdem noch etwas zu dem Satz von Frank Thiel sagen - das mögen die einen so oder andere so bewerten -: Vielleicht gibt es auch einige unter Ihnen, in den anderen Fraktionen, denen ich zumindest die Perspektive zu erklären versuchen kann. Er hat gesagt: Sie werden unsere Position deswegen nicht teilen. Aber vielleicht kann es der eine oder andere verstehen.
Deswegen nenne ich Ihnen ein klares Beispiel, wie es zurzeit in Thüringen in genau diesem Ausschuss läuft. Dort gibt es zwei Abgeordnete aus meiner Fraktion, die mit dem MfS zusammengearbeitet haben. Deren Akten sind seit 15 Jahren so etwas von öffentlich - keiner da hat seine Biografie so öffentlich gemacht -, da ist wirklich jedes einzelne Schriftstück durch jede Presse gegangen.
- Die sprachlichen Bilder können sich jetzt mehren, aber ich lasse es lieber. - Jetzt haben wir folgende Situation: Eine dieser Abgeordneten ist in voller Kenntnis ihrer gesamten politischen Biografie bei der letzten Landtagswahl mit einem hohen Ergebnis als Direktkandidatin wiedergewählt worden. Jeder Wähler wusste, wen er vor sich hatte. Was macht der Ausschuss in Thüringen? - Er befindet sie als parlamentsunwürdig. Die Wähler hatten ihre Position mitgeteilt. Die politischen Konkurrenten haben nicht nur gesagt, sie ist parlamentsunwürdig, sie haben auch gesagt: Wähler, du hast falsch gewählt.
Das ist die politische Konsequenz, die uns dazu führt, ein solches Verfahren abzulehnen. Dies mögen Sie nicht teilen, aber Sie müssen auch verstehen, dass das die Erfahrungen sind, die uns inzwischen darin bestätigt haben, bei diesem Weg zu bleiben. - Danke.
Herr Gallert, ich habe eine Frage zu Ihrem letzten Beispiel, dass der Wähler diese Frau wiedergewählt hat. Das ist die eine Sache, das ist klar. Dem Wähler steht es frei, wen er wählt, es ist also alles offen. Aber allein die Dreistigkeit, dass Sie mit aller Kenntnis einen Menschen, der Unrecht begangen hat, wieder als Kandidaten aufstellen,