Wie ist es um unsere Demokratiebildung im Land bestellt? Haben wir als Landtagsabgeordnete und Mitglieder in demokratischen Parteien nicht nur den Auftrag zu erfüllen, ein Landesprogramm zu etablieren? Müssten wir nicht Teil von ihm sein, es mitgestalten?
Wir finden uns auf Anti-Nazi-Demos wieder, wir engagieren uns in Bürgerbündnissen, wir werben in öffentlichen Aufrufen für Demokratie und Toleranz, aber aus einem wichtigen Bereich werden wir völlig herausgehalten - und das haben wir bislang auch mehr oder weniger akzeptiert -, nämlich aus der Demokratiebildung in Schulen und Verbänden. Wer, wenn nicht wir als Landtagsabgeordnete, sollte junge Menschen für unser Gemeinwesen begeistern?
Die Juniorwahl in Sachsen-Anhalt hat ein erschreckendes Ergebnis von 11,4 % für die NPD gebracht. An der Maxim-Gorki-Sekundarschule in meiner Stadt, nämlich in Schönebeck, waren es sogar 26,3 %, obwohl das eine Schule ist, die sich dazu bekennt, gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zu sein. Heute war eine Schulklasse, die sich an der Juniorwahl beteiligt hat, hier im Landtag. Ich meine, wir brauchen neue Formen der Demokratiebildung und wir brauchen dazu eine Öffnung der Schulen.
Das sollte uns allen ein Auftrag auch mit Blick auf das Landesprogramm sein, insbesondere auch die Schulen für neue Formen der Demokratiebildung zu öffnen, verbunden mit der eindringlichen Bitte - ich habe es mehrere Jahre lang erlebt -, uns, die Abgeordneten, mithelfen zu lassen und dabei den Lehrerinnen und Lehrern die Angst zu nehmen, sie würden damit nur Parteipolitik unterstützen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Frau Tiedge erneut das Wort. Bitte schön.
darauf hin, dass das Thema ein ressortübergreifendes Thema sei. Dem können wir nur zustimmen. Ich glaube, ich habe das in meinem Redebeitrag auch gesagt. Umso mehr hätten wir erwartet, dass dazu der Ministerpräsident spricht, auch wegen der Bedeutung des Themas.
Herr Bischoff, Sie sprachen auch an, dass wir untereinander nicht in einen Wettbewerb darüber treten sollten, wer der bessere Kämpfer gegen den Rechtsextremismus ist. Nein, wir sollten es gemeinsam tun; das ist richtig. Aber ich kann mir den einen Hinweis nicht verkneifen: Das Papier der CDU des Landes Sachsen-Anhalt zum Linksextremismus ist keine Grundlage für ein gemeinsames Agieren gegen den Rechtsextremismus.
Menschenwürde und Menschenrechte sind nicht einfach gegeben, sondern sie sind stets gefährdet und bedürfen, sollen sie mehr sein als leere Versprechungen, der dauerhaften Anstrengung aller, der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Politik.
Massive Gefahren für Menschenwürde und Menschenrechte gehen heute von rechtsextremen Kräften im Land aus. Diese lehnen diese Grundnormen nicht nur ideologisch ab, sondern sie handeln auch danach.
Die Angriffe der Rechtsextremen höhlen nicht nur das staatliche Schutz- und Sicherheitsversprechen aus und beschädigen damit die Institution des Rechtsstaates, sondern sie gelten in erster Linie sozialen Gruppen, die ohnehin gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren und des besonderen staatlichen Schutzes sowie der aktiven Solidarität der Bürgerschaft bedürfen. Fast täglich werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres religiösen Bekenntnisses, ihrer Weltanschauung, ihrer politischen Überzeugung oder schlicht aufgrund ihres Andersseins oder Anderslebens zu Opfern von Angriffen.
Kurz nach der Landtagswahl gab es eine Mitteilung, nach der entgegen dem Bundestrend die Zahl der Rechtsextremen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 gestiegen sei. Ein Trend, der sich letztendlich in dem Wahlergebnis der NPD widerspiegelt. Nach wie vor zeichnet sich rechte Gewalt durch eine besondere Brutalität aus. So sind seit 1990 bundesweit 47 Mordopfer rechter Gewalt zu beklagen.
Die mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt registrierte 106 politisch motivierte Straftaten der Rechtsextremen. Dabei hob sie in ihrem Bericht vor allem hervor, dass die Zahl der rassistischen Gewalttaten besorgniserregend angestiegen sei. Umso wichtiger wird es sein, dass gerade diese Beratungsstellen nicht in ihrer Exis
Ihre Arbeit kann nicht stark genug gewürdigt werden. Das Gleiche gilt für alle in den letzten Jahren gebildeten Strukturen gegen den Rechtsextremismus, die mobilen Beratungsteams, die kommunalen Netzwerkstellen und vor allem den Verein „Miteinander“.
Hervorheben möchten wir an dieser Stelle auch die Initiative der Landeszentrale für politische Bildung „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Schüler werden auf diese Weise angeregt, sich kritisch mit Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit auseinanderzusetzen. Es gibt also erste Ansätze. Aber es gilt, all diese Bemühungen zu bündeln, auszubauen, zu konkretisieren und vor allem auch zu finanzieren.
Meine Damen und Herren! Zu dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD. Es hätte diesem Hohen Hause gut zu Gesicht gestanden, wenn auch die Koalitionsfraktionen gerade bei diesem wichtigen Thema einmal über ihren Schatten gesprungen wären und unserem Antrag und dem der GRÜNEN zugestimmt hätten.
Wenn wir die Inhalte miteinander vergleichen, ist festzustellen, dass sie gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Dass die Koalitionsfraktionen nicht ohne den Begriff Extremismus auskommen, das sind wir gewöhnt, damit leben wir mittlerweile. Aber es wäre in diesem Fall, wie gesagt, ein Zustimmung zu unserem Antrag möglich gewesen. Es hätte uns allen sehr gut zu Gesicht gestanden.
Der größte Kritikpunkt von unserer Seite an ihrem Änderungsantrag ist jedoch, dass dieses Landesprogramm ohne Beteiligung des Landtages erstellt werden soll. Warum sollen die Politiker, diejenigen, die bei diesem so wichtigen Thema Verantwortung in diesem Land tragen, außen vor gelassen werden, wenn es darum geht, was in ein Landesprogramm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus hineingeschrieben werden soll? Wir wollen einbezogen werden. Ja, wir müssen einbezogen werden. Deshalb reicht uns eine Berichterstattung in den Ausschüssen auf keinen Fall aus.
Auch die ungenaue Begrenzung des Zeitraums, in dem das Landesprogramm geschrieben werden soll, halten wir nicht für tragbar. Eine Konkretisierung wäre auf jeden Fall notwendig gewesen.
Wir werden deshalb dem Änderungsantrag nicht zustimmen. Bei der Endabstimmung werden wir uns überwiegend der Stimme enthalten.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In Sachsen-Anhalt wurde am 23. Mai 2005, also vor fast genau sechs Jahren, das Netzwerk für Demokratie und Toleranz gegründet. Die Schirmherrschaft übernahmen seinerzeit der damalige Landtagspräsident Professor Dr. Spotka und der damalige Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer. Nach der Landtagswahl im Jahr 2006 wurde die Schirmherrschaft von dem Landtagspräsidenten Dieter Steinecke und wiederum von dem Ministerpräsidenten Professor Dr. Wolfgang Böhmer weitergeführt und mit Leben erfüllt.
Als Gründungsmitglied dieses Netzwerks - damals war ich noch nicht einmal Mitglied des Landtages - und auch in anderen Funktionen auf verschiedenen politischen Ebenen habe ich die zahlreichen Aktivitäten zur Stärkung von Demokratie und Toleranz in unserem Land verfolgen dürfen. Etliche dieser Aktivitäten sind von meinen Vorrednern bereits benannt worden.
Viele Menschen und Institutionen haben sich zu den Zielen bekannt, die anlässlich der Netzwerkgründung formuliert worden sind. Ich möchte kurz daraus zitieren:
„Die Demokratie ist Grundlage unserer politischen und gesellschaftlichen Ordnung. Toleranz gegenüber Menschen und Meinungen ist ein wesentliches Merkmal unserer Demokratie. Extremismen, Ideologien und Aktionen, die sich gegen grundlegende Werte und Verfahrensregeln unserer Gesellschaft richten, müssen abgelehnt werden.“
Aus genau diesem Grund, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, bin ich sehr froh, heute hier in diesem Hohen Hause zu den vorliegenden Anträgen sprechen zu dürfen. Uns alle eint die Ablehnung undemokratischer Verhaltensweisen, die Ablehnung von Gewalt sowie der Wunsch, die Demokratie als Regierungsform zu erhalten und zu stärken.
Dass wir auf dem Boden der ehemaligen DDR in diesem Parlament überhaupt über dieses für die Menschenwürde jedes Einzelnen so wichtige Thema diskutieren können und dürfen, meine Damen und Herren, ist für sich genommen schon ein hohes Gut.
Dass die Wählerinnen und Wähler unseres Bundeslandes Sachsen-Anhalt mündige Bürgerinnen und Bürger sind, zeigt sich gerade auch in ihrem Stimmverhalten, mit dem sie den Einzug der NPD in unser Parlament verhindert haben. Minister Bischoff ist darauf eingegangen. Jeder Einzelne von uns wird die Bürgerinnen und Bürger im Wahlkampf darauf aufmerksam gemacht haben, wie wichtig es ist, das Wahlrecht wahrzunehmen.
Die vielen Bürgerinnen und Bürger, die in unserem Land öffentlich gegen Rechtsextremismus auftreten, beweisen, dass in unserer Gesellschaft die Bereitschaft besteht, wach und mutig zu sein und solche Tendenzen nicht zu dulden, auch wenn man häufig angsterfüllt ist. Auch darauf hat Minister Bischoff hingewiesen.
Jedoch dürfen wir, meine Damen und Herren Abgeordneten, nicht die Augen davor verschließen, dass das Wohlergehen und die Sicherheit der Menschen, die in unserem Bundesland leben, nicht nur durch Rechtsextremismus gefährdet sind.
Ich selbst habe mich in Wernigerode schon bei einem „Kehraus“ des Bürgerbündnisses, das sich das Motto „Augen gegen Gewalt“ gegeben hat, gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten befunden, wo die Gewaltbereitschaft von Anhängern der linksextremen Szene ebenso bedrohlich wie angst- und furchteinflößend war. Jede Art von Gewaltbereitschaft und Intoleranz, die sich gegen die Menschenwürde richtet oder die Menschen wegen ihrer vermeintlichen Andersartigkeit bedroht, ist von uns allen hier im Hohen Hause schärfstens abzulehnen.
Dazu gehört Rechtsextremismus genauso wie Linksextremismus. Dazu gehört auch jede Form von politischem wie auch religiösem Extremismus.
Es ist daher von uns allen hier im Hohen Hause zu begrüßen, dass sich die neue Landesregierung in ihrem und unserem Koalitionsvertrag die Verpflichtung auferlegt hat, ein Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit aufzulegen. Sie knüpft damit nahtlos an den von mir genannten Gründungsgedanken des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz in Sachsen-Anhalt an.
Die Stärkung der Demokratie durch aktive Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger, das entschlossene Auftreten gegenüber demokratie- und verfassungsfeindlichen Tendenzen und Aktivitäten, die Vernetzung bürgerschaftlichen Engagements und politischer Bildung - all dies wird die Aufgabe des Landesprogramms sein, an dem wir uns als Parlamentarier geschlossen und aktiv beteiligen sollten.
ken, muss unser Hauptanliegen sein. Die Sichtung, die Bündelung und in erster Linie auch die Weiterentwicklung der bisherigen erfolgreichen Ansätze gegen Extremismus und insbesondere gegen Rechtsextremismus sowie die Abstimmung ressortübergreifender Maßnahmen werden im Mittelpunkt der Arbeit stehen müssen.
Daher erfasst Punkt 4 unseres Änderungsantrages auch die Berichterstattung in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales, für Bildung und Kultur sowie für Inneres. Die erste Berichterstattung sollte aus meiner Sicht recht zeitnah erfolgen und das Augenmerk vor allem auf die bewährten Beratungsdienste für die Opfer rechter Gewalt richten, wie in Punkt 3 benannt.
Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Kräften in unserem Bundesland und auch darüber hinaus sowie unser gemeinsames bürgerschaftliches Engagement in all den Fällen, in denen wir auch als Abgeordnete auf den Straßen und Plätzen diesen Tendenzen entgegentreten wollen und müssen, wird weiterhin erforderlich sein.