Was Ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit anbelangt, das müssen Sie sich innerhalb Ihrer Reihen selbst beantworten. Mit Ihrem Verhalten verharmlosen Sie die historischen Ereignisse der DDR-Diktatur und die damit verbundenen Verbrechen.
Sie verhöhnen damit all die Menschen, denen die Mauer jahrzehntelang die Freiheit geraubt, die Familie genommen oder gar das Leben gekostet hat. Die Staatssicherheit wurde schließlich zum Zweck des Machterhalts der DDR-Diktatur und damit nicht als eine rechtsstaatlich wirkende Institution eingerichtet.
Wir Antragsteller sind als Demokraten der Meinung, dass Personen, die hieran nachweislich aktiv mitgewirkt haben, öffentlich gemacht werden müssen und keinen Platz in einem demokratischen Parlament einnehmen sollten.
Verehrte Anwesende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag bitte ich um Ihr Votum für die Einsetzung eines solchen Ausschusses mit den in dem Antrag vorgeschlagenen Personen. Diese möchte ich hier nicht nennen; das können Sie in dem Antrag nachlesen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir erneut das Vertrauen geben würden, die würdige Aufgabe des Vorsitzes des Ausschusses zu übernehmen. - Vielen Dank.
Wir beginnen nunmehr mit der Aussprache zu dem Tagesordnungspunkt. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Es spricht zunächst für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Dr. Thiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatten um die Überprüfung durch die StasiUnterlagenbehörde haben wir in verschiedenen Legislaturperioden geführt. Für einige von Ihnen ist es das erste Mal; für andere ist das Thema zum wiederholten Mal Diskussionsgegenstand in diesem Hohen Hause. Das letzte Mal haben wir uns damit im Jahr 2007 bei der Änderung des Abgeordnetengesetzes und darauf folgend auch bei der Berufung eines Untersuchungsausschusses beschäftigt.
Um es gleich vorwegzunehmen: Frau Feußner, es tut mir leid, aber ich falle nicht in Ihre Tonlage zurück. Unsere Position als LINKE ist: Es bleibt eine dauerhafte Aufgabe, menschenrechtsverletzende Tätigkeiten von Institutionen in der DDR zu bewerten, darüber gesellschaftlich zu debattieren, sich damit auseinanderzusetzen und daraus auch Konsequenzen zu ziehen.
Das ist eine Position unserer Fraktion, auch unserer Partei, auch wenn wir uns als Nichtantragsteller durchaus als Demokraten bezeichnen.
Das muss unter Umständen auch die Bewertung der Person eines Kandidaten oder eines Inhabers einer politischen Funktion betreffen. Aber ausschlaggebend - das ist die große Differenz, die wir miteinander haben - ist nicht die Bewertung eines Abgeordneten durch andere Abgeordnete, die, auch wenn sie sich überhaupt nicht so verhalten wollen, objektiv immer in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.
Ausschlaggebend ist vielmehr die Bewertung durch das delegierende Gremium, durch die Wählerinnen und Wähler, durch jemanden, der über die Aufstellungslisten für die Wahl in politische Funktionen verfügt. Ausschlaggebend ist, wie ich bereits gesagt habe, vor allen Dingen die Meinung unserer Wählerinnen und Wähler.
Deswegen gehen unsere Beschlusslagen seit dem Jahr 1993 davon aus, dass vor jeder Wahl, egal ob es um den Landtag oder den Kreistag oder um Verantwortung auf anderer kommunaler Ebene geht, eine Offenlegung der politischen Biografie und einer eventuellen Mitarbeit beim MfS als offizieller oder als inoffizieller Mitarbeiter zu erfolgen hat, und zwar nicht nach der Wahl, sondern vor der Wahl.
Das machen wir durchaus auch während öffentlicher Veranstaltungen und nicht in geheimen Gremien, das muss ich leider sagen. Während unseres letzten Nominierungsparteitages unserer Partei war die Presse breit vertreten und jeder konnte hören, was die Kandidaten zu ihrer politischen Biografie zu sagen hatten. Da wird kein Geheimnis
Über die Frage, ob diese Regelüberprüfung in der Art und Weise stattfinden muss oder nicht, haben wir mehrfach im Landtag diskutiert; denn der Ansatzpunkt unserer Kritik ist nach wie vor die Fokussierung der Bewertung der Tätigkeit einer Person auf eine eventuelle Tätigkeit für die Staatssicherheit. Das ist uns einfach zu wenig. Das ist genauso inakzeptabel wie die Beschränkung des Geschichtsbildes der DDR auf Diktatur und Staatssicherheit. Aber wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt noch einmal Gelegenheit haben, uns darüber zu verständigen.
Die Beschlusslage unserer Gremien besagt auch, dass jemand, der etwas verschwiegen hat, sich diesen Gremien stellen muss, wenn die Dinge auf den Tisch kommen. Dann wird eine Entscheidung herbeigeführt, die auch durchaus dazu führen kann, dass man ihn auffordert, sein Mandat niederzulegen bzw., dass man ihn aus der Fraktion ausschließt. Das hat es seit der zweiten Legislaturperiode in diesem Landtag nicht mehr gegeben.
Das möchte ich hier an dieser Stelle auch noch einmal wiederholen. Das ist der Weg, wie wir künftig damit umgehen wollen. Das ist der Weg, den wir bisher beschritten haben und den wir als einen durchaus richtigen ansehen.
Und noch einmal, um an der Stelle auch mit den Legenden einer Schlussstrichmentalität Schluss zu machen. Die Opfer der Ausspähung durch die Staatssicherheit müssen auch in Zukunft ein Recht auf Akteneinsicht haben. Die wissenschaftliche Aufarbeitung muss auch garantiert sein, ja sogar erweitert und vertieft werden, damit man daraus Lehren ziehen kann, dass keiner oder keine jemals wieder stigmatisiert werden kann, wenn er über gesellschaftliche Perspektiven auf demokratischer Grundlage nachdenkt.
Wir sagen, dass es ein Recht auf Wahrheit gibt. Aber 20 Jahre nach der Wiedervereinigung oder 22 Jahre nach der Wende die fortgesetzte Überprüfung eines Teils der Gesellschaft auf fast 30 Jahre auszudehnen, dient dem Rechtsfrieden nicht und auch nicht dem inneren Frieden.
Wolfgang Thierse hat jüngst in der Bundestagsdebatte Folgendes gesagt. Es sei mir vielleicht erlaubt, das zum Abschluss noch zu zitieren:
„Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Radikalität der Beurteilung der DDR-Geschichte mit der zeitliche Distanz zu - anstatt abnimmt. Nach meiner Überzeugung ist das notwendige Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen nicht da
durch zu gewinnen, dass ein latentes Misstrauen gegenüber Mitbürgern ostdeutscher Herkunft in Gesetzen festgeschrieben wird.“
Unser jetziger Landtagspräsident Herr Gürth hat damals im Jahr 2007 während der Einbringung des Abgeordnetengesetzes gesagt - ich zitiere -:
„Geschichte ist individuell. Biografien können immer nur im Gesamtzusammenhang objektiver, aber auch persönlicher Verhältnisse beurteilt werden. Aber jeder sollte sich auch zu seiner Biografie bekennen. Wer in einem öffentlichen Amt ist, muss dies auch öffentlich zulassen. Ich hoffe, wir werden mit unserer Initiative diesem Anspruch gerecht.“
Die Initiative war damals die Änderung des Abgeordnetengesetzes. Nach unserer Auffassung wurde eben diese Gesetzesänderung diesem Anspruch nicht gerecht. So ist es auch heute. Deswegen wird unsere Fraktion auch Ihren Antrag ablehnen.
Ich habe die Hoffnung, dass der eine oder andere Abgeordnete aus den anderen Fraktionen unsere Position, wenn er sie schon nicht teilt, doch vielleicht etwas besser nachvollziehen kann. - Vielen Dank.
Herr Kollege Dr. Thiel, es gibt eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Weigelt. Möchten Sie diese beantworten?
Herr Kollege Dr. Thiel, Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie offensiv mit dem Problem umgehen. Sollte etwas verschwiegen werden
oder worden sein und auf den Tisch kommen, dann kann es dazu führen, dass derjenige dann möglicherweise auch aus der Fraktion ausgeschlossen wird, sagten Sie. Dann frage ich mich: Das ist doch der beste Weg, um herauszufinden, ob jemand etwas verschwiegen hat?
Das ist die Ehrlichkeit, die vor jedem Abgeordneten steht. Dann haben Sie doch den Mut zu fragen. Sagen Sie zu meinen 28 Kolleginnen und Kollegen, wem Sie misstrauen. - Danke schön.
Als nächster Redner spricht in der Debatte für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Miesterfeldt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Thiel, die Verhältnisse in der DDR haben mich am Ende der DDR dazu gebracht, dass ich nur von einem ganz genau wusste, dass er kein IM ist.
Am 9. November in dieser Woche hinderten mich meine Nasennebenhöhlen an der Wahrnehmung öffentlicher Termine, zumindest am Abend. Deshalb konnte ich mich dem öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm zuwenden.
Dort wurden drei Beiträge gezeigt. Der erste war ein Spielfilm über eine Frau, die im Frauengefängnis Hoheneck war. Der zweite war eine Dokumentation über dieses Frauengefängnis. Der dritte Beitrag mit dem Titel „Die Kinder von Blankenese“ war ein Film über ein Kinderheim nach der Schoah in Hamburg.
Diese drei Beiträge haben mir gezeigt, dass es auch nach 70 Jahren keine Schlussstrichdebatte über beide Themen geben kann.
Die positive Einstellung zu diesem heute zur Beratung stehenden Antrag ist aus meiner Sicht nur ein ganz kleiner, bescheidener Beitrag gegen die Schlussstrichdebatte.