Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Mir ist es wichtig, dass ich Unterstützung habe, auch in diesem Hohen Haus. Ich glaube, gerade bei diesem Reformprojekt haben wir sehr frühzeitig begonnen, über unsere Vorstellungen zu sprechen. Wir haben ein Projekt initiiert, wir haben eine Projektgruppe, an der auch externe Experten beteiligt waren, beauftragt, alle Standorte zu untersuchen und unterschiedliche Varianten vorzustellen. Es gab dann einen Beschluss der Lenkungsgruppe und eine entsprechende Kabinettsvorlage, die am 21. Februar so entschieden worden ist.

Selbstverständlich kann man von der Exekutive erwarten, dass im Hinblick auf unterschiedliche

Varianten zunächst einmal ein Vorschlag unterbreitet wird. Ich kann mir gut die Debatte vorstellen, wenn wir gesagt hätten: Wir haben fünf verschiedene Varianten und wir debattieren jetzt einmal, welche die beste ist. - Dann hieße es völlig zu Recht: Die Exekutive scheut sich, eine konkrete Entscheidung zu treffen, macht keinen Vorschlag, und wir als Parlament sollen jetzt entscheiden, welche die beste Lösung ist.

Deshalb finde ich es völlig richtig und legitim, dass ich einen Vorschlag gemacht habe und dass sich das Kabinett damit intensiv auseinandergesetzt hat. Ich stehe zu diesem Vorschlag.

Man kann sicherlich im Detail über einzelne Dinge diskutieren und hinterfragen, wie wir an einzelnen Punkten eine Situation erreichen, die vielleicht noch ein Stück vorteilhafter ist, als wir uns das im Moment vorstellen. Aber wir haben ein Gesamtkonzept, wir haben einen Stufenplan vorgelegt, um bis zum Jahr 2018 in Sachsen-Anhalt die Voraussetzungen für einen besseren Strafvollzug zu schaffen.

Wenn Sie den Herrn Finanzminister ansprechen und dieses ganze Konzept unter „Einsparungen“ sehen, sage ich Ihnen: Aus meiner Sicht geht es hierbei um Strukturen. Wir haben natürlich im Zusammenhang mit dem Haushalt und dem Personalentwicklungskonzept auch darüber debattiert, was uns an Ressourcen zur Verfügung steht, auch im Vergleich mit anderen Bundesländern.

Dabei muss ich mir natürlich einige Fragen vorhalten lassen: Wieso kommen die Sachsen eigentlich mit einem geringeren Tageshaftkostensatz aus? Warum gelingt es anderen Bundesländern, beispielsweise mit einem Verhältnis von 100 Gefangenen zu 44 Mitarbeitern im Strafvollzug auszukommen?

Diese Fragen sind legitim; wir wissen um die Haushaltssituation in Sachsen-Anhalt. Uns wird auch von anderen, größeren Bundesländern im Rahmen der aktuellen Debatte, die Sie alle im Moment auch in den Medien nachvollziehen können, vorgeworfen, dass wir uns solche Strukturen leisten.

Wenn Sie jetzt sagen, kleine Anstalten sind schön - es ist sicherlich richtig, dass man in kleinen Anstalten ganz tolle Resozialisierungsprojekte machen kann. Wir haben uns das mit den Mitgliedern des Rechtsausschusses in der letzten Legislaturperiode in der Schweiz angesehen.

Wenn ich mir allerdings anschaue, in welchen Größenordnungen im Moment neue Justizvollzugsanstalten in anderen Bundesländern gebaut werden, dann stelle ich fest: Es gibt kein Bauprojekt mit weniger als 600 Haftplätzen. Auch das ist Realität und diesen Dingen müssen wir uns stellen.

Ich glaube, wir haben ein Konzept vorgelegt, das im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen zeigt, dass es uns gelingt, mit einer Kon

zentration der Standorte und damit auch der personellen wie der finanziellen Ressourcen inhaltlich eine Verbesserung zu erreichen.

Wir reden im Moment hauptsächlich über die Strukturen. Wir werden noch in diesem Jahr einen Vorschlag für ein Strafvollzugsgesetz für das Land Sachsen-Anhalt auf der Grundlage eines Musterentwurfs, den mehrere Bundesländer erarbeitet haben, vorlegen. Darin geht es um ein Mehr an Resozialisierung, ein Mehr an Therapiemöglichkeiten. Das wollen wir umsetzen.

Wir haben mit unserem Vorschlag gerade dargestellt, dass wir durch die Konzentration der Standorte Personalressourcen schaffen, die wir dann genau für diese Dinge einsetzen können, indem wir mehr Therapeuten einstellen und bessere Behandlungsmöglichkeiten anbieten.

Um noch einmal auf Ihr Beispiel mit den kleinen Anstalten zurückzukommen: Wir haben im Moment an kleinen Standorten wie Naumburg oder Dessau einen Psychologen. Wenn dieser krank oder im Urlaub ist, findet keine Therapie statt.

Es ist vorteilhafter, auch unter fachlichen Gesichtspunkten, wenn man einen Pool von Fachleuten hat, die meist in einem interprofessionellen Team zusammenarbeiten, weil sie unterschiedliche Qualifikationen und Spezialisierungen haben, um dann spezialisierte Therapieangebote für einzelne Gefangene anzubieten.

Genau das fordert das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Sicherungsverwahrung. Es hat in seiner Entscheidung auch sehr deutlich gemacht, dass diese Anforderungen nicht erst in der Sicherungsverwahrung gelten, sondern dass das von uns schon im Strafvollzug erwartet wird. Deshalb bin ich froh, dass wir einen Vorschlag für ein Gesamtkonzept haben, das wir stufenweise umsetzen können.

Selbstverständlich werden wir dieses Hohe Haus bei den entscheidenden Fragen beteiligen. Den ersten Punkt habe ich schon genannt: Wir werden noch in diesem Jahr in die Debatte über die Inhalte eines Landesstrafvollzugsgesetzes einsteigen. Wir werden natürlich auch im Hinblick auf die Standorte einen Entwurf für ein JVAG vorlegen, zu dem wir dann die parlamentarische Entscheidung und die Diskussion suchen werden.

Wir stehen bei der Umsetzung dieses Konzepts in gewisser Weise vor einer Herausforderung. Denn das Konzept hat sehr viele Facetten. Wir haben im Laufe der Erarbeitung des Konzepts festgestellt, dass es manchmal Entwicklungen gibt, die man nicht vorhersieht und die man dann relativ flexibel einarbeiten muss, für die man eine konkrete Lösung anbieten muss.

Ich denke hierbei an die Sicherungsverwahrung, für die es zunächst unterschiedliche Vorstellungen gab. Nachdem das OLG uns eine konkrete Qua

dratmeterzahl für die Zimmergröße vorgegeben hat, mussten wir neue Überlegungen anstellen und haben uns im Rahmen dieses Gesamtkonzepts jetzt, da es nunmehr ein umsetzbares Konzept für die JVA in Burg gibt, dafür entschieden, die Sicherungsverwahrung am Standort Burg zu belassen.

Die Räumlichkeiten sollen so umgebaut werden, dass den Sicherungsverwahrten in Zukunft zwei Räume zur Verfügung stehen, die durch einen Durchbruch verbunden sowie mit einer Nasszelle und einer Küche ausgestattet sind.

Wir sind gerade dabei, mit dem privaten Betreiber die konkreten, auch finanziellen Auswirkungen zu erarbeiten. Auch das werden wir Ihnen sowohl im Rechtsausschuss als auch im Finanzausschuss vorstellen, um dafür zu werben, dass die Gelder zur Verfügung gestellt werden.

In diesem Zusammenhang noch ein Satz zu Burg. Sie sprachen mit Blick auf Burg von einem mahnenden Beispiel. Ich gestehe ganz ehrlich: Ich bin froh darüber, dass wir die JVA in Burg haben; denn letzten Endes waren der Bau, die Fertigstellung und die Inbetriebnahme dieser JVA auch Anlass dafür, im Land über Strukturveränderungen nachzudenken.

Wir haben jetzt eine Anstalt, die hochmodern ist und in der wir im Hinblick auf die konkreten Haftbedingungen eine Situation haben, die ich mir an manch anderem Standort wünschen würde. In Burg gibt es die Einzelunterbringung. Wir haben in Burg die Möglichkeit, Vollzugsgruppen zu bilden. Wir haben die Möglichkeit einer Binnendifferenzierung. Das ist leider an vielen alten Standorten schwierig.

Ich erinnere mich auch an die Diskussion im Rechtsausschuss im Hinblick auf einen Übergriff. In diesem Zusammenhang wurde mir zu Recht vorgehalten, dass wir dafür Sorge tragen müssten, dass das nicht passiert, und dass eine Doppelbelegung im Einzelfall sehr gut überlegt sein will.

An anderen Standorten wie Naumburg oder Dessau haben wir Mehrfachbelegung. Das wird dort als selbstverständlich hingenommen, ohne dass hinterfragt wird, was an diesen Standorten im Hinblick auf die inhaltliche Arbeit geschehen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht mir auch um Sicherheit. Der Strafvollzug ist ein ganz besonderer Bereich. Wir haben schon jetzt eine Situation, in der wir im Hinblick auf die Personalausstattung wirklich an der Grenze angelangt sind. Wir haben einen hohen Krankenstand zu verzeichnen. Wir müssen schon heute faktisch eine Überbeanspruchung unserer Kolleginnen und Kollegen feststellen. Das heißt, ein „Weiter so!“ kann es im Strafvollzug nicht geben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Frau Schindler, SPD)

Wir müssen Veränderungen vornehmen. Im Hinblick auf die Personalausstattung ist es nun einmal so, dass wir, unabhängig davon, wie groß die Anstalt ist und wie viele Gefangene vor Ort sind, eine bestimmte Grundpersonalausstattung brauchen. Je kleiner die Anstalt ist, umso größer ist der Personalkörper, den man vor Ort braucht.

(Zustimmung von Herrn Leimbach, CDU)

Wir haben das einmal in Halberstadt erlebt: Dort war noch ein Gefangener untergebracht, für den die Anstalt mit 16 Kolleginnen und Kollegen rund um die Uhr betrieben werden musste.

Deshalb werbe ich an dieser Stelle - ich bin auch dankbar für die Aktuelle Debatte zu diesem Thema - noch einmal um Unterstützung. Ich bitte Sie um eine intensive Auseinandersetzung und vor allen Dingen auch um eine sachliche Diskussion im Hinblick auf die Dinge, vor denen wir stehen.

Ich weiß, dass Standortentscheidungen schwierige Entscheidungen sind. Ich wundere mich hinsichtlich der Außenwahrnehmung manchmal schon darüber, welche unterschiedlichen Standpunkte es an den einzelnen Standorten gibt.

Es gibt zum Teil Bürgerinnen und Bürger, die sich vehement für den Erhalt ihres Standorts einsetzen, die betonen, wie toll es ist, dass das mitten in der Innenstadt passiert und dass das tolle Resozialisierungsbedingungen sind. An einem anderen Standort, den wir ausbauen wollen, ist genau das gegenteilige Argument vorherrschend; dort spricht man sich dafür aus, den Strafvollzug doch lieber irgendwo auf der grünen Wiese anzusiedeln, am besten nicht in der Umgebung von Wohngebieten.

Wir werden uns diesen Diskussionen stellen. Wir haben an allen Standorten mit den Betroffenen gesprochen. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten ganz viele Veranstaltungen zu diesem Thema durchgeführt. Wir haben auch ganz viele Einzelgespräche geführt, mit den Rechtspolitikern, aber auch mit den Abgeordneten aus den Orten, die von Schließungen betroffen sind. Das werden wir auch in Zukunft so halten. Ich glaube, Sie haben mich auch so kennengelernt, dass ich mich dieser Debatte nicht verweigere und mich diesen zugegebenermaßen nicht ganz leichten Fragen stelle.

Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Hohen Haus gemeinsam eine Lösung dafür finden werden, wie wir das umsetzen können, was uns allen am Herzen liegt.

Herr Herbst, auch in Ihrem Redebeitrag klang sehr deutlich durch, dass wir uns gemeinsam bessere Bedingungen im Strafvollzug wünschen. Das heißt, wir wollen einen besseren, einen modernen Behandlungsvollzug. Wir wollen eine bessere Resozialisierung. Das heißt, wir wollen erreichen, dass es weniger Rückfälle gibt.

Da wir uns in diesen Punkten schon einig sind, bin ich mir ganz sicher, dass wir uns auch im Hinblick auf die einzelnen Schritte, die wir gehen müssen, und im Hinblick auf das, was wir tun müssen, um genau das zu erreichen, letzten Endes auch einig werden und dass wir gemeinsam ein gutes Konzept für einen modernen Strafvollzug in SachsenAnhalt finden werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Frau Ministerin. Es gibt eine Wortmeldung, eine Anfrage, Frau Ministerin. Frau Kollegin von Angern hat eine Anfrage, die Sie sicherlich gern beantworten möchten. - Bitte.

Danke, Herr Präsident. - Frau Ministerin, Sie kündigten nunmehr in Ihrer Rede an, dass der Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes dem Landtag noch in diesem Jahr zugeleitet werden soll. Dazu meine Fragen.

Erstens. Planen Sie, dann von der von Ihnen im Ausschuss vorgestellten Zeitschiene abzuweichen, die vorsah, dass das Gesetz erst am 1. Januar 2014 in Kraft tritt?

Zweitens. Werden Sie, falls Sie davon abweichen, im Kabinett den aufgrund veränderter qualitativer Bedingungen im Strafvollzug erforderlichen Mehrbedarf an Personal nicht nur andiskutieren, sondern auch durchzusetzen versuchen?

Wir werden - das habe ich im Ausschuss versprochen - die Umsetzung der neuen Behandlungsmöglichkeiten im Strafvollzug auch mit dem notwendigen Personal entsprechend untersetzen.

Wir haben im Rahmen des Kabinettsbeschlusses insoweit schon eine positive Entscheidung, als uns der Finanzminister zugestanden hat, dass uns das, was wir an Personal einsparen, auch zu einem früheren Zeitpunkt zur Verfügung steht.

Für die Sicherungsverwahrung.

Nein, das ist nicht nur für die Sicherungsverwahrung. Das wird auch für mehr Behandlungsmöglichkeiten im Strafvollzug genutzt werden. Ich kann Ihnen das jetzt noch nicht konkret mit Zahlen untersetzen. Wir werden auf der Grundlage des Entwurfs auch über die konkreten Auswirkungen - sprich: was brauchen wir an neuem Personal? -

diskutieren. Wir werden uns dann natürlich auch der Frage stellen, wann dieses Gesetz in Kraft tritt.

Frau Ministerin, es gibt eine weitere Anfrage des Kollegen Herbst. Möchten Sie diese beantworten?

Ja, gern.