Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Etwas anderes habe ich nicht gesagt. Ich kann nicht pauschal sagen: Wir machen mit allen den gleichen Kurs oder das gleiche Bewerbungstraining. Ich denke, das bringt nichts. Vielmehr verlasse ich mich auf die Möglichkeiten, die die Bundesagentur hat. Sie hat Kompetenz, Erfahrung und Know-how. Das wird klappen.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt eine letzte Anfrage. - Bitte, Herr Kollege Hoffmann.

Herr Steppuhn, ich glaube, Sie jagen jedes Mal, wenn Sie auf die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abheben, einem Götzenbild nach. Denn diese allein bringen es nicht. Ich habe lange genug in dem Segment gearbeitet. Ich weiß also, wovon ich rede.

Es wird sich auf Dauer nichts durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ändern lassen, wenn nicht ein paar von den Fragen, die Herr Dr. Thiel vorhin gestellt hat, grundhaft beantwortet werden, die damit irgendwie korrespondieren müssen. Wenn wir den Rahmen nicht ändern, verpuffen sie mit der Zeit. Das bringt den Leuten nur Frust.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich habe selbst eine Transfergesellschaft erlebt. Ich habe auch in einem Beirat - deshalb habe ich vorhin die Frage gestellt - mitgearbeitet, weil es mich selbst betroffen hat, ZAB. Das ist schon ein paar Jahre her. Deswegen kenne ich diese Szenarien sehr gut.

Ich möchte, dass wir uns in Konsequenz aus der ganzen Problemdarstellung einmal mit der Landesregierung beschäftigen und von dieser einen Impuls dahin gehend erhalten, was sie davon hält, dass an den Autobahnen zum Beispiel FactoryOutlet-Center gebaut werden, die die Innenstädte schwächen.

Das ist ein Punkt, an dem ich frage: Bilden wir die Leute bei Schlecker wieder für den gleichen Niedriglohnsektor aus, damit sie dann bei den FactoryOutlet-Centern arbeiten dürfen? - Das bringt doch keine Punkte.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir können jetzt eine Debatte über den Niedriglohnsektor in Deutschland führen. Sie wissen, dass es mich auch stört, dass es in diesem Zusammenhang Entwicklungen gibt, die zugenommen haben, wobei ich glaube, dass wir mehr in Richtung guter Arbeit politisch arbeiten müssen. Diesbezüglich sind wir gar nicht so weit auseinander. Aber ich möchte mich am heutigen Tage auch mit den Schlecker-Beschäftigten beschäftigen; denn um diese Menschen geht es.

(Frau Budde, SPD: Das ist die Debatte, die beantragt wurde! - Zurufe von der CDU)

- Das ist die Debatte, die beantragt wurde. Damit hat Katrin Budde Recht.

(Zustimmung bei der SPD)

Natürlich kann man den Rahmen weiter spannen, aber ich glaube, dazu ist der heutige Tag nicht geeignet.

Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wir werden uns in drei bis vier Monaten darüber unterhalten, was die Transfergesellschaft, wenn sie denn kommt, und die BA im Bereich Vermittlung und Weiterbildung geleistet haben und wie die Bilanz ist. Dann können wir darüber diskutieren. Ich denke, dann haben wir eine gute Grundlage.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Steppuhn. - Als Nächste spricht in der Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Latta.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Beschäftigten der Drogeriemarktkette Schlecker können sich der Solidarität der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sicher sein.

(Oh! bei der LINKEN)

Es sind meist Frauen, die von der Insolvenz der Drogeriemarktkette betroffen sind, und ich kann

sehr gut verstehen, dass die Beschäftigten wütend sind. Schließlich haben sie die Filialen unter schweren Arbeitsbedingungen und bei niedrigem Lohn aufrechterhalten können.

Die Schuld an diesem Desaster trägt einzig und allein die katastrophale Unternehmensführung von Schlecker.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn man sich die Entwicklungen in der Drogeriemarktkette ansieht, dann kann man sich doch einmal die Frage stellen, warum die Kunden bei Schlecker ausbleiben. Da hört man von Tochtergesellschaften - Schlecker XL -, die geschaffen wurden, um alte Arbeitsverträge aufzukündigen. Die Mitarbeiterinnen wurden in Leiharbeitsverhältnissen angestellt, weniger Gehalt war die Folge.

Man muss sich auch einmal die Frage stellen, ob die Konsumenten nicht darauf geachtet haben. Ich gehe dort einkaufen, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vernünftig entlohnt werden.

(Lachen bei der CDU)

Ich denke, diese Frage haben sich viele Menschen gestellt, als die Diskussion aktuell war.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gute Arbeit soll auch gut bezahlt werden. Dass der Markt den Firmen die Rote Karte zeigt, die schlechte Löhne zahlen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unmöglichen Bedingungen arbeiten lassen, ist auch ein Signal. Hierbei ist auch ein Geschäftsmodell gescheitert, meine sehr geehrten Damen und Herren, das auf Lohndrückerei, auf Entrechtung der Beschäftigten und inakzeptable Arbeitsbedingungen gesetzt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Beschäftigten brauchen jetzt unsere Unterstützung und im Zuge des Insolvenzverfahrens muss nun ein tragfähiges Finanzkonzept für die verbleibenden Filialen mit angemessenen Löhnen entwickelt werden.

Zudem muss die Einrichtung von dezentralen fachlich versierten Transfergesellschaften sichergestellt werden, um die von Arbeitslosigkeit bedrohten Frauen zukunftsgerichtet zu qualifizieren und zu vermitteln.

Deswegen müssen wir auch denjenigen Beschäftigten ein Angebot machen, denen die Arbeitslosigkeit droht, und zwar ein Angebot, das - das will ich an dieser Stelle betonen - über die Perspektive des Einzelhandels hinausgeht.

Auch die Gewerkschaft ver.di macht unter den Beschäftigten große Betroffenheit aus. Ver.di setzt auf eine Transfergesellschaft für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen müssen. Das Problem ist: Wer übernimmt die Kosten?

Die Zahlen schwanken, was die Beschäftigten der Schlecker-Filialen anbelangt. Seit gestern ist bekannt, dass ca. 450 Mitarbeiterinnen von der Entlassung betroffen sind.

Diesen Mittwoch hieß es seitens der Landesregierung: Transfergesellschaften sind keine Lösung. Bürgschaften über 3 Millionen € können nicht übernommen werden. Die vorhandenen Mittel, die zur Verfügung stehen, sollen genutzt werden, um für Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen.

Heute stand aktuell in der Presse, dass sich das Land nun doch mit Bürgschaften - Frau Professor Wolff hat es angesprochen - in Höhe von 1,5 Millionen € an einer Transfergesellschaft beteiligen will. Das ist eine gute Nachricht, die die Landesregierung gestern in Berlin ausgehandelt hat. Allerdings verwundert mich dieser kurzfristige Entschluss, weil es am Mittwoch noch hieß, man könne sich nicht an einer Transfergesellschaft beteiligen. Einen Tag später heißt es, man beteiligt sich doch.

Laut ver.di wurden alle Landesregierungen angeschrieben. Das Magdeburger Ministerium gab zu bedenken, es sei fraglich, ob dieses Vorgehen mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar sei.

Anscheinend hat man sich an dieser Stelle nun doch an den Thüringer Kolleginnen und Kollegen orientiert. Der Thüringer Finanzminister Wolfgang Voß hat sich auch dafür ausgesprochen; über eine mögliche Bürgschaft wurde in einer Kabinettsitzung entschieden. Thüringen beteiligt sich ebenfalls daran.

Bemerkenswert ist außerdem, dass es sich in vielen Fällen um Arbeitsplätze im ländlichen Raum handelt. Aus sozial-, arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Gründen ist ein staatliches Eingreifen allein schon aus dieser Perspektive wünschenswert und wird auch von den Bürgerinnen und Bürger erwartet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist der 23. März, der Equal-Pay-Day. Die Debatte des heutigen Tages zeigt ein grundlegendes Problem auf.

Die aktuelle Ausgabe der Publikation „Impuls“ der Hans-Böckler-Stiftung thematisiert das Problem, dass Frauen heute noch immer schlechter bezahlt werden und seltener befördert werden als Männer.

Forscher untersuchten die Arbeitsentgelte von knapp 22 000 Frauen und Männern. Die Umfrage wurde anonym vom Infoportal „Frauenlohnspiegel“ durchgeführt. Laut der Umfrage liegt der Bruttoverdienst von Frauen im Durchschnitt ca. 21 % bis 23 % unter dem der Männer. Lediglich 46 % der erwerbstätigen Frauen arbeiten in tarifgebundenen Betrieben; bei den Männern beträgt der Anteil rund 54 %.

Frauen werden heute leider immer noch schlechter bezahlt, weil sie Frauen sind. Dies macht auch ein Artikel in der Ausgabe 5/2012 der Publikation „Impuls“ deutlich - ich zitiere -:

„Ein Teil des Rückstandes lasse sich weder durch familienbedingte Unterbrechungen noch durch die Berufswahl erklären, sondern nur durch Diskriminierung.“

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht auch darum, diese Krise, wie sie sich jetzt darstellt, als Chance für die Beschäftigten zu nutzen, um sie auch für andere Zukunftsberufe zu qualifizieren. Warum sollen sie zukünftig nicht die Beschäftigungslücke im Erziehungsbereich, in der Pflege oder auch in männerdominierten Zukunftsberufen füllen?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Das wäre gut für die Betroffenen und das wäre gut für diese Branchen.

Im Rahmen der Demonstrationen von ver.di und der bei Schlecker Beschäftigten wurde gefordert, Arbeit zu organisieren, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Ich finde, daran sollen wir uns in der Politik auch halten. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.