Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, dass ich kleine Anstalten so schön fände. Ich habe nicht gesagt, dass ich sie schön fände.
Sie sind dann darauf eingegangen, dass es in einer kleineren Anstalt vorkommen kann, dass der eine Therapeut, den es dort gibt, krank wird und dass dort dann, weil er nicht da ist, nichts passiert. Das ist sicherlich richtig.
Aber würden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, dass dieser Therapeut in einer Anstalt für 200 oder 250 Gefangene, wenn er da ist, diese 200 oder 250 Gefangenen im Regelfall recht intensiv betreuen kann? Damit bekommt diese Zielgruppe eine intensivere Betreuung als in einer großen Haftanstalt, wo es möglicherweise auch nur einen Therapeut gibt, weil die anderen Stellen gar nicht besetzt werden können, sodass sich viele hundert Gefangene mehr diesen einen Therapeuten teilen müssen. Das ist nämlich die Realität in unserem Land.
Ja, natürlich müssen sich die Gefangenen auch in einer kleinen Anstalt den einen Therapeuten teilen. Ich sehe durchaus Vorteile darin, ein größeres Team von Therapeuten vorzuhalten, die auch unterschiedliche Spezialisierungen mitbringen. Damit hat man viel bessere Möglichkeiten, auf individuelle Bedürfnisse von einzelnen Gefangenen oder Gefangenengruppen einzugehen. Denn es gibt nicht eine Standardtherapie, bei der man sagt: Wir haben jetzt unser Programm und das wird umgesetzt.
Man muss vielmehr ausgehend von den jeweiligen Behandlungsplänen ganz genau schauen, was die einzelnen Gefangenen brauchen, was an Individualtherapie umgesetzt werden muss, welche Gruppentherapien gebraucht werden. Vor diesem Hintergrund halte ich es für vorteilhaft, eine größere Gruppe von Spezialisten zu haben, die sich dann auch fachlich im Hinblick auf das Notwendige und
auf aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich austauschen können und die dann jeweils das, was notwendig ist, vor Ort anbieten können.
Danke schön, Frau Ministerin. Weitere Anfragen gibt es nicht. - Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächster spricht der Abgeordnete Herr Borgwardt für die Fraktion der CDU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Strafvollzug hat in erster Linie zwei Aufgaben: Er soll die Gefangenen auf ein straffreies Leben vorbereiten und er soll die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten der Gefangenen schützen. Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Für einen zukunftssicheren Strafvollzug haben die Koalitionsfraktionen vereinbart, die Justizvollzugsstrukturen weiter zu optimieren und zu konzentrieren. Die Strukturreform ist notwendig - die Ministerin ging schon darauf ein -, da sich die Gefangenenzahl in den letzten Jahren signifikant verringert hat. Die Belegungszahlen sind ebenfalls weiter rückläufig. Die vorhandenen Haftkapazitäten sind derzeit nur zu 80 % ausgelastet.
Hinzu kommt der hohe Sanierungsbedarf für den Erhalt der Altanstalten. Der Strafvollzug ist gegenwärtig nicht optimal organisiert; das leuchtet sicherlich allen ein. Daher ist eine Optimierung der Strukturen des Justizvollzuges durch eine weitere Bündelung unserer Meinung nach dringend notwendig.
Hauptproblem ist jedoch das Personal. Insbesondere - die Ministerin hat schon auf Ihre Anfrage geantwortet, Herr Herbst - kleine Standorte binden nun einmal viel Personal, da alle Dienste, Pforte usw. usf. unabhängig von der tatsächlichen Belegung dieser Anstalten abgedeckt und vorgehalten werden müssen. Das Personalkonzept unseres Landes sieht für den Justizvollzug eine Reduzierung des Personalsbedarfs bis zum Jahr 2020 auf nur noch 1 019 Bedienstete vor.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Professor Kolb hat konkrete Pläne für eine zukunftsfähige Justizvollzugslandschaft erarbeiten lassen. Hierüber wurden alle Fraktionen im Ausschuss ausführlich unterrichtet.
Frau Ministerin hat uns Parlamentariern dabei bereits in Aussicht gestellt, in den kommenden Monaten in einen intensiven Diskussionsprozess darüber einzusteigen, wie ein optimierter Strafvollzug aussehen soll und welche personellen und finanziellen Auswirkungen daraus folgen.
Wir betonen jedoch: Bis dato gibt es noch kein abgeschlossenes Konzept zur Justizstrukturvollzugsreform in Sachsen-Anhalt; vielmehr ist es so, dass wir hierzu erst in die parlamentarischen Beratungen eingestiegen sind.
Die CDU-Fraktion hat die Empfehlung für eine Justizvollzugsreform Sachsen-Anhalt durch den Bericht der Projektgruppe - darauf ist schon eingegangen worden - zur Kenntnis genommen. Derzeit befinden wir uns im Stadium der Sachberatung. Eine Festlegung unserer Fraktion in der Sache ist bis dato nicht erfolgt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war uns zunächst wichtig, dass die Fachpolitiker unserer Fraktion nach der eingehenden Besichtigung der Nebenstelle der JVA Halle auch die anderen Justizvollzugsanstalten des Landes bereist und sich vor Ort persönlich ein Bild gemacht haben.
Sehr geehrte Frau von Angern, wir sind der Auffassung, dass man sich immer zuerst ein persönliches Bild machen muss, und zwar zeitnah. Erst danach kann man in tiefgreifender Form einsteigen, beraten und beschließen. Ansonsten wäre dieses Handeln aus unserer Sicht unprofessionell und nicht professionell.
Wir haben zum Beispiel mit der Hauptstelle der Vollzugsanstalt Volkstedt eine Anstalt besucht, die eine aufgelockerte Bebauung mit viel Grün aufweist.
Die Hafthäuser und Zellen sind modern ausgestattet und die Sanitäreinrichtungen und Duschen sind um Welten besser als die der Bereitschaftspolizei in Magdeburg. Inhuman erschien uns der Vollzug in Volkstedt bei weitem nicht. Wir fanden es eher beeindruckend. Der Beschäftigungsgrad der Gefangenen liegt in Volkstedt bei 72 %. Arbeit ist nach unserer Ansicht einer der wichtigsten Bausteine für eine nachhaltige Resozialisierung von Gefangenen.
Selbstverständlich müssen all diese Faktoren bei einer Beratung über eine Neukonzipierung der Justizvollzugsstrukturen berücksichtigt werden.
Erklärtes Ziel der Koalitionsfraktionen ist es auch, durch eine erneute Justizstrukturreform im Land die Strukturen langfristig zu optimieren und zu konzentrieren. Die zukunftssichere Ausgestaltung des Justizvollzuges ist unser Kernanliegen. Es geht darum, losgelöst von lokalen Interessen die beste Lösung für unser Land zu finden. Dafür benötigen wir Justizvollzugsanstalten mit verfassungskonformen Haftplätzen.
Unsere Haftanstalten sind nicht alle für die Anforderungen eines modernen Vollzuges auf der Grundlage der Einzelunterbringung ausgestattet. In jeder Anstalt, ob in Dessau-Roßlau oder Volk
Durch die Schaffung eines Landesvollzugsgesetzes, welches sich am Musterentwurf mehrerer Länder orientieren wird, wird ein erhöhter personeller und sächlicher Aufwand entstehen; Frau von Angern hat diesbezüglich schon nachgefragt.
Mit der Ausweitung der Behandlungs- und Therapiemaßnahmen durch die Neuausrichtung der Sozialtherapie mit der anschließenden Einzelunterbringung während der Einschlusszeiten sowie durch den Übergang zum Nachsorgemanagement steht ein zukunftsfähiger Justizvollzug vor großen Herausforderungen. Die Personalausstattung muss im Hinblick auf die Herausforderungen des modernen Justizvollzuges selbstverständlich auch aufgabenbezogen sichergestellt werden.
Schnellschüsse bei der Neustrukturierung sind aus unserer Sicht unangebracht. Deswegen werden wir uns auch Zeit für Beratungen mit der hierfür gebotenen Gründlichkeit nehmen.
Man kann keine Milchmädchenrechnung dahin gehend machen, dass bei einer Umsetzung einer Variante auf der einen Seite zwar zum Glück das PEK eingehalten wird, jedoch auf der anderen Seite die hierfür notwendigen Kosten ins Uferlose laufen. Das wäre den Menschen in unserem Land, glaube ich, nicht zu vermitteln.
Es bedarf immer einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise. Das Parlament ist sich seiner Rolle bei der Umsetzung der Justizvollzugsstruktur jedoch bewusst. Erst mit den Beratungen über das Gesetz über die Justizvollzugsanstalten, Herr Herbst, beginnt die eigentliche parlamentarische Befassung in dieser tiefgreifenden Reform.
Davor muss aus unserer Sicht das Ministerium für Justiz und Gleichstellung zunächst noch die problematischen Schwerpunkte Sicherungsverwahrung und Neuausrichtung des Frauenvollzugs nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Mitteldeutschland lösen. Diese Unbekannten sind unserer Auffassung nach vor der Klammer in Angriff zu nehmen.
Zur Problematik der Sicherungsverwahrung. Das Bundesverfassungsgericht hat die gegenwärtige Praxis der Sicherungsverwahrung für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Notwendig ist ein freiheitsorientiertes Konzept mit klarer therapeutischer Ausrichtung.
Nunmehr sieht das Ministerium wieder die Unterbringung in der JVA Burg - wir haben es gerade gehört - in einem eigenen, vom Strafvollzug getrennten Gebäude vor.
Ein zentrales Thema wird es zukünftig sein, geeignete Therapeutinnen und Therapeuten zu finden. Das Ministerium muss dringlich bis zum
Ein weiterer Problemschwerpunkt ist der Frauenvollzug. Nach der Kündigung der Vereinbarung zur gemeinsamen Durchführung des Frauenvollzugs in der JVA Chemnitz durch das Land Sachsen gab es nach Aussage des Ministeriums im Ausschuss erfolgversprechende Vorgespräche mit dem Land Brandenburg zur künftigen gemeinsamen Durchführung des Frauenvollzugs in der JVA LuckauDuben. Eine zentrale Unterbringung der weiblichen Gefangenen wäre kosten- und personalgünstig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Problemschwerpunkte müssen durch das Ministerium vor einer Parlamentsbefassung - ich wiederhole das - gelöst werden. Im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit sind die Ministerien grundsätzlich für die Organisation innerhalb der ihnen zugewiesenen Geschäftsbereiche zuständig.
Ich warne eindringlich davor, diese Schwerpunkte in ein in sich zusammenhängendes und vom Parlament zu beschließendes Gesamtkonzept einzubeziehen.
Was ist denn, wenn der Neuaufbau des Frauenvollzugs in Sachsen-Anhalt unumgänglich werden würde? - Das hierfür notwendige Personal wird uns nicht zur Verfügung stehen.
Was ist, wenn ein Oberlandesgericht eines anderen Bundeslandes nunmehr entscheiden sollte, dass für den Lebensbereich eines Sicherungsverwahrten auch die Vorgaben der Grundsicherung mit mehr als 40 m² maßgeblich werden könnten? - Das Bundesverfassungsgericht müsste dann bei Vorlage wohl ergebnisoffen entscheiden.
Bereits das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg hat uns alle überrascht. Uns wurde damit vor Augen geführt, dass ein großes Gesamtkonzept auch immer besonders anfällig ist.
Der nächste Schritt ist sodann die Machbarkeitsstudie für die vom Ministerium durch Kabinettsvorlage vorgesehene Variante, die im Dezember dieses Jahres vorliegen soll.
Was ist, wenn sich die vom Ministerium favorisierte Variante durch einen Bau in Halle auf dem vom Rechtsausschuss besichtigten Baufeld gar nicht realisieren ließe?
Selbstverständlich bedarf es einer Festlegung in der Sache durch das Parlament, auch der generellen Prüfung der baulichen Machbarkeit einer von der Exekutive favorisierten Variante. Die Schaffung vollendeter Tatsachen oder gar einen Maßnahmenbeginn kann ich darin nicht erkennen, zumal hierdurch Ausschreibung und Bauaufträge noch nicht ausgelöst werden. - Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Borgwardt. Es gibt eine Frage des Abgeordneten Herbst. Möchten Sie diese beantworten?