Demokratie ermöglichen, indem es mehr und bessere Angebote zur Beteiligung an politischen und gesellschaftlichen Prozessen macht. Die Menschen hier wollen nicht mehr nur Zuschauer sein. Sie wollen auch selbst Verantwortung übernehmen und sich jenseits von Parteien in die Gestaltung ihrer ureigensten Verhältnisse einbringen.
Unser Antrag zielt auf ein Landesprogramm für Demokratie, gegen Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ab. Wir wissen, diese Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gibt es quer durch alle Parteien und quer durch alle Gruppen in diesem Land, ob das die LINKE ist, ob das die GRÜNEN sind, ob es die CDU oder die SPD sind, ob das Sportvereine, freiwillige Feuerwehren oder was auch immer sind. Das ist ein Thema für uns alle.
Weil uns die Demokratie etwas Wert ist, wollen wir mit den Initiativen, Verbänden und Vereinen gemeinsam ein dauerhaftes und bedarfsgerecht ausfinanziertes Landesprogramm zivilgesellschaftlicher Prägung schaffen. Uns treibt dabei weniger die Imagepflege als vielmehr unsere Sorge um die Demokratie und um die Menschenrechte. Sie gilt allen, denen Neonazis nach dem Leben und nach der Gesundheit trachten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, Ihr vorliegender Änderungsantrag zu unserem Antrag ist, gelinde gesagt, eine Zumutung. Sie haben, weil Sie es wegen erwartbar schlechter Presse offenbar nicht übers Herz bringen, unseren Antrag für mehr Demokratie abzulehnen, einige Tage gezögert und nun ein politisches Kuckucksei in die Welt gesetzt. Sie loten - auch das darf ich an dieser Stelle sagen - den Spielraum, den die Geschäftsordnung für Änderungsanträge lässt, sehr weit aus. Faktisch haben Sie uns einen Alternativantrag vorgelegt. Das ist Konfliktvermeidung, führt aber letztlich nicht dazu, dass dem Problem angemessen begegnet wird.
Sie mögen sich also gemüht haben, aber dieses Danaergeschenk werden wir Ihnen nicht abnehmen. Eine Verschiebung der Aktivitäten zur Stärkung der Demokratie auf den Sankt-NimmerleinsTag bzw. - das ist ein Zitat aus Ihrem Antrag - zu gegebener Zeit werden Sie mit uns nicht hinbekommen.
Sie wollen offenbar auch keine Mitbestimmung des Landtags, wenn Sie nur informieren wollen und nur Bericht erstatten wollen. Ihren Vorstoß zum NPDVerbot sehen wir skeptisch, weil Parteienverbote in der Auseinadersetzung mit Neonazis definitiv nicht hinreichend sind.
Dass nun auch die sachsen-anhaltische Sozialdemokratie unter die Extremistenjäger gegangen ist, nehmen wir GRÜNEN mit Kopfschütteln zur Kenntnis. Aber am Ende ist das wahrscheinlich irgendwie zwangsläufig. Denn auch an anderer Stelle liest sich der Koalitionsvertrag Ihrer beiden Parteien wie ein vorweggenommener Beitritt der SPD zum konservativen Hoheitsgebiet.
(Oh! bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung von Herrn Scheurell, CDU - Zurufe von der CDU und von der SPD)
- Ich sehe, die konservative Fraktion quittiert es mit Applaus. Okay. Meine Damen und Herren! Uns geht es um die Demokratie. Anträge gegen Extremismus sind mit uns nicht zu machen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Striegel. - Wir treten in die Debatte zu beiden Anträgen ein. Wir haben eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion. Als nächstes hat die SPD-Fraktion das Wort. Es spricht die Abgeordnete Frau Grimm-Benne.
- Entschuldigung. Ich habe die Landesregierung vergessen. Die sehe ich nicht. - Jetzt sehe ich sie. Es spricht für die Landesregierung Herr Minister Bischoff. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident. ich dachte schon, die Aussage, es kann nicht so weitergehen wie bisher, träfe jetzt auch auf das Verhältnis von Landtag und Landesregierung zu. Aber da bleiben wir beim alten Verhalten.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Fangen wir mit dem Satz an, Herr Striegel: Unsere Demokratie lebt von der Achtung der Menschenwürde, dem Respekt gegenüber Andersdenkenden und der Wertschätzung für die Vielfalt der Kulturen und Weltanschauungen. Ich bin am Ende Ihrer Rede; ich habe sie gut verfolgt. Ich fand es gut, dass sich die demokratischen Parteien auch im Landtag in den letzten Jahren darin einig waren, gerade wenn es um Extremismus und Rechtsextremismus im Besonderen ging.
Diese Gemeinsamkeit würde ich überhaupt nicht aufs Spiel setzen. Ich finde auch - das darf ich sagen -, der respektvolle Umgang miteinander verbietet es nicht, dass wir unterschiedliche Akzente setzen. Das halte ich für richtig auch aufgrund der
Herkunft. Aber zu sagen: „Das glaube ich euch nicht“, oder: „Das geht mir nicht weit genug“, halte ich für gefährlich, wenn wir in einen Wettstreit darüber eintreten, wer die besseren Demokraten im Landtag sind.
Ich glaube, dann würden wir genau in die Falle laufen und dann freuen sich genau diejenigen, gegen die wir uns zur Wehr setzen. - Aber ich glaube, das haben Sie auch nicht so gemeint.
Deshalb wollte ich es auch einfach nur so gesagt haben. Da kenne ich Sie aus anderen Debatten und ähnlichen Dingen auch.
Ich finde, jede Form des politischen und religiösen Extremismus stellt diese Grundlagen des demokratischen Zusammenlebens infrage. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt bekennt sich daher zu der gemeinsamen Aufgabe von Politik und Gesellschaft, die Demokratie durch aktive Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und die Vielfalt unseres Landes zu nutzen, um demokratiefeindlichen Aktivitäten entschlossen entgegenzutreten.
Wenn am 20. März - es wurde schon von Frau Tiedge und von Ihnen erwähnt - weniger Menschen zur Wahl gegangen wären, würden uns heute - das ist für mich klar; ich habe das ja von 1998 bis 2002 miterlebt, viele andere in diesem Hohen Hause übrigens auch - bereits zahlreiche Propagandaanträge der NPD vorliegen und wir müssten es ertragen, wie die NPD den Landtag als Bühne für ihre menschenverachtende Ideologie, ihre Hetze gegen Minderheiten, ihre rassistische Panikmache oder - -
(Herr Gallert, DIE LINKE: Nein, ich habe mich nur mit einer Hand gemeldet! - Heiterkeit bei der LINKEN)
(Frau Bull, DIE LINKE: Mit zwei Händen! - Herr Gallert, DIE LINKE: Nein! - Zurufe von der CDU - Herr Gürth, CDU: Es könnte auch mit zwei Händen gewesen sein! - Herr Gal- lert, DIE LINKE: Ich weiß nicht, ob Sie mich doppelt zählen, aber ich habe mich nur mit einer Hand gemeldet! - Frau Bull, DIE LINKE, lacht - Oh! bei der CDU)
Ich weiß den Unterschied jetzt zwar schon wieder nicht, was am Ende und was mittendrin ist, aber okay.
(Herr Borgwardt, CDU: Norbert, das ist das Neue hier! - Heiterkeit bei der LINKEN - Frau Budde, SPD, lacht - Zuruf von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)
- Okay. - Also, wenn die NPD hier im Landtag gewesen wäre - es haben alle richtig gesagt: es war hauchdünn -, hätten wir hier fünf Jahre etwas erlebt, was uns in den vier Jahren DVU schon gereicht hat. Wir hätten uns eine Schlacht liefern müssen und hätten nur wenige, nur begrenzte Möglichkeiten gehabt, uns dagegen zur Wehr zu setzen. Das wäre ein Alptraum der Demokratie gewesen.
Deshalb teile ich die Auffassung mit Ihnen: Wir sind unendlich froh und dankbar, dass es uns aufgrund des Engagements der Bürgerinnen und Bürger, der Initiativen und Vereine sowie der demokratischen Parteien gemeinsam gelungen ist, dies zu verhindern.
Es ist auch gut zu wissen, dass viele Bürgerinnen und Bürger am 20. März auch deshalb zur Wahl gegangen sind, weil sie verhindern wollten, dass unserem Land und unserer Demokratie durch den Einzug der Rechtsextremen in den Landtag schwerer Schaden zugefügt wird. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt haben damit ein deutliches Bekenntnis zur Demokratie abgelegt und haben uns natürlich einen Auftrag gegeben.
Ich sage das deshalb, weil ich immer das Positive in den Vordergrund stellen würde. Ich glaube, diejenigen, die sich engagieren und die das weitertragen, muss man mehr unterstützen, weil man dann andere mitnehmen kann, anstatt auf die Defizite hinzuweisen. Dafür, dass natürlich auch viele Menschen zu Hause bleiben und ihre Wahlmöglichkeit nicht in Anspruch nehmen, sind die Ursachen sicher vielfältig.
Ich habe übrigens auch keinen Zweifel daran, dass die NPD eine verfassungswidrige Partei ist, auch wenn sie kurz vor Wahlen immer besonders bemüht ist, ihre Ziele und Methoden zu verschleiern.
Deshalb ist sich die Landesregierung einig darin - das hat der Innenminister hier auch deutlich gesagt -, dass wir einen aussichtsreichen Antrag des Bundesrates für ein NPD-Verbot unterstützen werden. Der Innenminister hat bereits die Vorbereitung der dazu notwendigen Prüfungen und Abstimmungen mit den anderen Bundesländern veranlasst. Ein Verbot der rechtsextremen NPD wäre ein klares Signal für eine eindeutige Grenzziehung gegenüber rassistischen und antidemokratischen Bestrebungen.
Ein persönlicher Einschub von mir: Ich kommen nachher noch kurz auf Halle zu sprechen. Wir - vielleicht auch wir Parlamentarier - haben ja immer wenig Gelegenheit, solche Kundgebungen von Neonazis einmal unmittelbar zu verfolgen, weil der Abstand immer groß gehalten wird. Das halte ich eigentlich auch für richtig, um sich zu schützen und weitere Eskalationen zu vermeiden.
Wenn man aber als einer, der lange im Landtag ist, manche Ausdrücke und manche Hasstiraden dort hört, bleibt einem der Mund offen stehen, wenn man bedenkt, dass es möglich ist, sich in unserer Gesellschaft so auszudrücken, wie die das dort gemacht haben, und Dinge zu vertreten, von denen ich glaube, dass sie schon hart an der Grenze zu Rassismus und Neonazismus sind, was wir schon mal hatten.
Das ist in unserer Gesellschaft wahrscheinlich vom Grundgesetz her noch durch die Meinungsfreiheit geschützt. Aber es ist hart an der Grenze. Man kommt an den Rand des Erträglichen, wenn man in die Situation gerät, dem zuhören zu müssen. Manchmal war ich dann froh, dass es zwischenzeitlich auch ein bisschen weiter weg war.
Obgleich es uns gelungen ist - darin gebe ich Ihnen auch Recht -, den Landtagseinzug der NPD zu verhindern, besteht zur Entwarnung kein Anlass.
Wir haben in Sachsen-Anhalt nach wie vor eine hohe Zahl an Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund. Diese Übergriffe auf Menschen - häufig nur aufgrund ihres Andersseins - verursachen viel Leid, wirken einschüchternd und beängstigend auf Migrantinnen und Migranten, manchmal auch auf uns oder die eigene Person.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass fremdenfeindliche und antidemokratische Einstellungen bei Teilen unserer Gesellschaft Akzeptanz finden. Zudem korrespondieren rechtsextreme Einstellungen mit in der Bevölkerung vorhandener Politikverdrossenheit. Richtig ist: Auch in dieser Hinsicht müssen wir alle mehr tun.
Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze. Es gibt einige Punkte, bezüglich deren wir uns vielleicht einig sind. Manches sehen wir aber auch unterschiedlich. Richtig ist aber: Wir alle, alle Demokratinnen und Demokraten, sind gefordert, darauf hinzuwirken, dass fremdenfeindliches Gedankengut in der Mitte unserer Gesellschaft nicht Fuß fassen kann.