Frau Budde, nicht nur Sie und ich wissen: Es gab damals auch ein Gutachten zur Wirkung dieses Gesetzes. Es wurde evaluiert. Aus diesem Gutachten ging hervor, dass die Schwächen des Gesetzes in dem gelegen haben, was ich gerade ausgeführt habe.
Wir brauchen das Rad doch nicht neu zu erfinden, wie der Koalitionsentwurf mit der Aneinanderreihung von Unverbindlichkeiten, Belanglosigkeiten usw. Denn das ist ein Bürokratiemonster: Regelungen, die es bereits gibt, noch einmal neu aufzuschreiben, hübsch zu verpacken, das Ganze mit einer Weinachtsschleife zu verzieren. Das braucht die Wirtschaft nun tatsächlich nicht.
Ich schaue einmal den Kollegen Webel an. Beim MLV wird regelmäßig das Vergabehandbuch des Bundes per Erlass für die Landesbauverwaltung eingeführt. Und das ist gut; denn das VHB ist anerkannt. Darin sind die Formulare enthalten. Darin sind die branchenüblich verwendeten Unterlagen enthalten.
Es war eine alte Forderung der Baubranchenverbände, das möglichst auch für das Land zu verwenden, Bestehendes zu nutzen und auch die Kommunen zu ermutigen, diese Formular- und Erläuterungssammlung sowie die Kalkulationsprüfhilfen anzuwenden. Aber es geschieht eben nicht. Wenn das Vergabehandbuch so schlecht wäre, würde es in Ihrem Haus nicht angewendet werden. Nicht wahr, Herr Webel?
Es ist leider so, dass bei Wirtschaftsminister Dr. Haseloff dieses Vergabehandbuch nicht nur nicht eingeführt wurde, sondern zu einem Anwen
derhandbuch verkümmerte, bei dem dann gerade nicht genügend Rücksicht auf die Neuregelungen zur Präqualifizierung und zur E-Vergabe genommen wurde. Das war alles sehr traurig.
Zu den Neuregelungen. Sehen Sie sich doch einmal die Aussagen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu Ihrem Entwurf an, liebe Koalitionskollegen. Darin steht, dass eine Vielzahl von KannBestimmungen besteht, dass man dringenden Nachbesserungsbedarf sieht und vor allem mit Blick auf Ihre Anwendungsgrenzen, die Sie sich auferlegt haben, kritisiert, dass für die kleinen Betriebe hier keine Geltung bestehen soll.
Ich fand es immer putzig, wie hier von „Mittelstand“ gesprochen wird. Wenn es in Sachsen-Anhalt überhaupt fünf Baubetriebe gibt, die man als „Mittelstand“ bezeichnen kann, dann haben wir noch großzügig gezählt. 85 % unserer Betriebe haben weniger als zehn Beschäftigte. Das ist die Wahrheit.
Kollege Steppuhn, Sie wissen es doch ganz genau. Wie gering ist denn die Tarifbindung in diesem Lande? Was nützt es uns denn, Tarifverträge usw. zu beschwören und zu loben? - Sie wirken doch gar nicht. Das ist es doch.
- Ja, das ist eine feine Sache, dafür habe ich auch viele Jahre gestanden. Aber wie groß ist denn die Tarifbindung hier? Das ist es doch. Sie nehmen damit sehenden Auges in Kauf, dass Ihr Gesetz auf vieles nicht Anwendung finden wird. Das ist einfach unehrlich.
Eine letzte Bemerkung, auch an die Kollegen der GRÜNEN gerichtet. Ja, es ist so: Letztlich ist die Erstellung des Leistungsverzeichnisses dafür entscheidend, was Kriterien für den Zuschlag und damit für die Qualität der Leistung sind. Aber das Leistungsverzeichnis erstellen - im Auftrag des öffentlichen Auftraggebers - Fachleute, Ingenieurbüros, Planungsbüros. Sie müssen eben wissen, was sie planen sollen. Dabei muss man auch wissen, dass man Folgekosten berücksichtigen soll.
Es gibt eine Untersuchung, Frau Professor Wolff, die regelmäßig wiederholt wird - bei Sanierungen, bei Neubauten, bei anderen Vergaben - und aus der hervorgeht, dass 30 % aller Baumängel in der Planungsphase entstehen. Wenn ich jedoch die vergebenden Stellen personell „entfähige“, sorgfältige Leistungsverzeichnisse, Leistungsbeschreibungen zu erstellen und deren Umsetzung zu prüfen, dann sind die Mängel und die Mehrkosten vorprogrammiert. Daran sehen wir wieder einmal, dass auch Personalabbau im Bereich des Vergabewesens verheerende Wirkungen hat.
Darum appelliere ich an Sie: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Seien Sie aufgeschlossen in den Beratungen in den Ausschüssen. Wir haben noch viel zu tun. Es ist nicht damit getan, auf den Weihnachtsmann zu vertrauen. - Ich danke Ihnen.
Danke schön, Herr Kollege Henke. Es gibt eine Frage des Kollegen Steppuhn. Möchten Sie die beantworten?
Herr Abgeordneter Henke, ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen und das auch zu bestätigen, dass wir uns als Sozialdemokraten nicht einreden lassen, wir wären gegen einen gesetzlichen Mindestlohn und gegen eine Lohnuntergrenze. Wir werden uns das von der Wertigkeit her, nur weil wir für Tariftreue, für die Einhaltung von Tarifverträgen sind, nicht wegreden lassen.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie vielleicht noch einmal erläutern könnten, worüber Sie in Ihrem Gesetzentwurf reden. Sie reden über Tarifverträge, über Mindestlöhne und dann über Lohnuntergrenzen. Ich bitte Sie zur Kenntnis zu nehmen - auch wenn wir das vielleicht gern gemacht hätten -, dass es europarechtlich nach der Rechtsprechung nicht möglich ist, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge allein auf Tarifverträge abzustellen.
Wir reden über für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge und über die Einhaltung von Mindestlöhnen. Das geben beide Gesetzentwürfe her, denke ich.
Zum Letzten, Herr Kollege Steppuhn: Das RüffertUrteil aus dem Jahr 2008 hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass es gesetzliche Mindestlöhne geben kann. Die Situation in Niedersachsen war so, dass man den dortigen Bautarifvertrag angewendet hat, der aber nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden war.
Das Rüffert-Urteil bestätigt ausdrücklich das, was wir vorgelegt haben. Herr Dr. Thiel hat darauf in seiner Einbringungsrede auch hingewiesen. Ich bitte Sie, genau zuzuhören.
Unser Gesetzentwurf stellt deshalb ausdrücklich auf die tariflichen Regelungen ab. Wenn es aber keine tariflichen Regelungen gibt bzw. wenn der Tarifvertrag ein Einkommen festschreibt, von dem man ohne Aufstockungsbeiträge nicht existieren kann, dann muss es mindestens eine gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 € geben. Damit wird in dem Gesetzentwurf die Wahrheit in diesem Land anerkannt.
In der Bauwirtschaft ist der Mindestlohn im Jahr 1997 eingeführt worden, als die Bauproduktion begann, sich rückläufig zu entwickeln, was bis heute angehalten hat. Heute liegt der Mindestlohn in der Bauwirtschaft bei knapp 10 € pro Stunde. Das entspricht einem Monatseinkommen von brutto 1 700 €. Das ist nicht viel für schwere Arbeit.
Der Mindestlohn hat aber dazu geführt, dass ein Spezialbaufacharbeiter in Sachsen-Anhalt heute im Durchschnitt beinahe 12 € pro Stunde verdient, weil sich auch innerhalb der Unternehmen eine Lohnspreizung ergibt. Das ist wichtig und von uns eindeutig gewollt.
Wir wollen, dass mindestens ein Lohn von 8,50 € pro Stunde gezahlt werden muss, wenn es keinen Tarifvertrag gibt, der einen Lohn von mindestens 8,50 € pro Stunde festschreibt, damit bei der Prüfung der Angebote von einem auskömmlichen Lohn ausgegangen werden kann.
Sie wissen alle, dass die Personalkosten einen Anteil von 30 % an den Baukosten ausmachen. Beim Einkauf, bei der Logistik und bei der Baustelleneinrichtung können Unternehmen nicht furchtbar viel sparen. Der Preiskampf wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Und das wollen wir nicht.
Herr Kollege Henke, Sie haben angesprochen, dass es in den Vergabestellen qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedarf. Ich denke, wir können uns schnell darauf einigen, dass das tatsächlich notwendig ist. Ich bin auch froh, dass wir uns darüber einig sind.
Sie haben dann aber die ganz große Keule herausgeholt und gesagt, dass sich ein Personalabbau damit nicht vertragen würde. Sie haben auch das Verhältnis von 19 Beschäftigten zu 1 000 Einwohnern angesprochen. Mich würde interessieren, welche Erkenntnisse Sie darüber haben, dass die Vergabeprozesse in den Bundesländern, die eine entsprechende Personalquote aufweisen, wie beispielsweise Schleswig-Holstein, besonders schlecht laufen.
Ich weiß von meinen früheren Kollegen in Schleswig-Holstein, dass sie sich bei der Qualität der Vergabeentscheidungen und bei den Preisen, für die der Zuschlag erteilt wurde, immer mit Sachsen-Anhalt verglichen haben. Die Schleswig-Holsteiner haben immer gesagt: Wir sind eher bei euch im Osten, als bei unseren südwestdeutschen Partnerverbänden. So ist die Wirklichkeit bei denen. Es ist also auch mit Personaleinsparungen schlecht.