Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze. Es gibt einige Punkte, bezüglich deren wir uns vielleicht einig sind. Manches sehen wir aber auch unterschiedlich. Richtig ist aber: Wir alle, alle Demokratinnen und Demokraten, sind gefordert, darauf hinzuwirken, dass fremdenfeindliches Gedankengut in der Mitte unserer Gesellschaft nicht Fuß fassen kann.
Die Landesregierung setzt sich entschieden für ein tolerantes, respektvolles und gleichberechtigtes Miteinander aller Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt ein. Jegliche Ausgrenzung von Minder
heiten und Rassismus im Alltag lehnen wir eindeutig ab. Für uns sind die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Universalität der Menschenrechte die Grundlage unseres Handelns.
Wir haben uns am Anfang, als wir uns vorbereitet haben, auch überlegt, dass dies eine Querschnittsaufgabe für alle Ministerien ist. Ich glaube, dieser Aufgabe nehmen sich auch alle Ministerien an, ob Wissenschaft, Hochschule oder Wirtschaft, auch Bauen und Wohnen. Es liegt eigentlich auf der Hand, dass das alles mit diesem Thema zu tun hat. Deshalb haben wir uns überlegt gehabt, ob wir nicht die Rede teilen können. Dann hätten aber viele gesagt: Wieso reden jetzt alle oder nur zwei? Deshalb spreche ich jetzt für alle Kabinettsmitglieder.
Natürlich ist es ganz besonders im Innenministerium mit verankert, weil dort auch die ausländerrechtlichen Behörden sind, das NPD-Verbot betrieben wird und andere Querschnittsaufgaben laufen. Ich denke, das wird der Kollege Stahlknecht intensiv tun. Das hat er auch in Halle deutlich gesagt.
Es läuft ebenso beim Kultusminister. Gerade bei den jüngeren Wählern - die Umfragen haben ja gezeigt, dass der Anteil der Jüngeren, die rechtsextreme Parteien wählen, relativ hoch ist - ist es ein Auftrag der Bildung, frühkindlicher, aber erst recht schulischer und außerschulischer Bildung, darauf Einfluss zu nehmen.
Vielleicht sollten wir uns nicht darüber streiten, ob es diesbezüglich Urheberrechte gibt, wer zuerst ein Landesprogramm fordert und ob das hier heute geschehen soll. Es steht im Koalitionsvertrag. Vielleicht gab es schon Vorgänger, die das gefordert haben. Wir wollen jedenfalls ein Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit verankern. Hier besteht, glaube ich, grundlegende Übereinstimmung zwischen der Landesregierung und den Anträgen von den LINKEN und von den GRÜNEN.
Die bisherigen Erfahrungen lehren, dass eine lebendige Demokratie und die aktive demokratische Partizipation der Bürgerinnen und Bürger die beste Gewähr gegen menschenverachtende Ideologien sind. Dort, wo sich die Menschen zu Hause fühlen, mitreden und ihr Gemeinwesen aktiv mitgestalten - meistens auch vor Ort; da finde ich die kommunale Ebene besonders wichtig -, haben rechtsextreme Ideologien keine Anziehungskraft. Hier wollen wir mit dem Landesprogramm ansetzen.
Wir fangen in Sachsen-Anhalt übrigens nicht bei Null an. Es hat sich in den letzten Jahren ein breites Spektrum an Ansätzen der Prävention und Intervention gegen Rechtsextremismus gebildet. Im Netzwerk für Demokratie und Toleranz arbeiten seit dessen Gründung im Jahr 2005 inzwischen mehr als 230 Vereine und Verbände, um gemein
sam für eine demokratische Kultur in unserem Land für ein demokratisches Sachsen-Anhalt zu streiten, beispielsweise mit solchen Initiativen wie „Hingucken! Einmischen! - für ein weltoffenes und tolerantes Sachsen-Anhalt“.
Da gibt es lokale Bündnisse und Initiativen vor Ort in den Kommunen. Es gibt vielfältige Aufklärungsveranstaltungen, auf denen über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit informiert wird, das alles zur Stärkung der demokratischen Kultur und auch der interkulturellen Kompetenzen, die wir brauchen.
Was ich besonders wichtig finde, ist das Schulnetzwerk „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Darin sind 61 Schulen, mittlerweile auch schon vier Grundschulen - man kann also nicht früh genug anfangen -, die sich das auf die Fahnen schreiben. In dem Netzwerk denken Schülerinnen und Schüler aktiv darüber nach, wie sie das Miteinander, auch das Miteinander mit denen, die in ihrer Schule sind und einen Migrationshintergrund haben, gestalten können.
Es ist also schon ein vielfältiges Bündnis von Beratungs- und Unterstützungsnetzwerken entstanden. Auch die regionalen Beratungsdienste und Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus unterstützen die Akteure vor Ort in ihren Möglichkeiten.
Die vielfältige Arbeit von Kommunen, Vereinen und Verbänden hat die demokratischen Strukturen in Sachsen-Anhalt gestärkt. Die jüngsten erfolgreichen Bürgerproteste haben dazu beigetragen, dass Neonazis ihre Aufmärsche nicht mehr ungehindert abhalten können. Deshalb finde ich die Aktion „Meile der Demokratie“ in Magdeburg sehr gelungen, die sich hinsichtlich der hier angebotenen vielen Aktivitäten von Jahr zu Jahr verbessert. Ich finde es auch wichtig, dass das Datum der Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg nicht umgedeutet werden kann.
Ich finde, auch der starke Protest am 1. Mai 2011 in Halle war ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass die Rechtsextremen nicht einfach frei durch die Stadt marschieren können. Natürlich kann der Protest noch wesentlich stärker sein, aber ich finde es klasse von denjenigen, die da waren.
Auch Vertreter der Landesregierung, der verschiedene Bündnisse und der Parteien waren da. Wir konnten am Ende nicht verhindern, dass die Rechtsextremen durch die Stadt marschieren; das war schade. Aber sie konnten zumindest nicht ihren Weg durchsetzen, den sie sich vorgenommen hatten.
Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern hat die aktive Unterstützung dessen zugenommen und auch der Mut, dabei mitzumachen. Allerdings bin ich der Überzeugung, dass viele verunsichert sind; denn
natürlich machen Fremde jedem von uns auch Angst. Aber das, was man von den Rechtsextremen hört, die Bedrohungen: Wir kriegen euch alle! Ihr seid irgendwann einmal dran! - das haben dort viele mitbekommen - machen auch Angst.
Deshalb kann ich es ein Stück weit verstehen, dass gehöriger Mut dazugehört, auf die Straße zu gehen, sich dem entgegenzustellen und Gesicht zu zeigen. Ich glaube, das sollten wir auch gemeinsam tun und von hier aus unterstützen.
Die Landesregierung wird ihre Aktivitäten in der neuen Legislaturperiode in einem Landesprogramm zusammenführen, also bündeln. Schwerpunkt soll die Stärkung der Zivilgesellschaft sein.
Ich nenne einmal die vier zentralen Handlungsfelder: die Förderung der aktiven Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am demokratischen Gemeinwesen; die Vermittlung humanitärer und demokratischer Grundwerte in Kindereinrichtungen, in Schulen und in der Jugendarbeit; die Vernetzung und Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements und die Fortführung der bewährten Beratungsdienste für lokale Akteure und für die Opfer rechter Gewalt.
Die bisherigen Erfahrungen, die wir damit gesammelt haben, sind positiv. Wenn wir sie bündeln und weiterentwickeln, damit die Demokratie wirklich zur Querschnittsaufgabe aller Ressorts wird und all derjenigen, die in diesem Land in Wirtschaft, Kirchen und Verwaltungen Verantwortung tragen, dann werden wir die Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben, nämlich die Förderung der Demokratie und die Bekämpfung von Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, immer besser erfüllen können.
Ich glaube aber, dass es dennoch eine dauerhafte Aufgabe auch über die Wahlperiode hinaus bleiben wird. Denn die Versuchung rechtsextremistischen oder nationalistischen Gedankenguts, die wir auch in anderen Ländern Europas wiederfinden, ist eine Herausforderung, der wir auch in Zukunft immer werden begegnen müssen.
Die Demokratie lebt vom Engagement der Demokratinnen und Demokraten. Deshalb bitte ich Sie, so weiterzumachen, wie wir es bisher getan haben: Die Landesregierung und der Landtag sowie die Fraktionen des Landtags übernehmen gemeinsam Verantwortung, sind gemeinsam stark, stehen zusammen, um deutlich das Zeichen zu setzen, dass wir uns für Demokratie und für ein tolerantes und offenes Land einsetzen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt hätte der Kollege Herr Gallert Gelegenheit, seine Frage zu stellen, sofern Sie sie beantworten wollen.
Herr Bischoff, es ist weniger eine Frage als vielmehr eine Bitte. Ich habe mich gemeldet, weil Sie zu den Kollegen aus der GRÜNEN-Fraktion gesagt haben: Wir sollten uns in diesem Haus nicht in einen Wettbewerb begeben, wer sozusagen der bessere Demokrat in der Auseinandersetzung mit denjenigen ist, die Demokratie bekämpfen.
Man kann an dieser Stelle geteilter Meinung sein, ob man nicht in einen Wettbewerb um die bessere Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus treten sollte.
Aber wenn Sie diese Auffassung wirklich haben, dann kann ich Sie nur bitten - Sie sprechen hier als Vertreter der Koalition -: Versuchen Sie diese Position einmal in die eigene Koalition einzubringen und dafür Mehrheiten zu finden. Das ist ein hartes Stück Arbeit. Dafür wünsche ich Ihnen viel Erfolg.
Herr Gallert, das ist richtig. Das gilt übrigens nicht nur für die Koalition, sondern auch für die eigene Partei. Das, was wir in den letzten Wochen in Bezug auf Sarrazin erlebt haben, ist ja auch eine Auseinandersetzung, die wir unter uns führen.
Ich bin davon überzeugt, dass es solche Auseinandersetzungen in fast jeder Partei gibt, aber ich sage einmal für uns: Das ist eine Auseinandersetzung, die wir unter uns führen müssen. Ich glaube, niemand von uns kann sagen, es gäbe keinen Bedarf dafür, uns gegenseitig stark zu machen und andere mitzunehmen, die noch nicht so weit sind.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 17. März 2011 schrieb die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung Anetta Kahane einen Kommentar für den „Tagesspiegel“ unter dem Titel: „NPD im Landtag: Störfall der Demokratie?“, aus dem ich den ersten Absatz zitieren möchte:
„An den Laternenpfählen der Ausfallstraßen in Sachsen-Anhalts Städten hängen Kolonnen von NPD-Plakaten. Das gleiche Bild in den Dörfern. Dort, wo die demokratischen Parteien eine Wählermobilisierung für ‚nicht lohnend’ halten, hat sich die NPD eine
Schneise durch das Nichts geklebt. Am Sonntag wird im Land der Frühaufsteher gewählt und womöglich zieht die NPD in den Landtag ein. Nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern wäre sie dann im dritten Landtag vertreten. Ein halbes Prozent mehr oder weniger entscheidet darüber, wie die Öffentlichkeit außerhalb Sachsen-Anhalts wahrnimmt, dass sich die Nazis in der Bundesrepublik im Alltag festgebissen haben. Wenn die NPD über die 5 % kommt,“
„ist das dann nur ein lästiger Störfall, der zur ostdeutschen Folklore gehört, oder doch die beginnende Kernschmelze?“
Wir wissen heute, dass ein halbes Prozent den Einzug der NPD in unseren Landtag verhindert hat. Es herrscht bei vielen, auch unter uns, Schulterklopfen. Viele haben mir gesagt: Na, da habt ihr aber dramatisiert; ist doch alles gut gegangen. Die Nazis hätten in Sachsen-Anhalt nicht das Potenzial und nicht die Wählerschaft. Ich habe sogar gehört, Sachsen-Anhalt sei geläutert; es habe aus seiner Geschichte gelernt; denn die Wählerinnen und Wähler hätten die DVU im Landtag erlebt.
Ich bin der festen Überzeugung und weiß, dass das auch die feste Überzeugung der SPD-Fraktion ist: Wir haben außerordentliches Glück gehabt.
Mit dem Nichteinzug in den Landtag fehlt es der NPD nun vor allem an Geld, aber nicht an Anhängern, um ihre Strukturen weiter auszubauen. Die Gefahr für unsere Demokratie ist nicht gebannt - das haben meine Vorredner schon gesagt.
Die NPD ist keine bürgerliche Protestpartei, die in Krisenzeiten saisonweise mit islam- und ausländerfeindlichen Parolen absahnt. Der NPD geht es nicht nur um Stimmungen, aber sie macht sich das Klima in Sachsen-Anhalt wie in anderen Regionen Deutschlands zu eigen, wo trotz wirtschaftlichen Wachstums aggressive Abwehr gegen Einwanderer, Alternative und andere Minderheiten herrscht. Sie ist eine Nazipartei, die es ernst meint. Deshalb ist die Festlegung in unserem Koalitionsvertrag nicht nur richtig, sondern geboten, einen Antrag des Bundesrates für ein NPD-Verbot zu unterstützen.
Genauso geboten ist ein Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit. Ich möchte auf einen wichtigen Aspekt in unserem Koalitionsvertrag näher eingehen, von dem ich hoffe, dass er unter dem Dach eines Landesprogramms nachhaltig und konzeptionell weiterentwickelt wird. Mir geht es um den Aspekt der demokratischen Werte
Unser früherer Vizepräsident des Landtages Dr. Rüdiger Fikentscher hat in seinen Debattenbeiträgen immer wieder gesagt: Ein guter Demokrat ist nicht anfällig für die braune Brut; er durchschaut die demagogischen Versuche sofort!
Wie ist es um unsere Demokratiebildung im Land bestellt? Haben wir als Landtagsabgeordnete und Mitglieder in demokratischen Parteien nicht nur den Auftrag zu erfüllen, ein Landesprogramm zu etablieren? Müssten wir nicht Teil von ihm sein, es mitgestalten?