DIE GRÜNEN Frau Professor Dr. Dalbert fortfahren, dürfen wir auf der Besuchertribüne noch Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Francisceum Zerbst willkommen heißen. Herzlich willkommen im Hause!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen mehrstündigen Haushaltsdebatte kommen wir an das Ende unserer Haushaltsdiskussionen. Ich habe diese Diskussionen in den letzten Wochen sehr genau verfolgt und mir dabei immer die Frage gestellt: Was sind eigentlich die Zukunftsprojekte dieser Landesregierung und wohin will sie das Land führen? - Ich muss Ihnen sagen: Ich bin zu keiner befriedigenden Antwort gekommen.
Wir reden über den „Haushalt“ - lassen Sie uns also einen Moment innehalten und uns das „Haus“ ansehen, das uns die Landesregierung präsentiert.
Ich sehe hier ein Haus mit karg möblierten Eckwertzimmern. Ich sehe ein Haus ohne Fenster, sodass wir nicht hinausblicken können auf gute Zukunftsaussichten für unser Land. Ich sehe ein Haus, dem die Handschrift eines Architekten oder eines Architektenteams fehlt. Und ich sehe ein Haus, das nicht auf einem soliden Fundament steht.
Wir haben es heute schon mehrfach gehört: Dieser Haushalt ist kein Sparhaushalt. In diesem Haushaltsplan steht, dass wir in diesem Jahr 247 Millionen € mehr als im letzten Jahr ausgeben wollen und dass wir auch im nächsten Jahr noch 238 Millionen € mehr ausgeben wollen als im letzten Jahr. Dahinter stehen Steuerschätzungen, die ich angesichts der Warnungen, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung eintrüben kann, und angesichts der europäischen Rahmenbedingungen nur als mutig bezeichnen kann. Ich befürchte, dass dieses Haus auf Sand gebaut ist.
Herr Bullerjahn und Herr Barthel, wissen Sie, Haushaltskonsolidierung ist auch ein bündnisgrünes Ziel. Aber die Haushaltskonsolidierung ist lediglich eine notwendige Bedingung, um die Zukunft unseres Landes gestalten zu können.
Deswegen brauchen wir Zukunftsprojekte. Deswegen brauchen wir eine klare Ansage, wohin wir mit diesem Land steuern wollen. Was wird unser Land zukunftsfähig machen? - Dazu sagen wir Bündnisgrünen ganz klar: Wir müssen in Bildung investieren, wir müssen die Demokratie stärken
Wir müssen in Bildung investieren, weil Investitionen in Bildung Investitionen in die Zukunftschancen von Menschen sind. Das sind Investitionen in die Wirtschaftskraft von morgen. Das sind Investitionen in die Stabilität unserer Demokratie. Kurz: Das sind Investitionen in Gerechtigkeit.
Natürlich fängt die Bildung in den Kitas an. Und deswegen ist es ein richtiges Vorhaben, Kindern in unserer Gesellschaft nicht länger den Zugang zu den Kitas zu erschweren. Deswegen ist es richtig, dass wir endlich zurückkehren zum Ganztagsanspruch für alle Kinder.
Aber natürlich müssen wir gleichzeitig auch über die Qualität in den Kitas reden. Und in diesem Zusammenhang müssen wir über den Personalschlüssel reden. Der Personalschlüssel muss besser werden, als er im Moment ist. Dabei geht es nicht nur um die Vor- und Nachbereitungsstunden. Dabei geht es auch um die schlichten Gruppengrößen, mit denen die Erzieher und Erzieherinnen in den Kitas arbeiten müssen.
Wenn wir über Kitas reden, dann müssen wir auch über Haushaltswahrheit und -klarheit reden. Damit meine ich in diesem Fall das Prinzip der Konnexität. Jede Entscheidung, die wir hier treffen, wird zu mehr als der Hälfte am Ende in den kommunalen Haushalten landen. Deswegen müssen wir den Kommunen auch das Geld geben, das sie brauchen, um unsere Entscheidungen umzusetzen.
Wir haben Ihnen dazu einen Stufenplan vorgelegt. Anhand des Plans wird deutlich, wie wir mit der Verwirklichung des Ganztagsanspruchs im nächsten Jahr und gleichzeitig mit einer Verbesserung des Personalschlüssels anfangen können. Herr Barthel, wir müssen damit bei den unter Dreijährigen anfangen. Dabei steht nur Brandenburg schlechter da als wir. Es ist also höchste Zeit, dass wir anfangen, in diesem Bereich in Qualität zu investieren. Wir haben Ihnen hierzu Vorschläge gemacht.
Natürlich hört die Bildung bei den Kitas nicht auf, sondern geht in den Schulen weiter. Herr Bullerjahn, es ist falsch zu sagen, der Ausbau der Ganztagsschule komme nach den Entscheidungen zur Gemeinschaftsschule.
Wir wissen, wie die Ganztagsschule geht. Wir brauchen die Ganztagsschule und wir können morgen mit den Ganztagsschulen anfangen. Wir müs
sen dies auch tun, weil nur dies eine vernünftige Schulentwicklungsplanung ermöglicht, bei der man eben nicht nur auf die Demografie schaut, sondern eben auch darauf, welche Schulstandorte für die Inklusion und welche Schulstandorte für den Ausbau zu Ganztagsschulen geeignet sind.
Und wir müssen es heute tun; denn uns läuft sonst das Personal weg. Wir wissen doch, dass wir auf einen Lehrermangel zulaufen. Im Moment haben wir gut ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen, die zum Teil in andere Bundesländer gehen. Wenn wir diese nicht heute für den Ausbau der Ganztagsschule hier halten, dann werden wir morgen keine Ganztagsschulen schaffen können, weil wir keine Lehrer und keine Lehrerinnen haben.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Herr Borgwardt, CDU: Gehen denn im Westen Ganztagsschulen ohne Kitas?)
Der zweite zentrale Punkt für die Gestaltung unseres Landes ist für uns die Stärkung der Demokratie. Wir merken doch immer wieder, ob in Insel, in Dessau oder am letzten Wochenende in Magdeburg, dass die Neonazis nicht nachlassen in ihren Bemühungen,
Die letzte Wahl hat uns eine klare Hausaufgabe zur Zukunftsgestaltung unseres Landes mit auf den Weg gegeben. Wir haben 46 000 Menschen im Land - 46 000 Herzen, 46 000 Gehirne -, die wir für die Demokratie zurückgewinnen müssen.
Wir haben keinerlei Anlass, in unseren Bemühungen nachzulassen; denn es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass rechtsmotivierte Gewalttaten im Abnehmen begriffen sind. Und leider sind die Ergebnisse der Landtagswahlen nicht so, dass man sagen könnte, wir drängten den rechten Rand zurück.
Wir sind vielleicht bei der Sensibilisierung der Mitte der Gesellschaft für dieses Problem erfolgreich gewesen. Als wir auf die Meile der Demokratie gegangen sind, haben wir gesehen, wie breit gefächert und wie bunt der Anteil der Menschen ist, der dorthin geht, um ein Zeichen gegen die Nazis zu setzen. Aber ich glaube, beim Zurückdrängen des rechten Randes waren wir noch nicht erfolgreich.
Und was macht die Landesregierung? - Sie legt uns einen Haushalt vor, in dem die Mittel für die Bekämpfung des Rechtsextremismus um insgesamt mehr als 50 000 € gekürzt werden. Das geht nicht.
Wir müssen mehr Geld an die Initiativen, an die freien Träger ausreichen, die sich hier engagieren. Wir sagen, hierfür werden in diesem Jahr 3 Millionen € und im nächsten Jahr 5 Millionen € benötigt; denn wir müssen die Szenebeobachtung verstärken und wir müssen endlich mit der Umfeldberatung anfangen, mit der Arbeit mit den Familien, den Angehörigen dieser gefährdeten Jugendlichen. Wir brauchen von staatlichen Stellen unabhängige Aussteigerprogramme, um den jungen Menschen eine Brücke zurück in die Mitte der Gesellschaft zu bauen. Und wir müssen die Präventionsarbeit in diesem Bereich verstärken.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle auch den folgenden Satz: Hier und auch an anderen Stellen müssen wir die Menschen, die Gutes tun, auch tarifgerecht bezahlen. Wir können in diesem Bereich nicht länger auf Selbstausbeutung setzen.
Der dritte bündnisgrüne Baustein für die Zukunft unseres Landes ist die Erhaltung der Lebensgrundlagen. Hierbei geht es um Natura 2000. Das heißt, es geht darum, dass wir gefährdete Arten retten und deren Lebensräume erhalten. All das kostet Geld.
Die Europäische Kommission wird in dem Zeitraum 2013/2014 einen Bericht dazu von uns erwarten, was wir getan haben, um diese Lebensräume zu erhalten und um die gefährdeten Arten zu retten. Dafür brauchen wir kontinuierliche Beobachtungen. Wir brauchen Managementpläne, die uns fehlen. Diese müssen untersetzt werden mit Umsetzungsmöglichkeiten. All das kostet Geld. Dafür muss mehr Geld in den Haushaltsplan eingestellt werden.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen uns endlich von der Auffassung verabschieden, dass Natur- und Artenschutz, dass Natura 2000 Luxusmaßnahmen seien, die wir uns vielleicht in Zeiten guter Kassen leisten können, oder dass das gar Investitionshemmnisse seien. Nein, hier geht es um die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. Etwas anderes können wir uns gar nicht leisten.
Dazu gehört natürlich auch das Wasser. Wir haben eine Wasserrahmenrichtlinie. Diese verfolgt das Ziel, dass wir im Jahr 2015 unter chemischen und ökologischen Gesichtspunkten gute Fließgewässer haben. Dabei geht es um die Renaturierung von Fließgewässern, dabei geht es aber auch um die Verbesserung des Wasserrückhalts in der Landschaft. Damit haben Sie die direkte Brücke zum natürlich Hochwasserschutz, also zu einem aktuellen und brisanten Problem in Sachsen-Anhalt.
gute Wasserqualität im Jahr 2015 zu gewährleisten, nicht erreichen. Ich kann die Landesregierung nur auffordern, hierbei die anerkannten Naturschutzverbände mit ins Boot zu nehmen und auch deren Initiativen zu unterstützen; denn die Landesregierung allein wird das nicht stemmen können.
Ein letzter Punkt hierzu: Wir müssen in den Haushaltsplan auch mehr Geld für den Landesaktionsplan „Nachhaltigkeit lernen“ einstellen. Es ist gut, dass wir den haben. Die Umweltbildungszentren leisten hinsichtlich der Sensibilisierung für den Klimaschutz großartige Arbeit. Aber auch diese Arbeit müssen wir besser unterfüttern, als es im Haushaltsplan vorgesehen ist.
Natürlich stehen auch wir für die Konsolidierung des Haushaltes. Deswegen sind all unsere Vorschläge mit einer soliden Gegenfinanzierung versehen. Wir sagen an dieser Stelle sehr deutlich, dass wir in Köpfe und nicht in mehr Beton investieren wollen.
Lassen Sie mich noch etwas anderes ansprechen. Wenn man sich das Haushaltsgesetz ansieht, dann stellt man fest, dass hier sehr viel Kreativität darauf verwendet wurde, das Königsrecht des Landtages, nämlich das Haushaltsrecht, auszuhöhlen.
Es gibt mehrere Stellen. Es geht um die Übertragbarkeit von Hauptgruppen. Innerhalb der Einzelpläne sind nahezu alle Positionen gegeneinander verrechenbar. Es ist eine Umschichtung zwischen den operationellen Programmen von EFRE und ESF vorgesehen worden. All das möchte der Finanzminister ganz allein machen.