Es geht wirklich um Verlässlichkeit, meine Damen und Herren. Wir brauchen jetzt endlich, mindestens ein Dreivierteljahr, nachdem die Leute von Pontius zu Pilatus gelaufen sind, in dem es Enttäuschungen gab, in dem es Resignation gegeben hat, eine klare, verlässliche Lösung. Wir brauchen Ruhe im System. Das wäre mit der Ausgestaltung dieses Rechtsanspruchs gegeben.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Aller guten Dinge sind drei: Winterferien, Osterferien, Pfingstferien. Oder auch: Bildungsausschuss, Sozialausschuss, Kooperation Kultusministerium/Ministerium für Arbeit und Soziales.
Die unendliche Geschichte des Themas der Drs. 6/436 unter der Überschrift „Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangebote für Förderschülerinnen und Förderschüler auch in den Ferienzeiten sichern“, die ihren Ausdruck in den Beschwernissen einer im Landtag abstimmbaren Beschlussfassung fand, sollte uns zwei wichtige Fakten nicht vergessen lassen.
Zweitens. Wir als Politikerinnen und Politiker im Land Sachsen-Anhalt sollten uns freuen, dass es in unserem Land Eltern gibt, die für sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beanspruchen können und wollen, weil sie gleichzeitig erwerbstätig sind und ihr Kind, das nicht alleingelassen werden kann, während der Zeit ihrer Berufstätigkeit gut betreut wissen wollen.
Es ist unstrittig, dass in den letzten Monaten mehr oder weniger erfolgreich versucht wurde, Lösungsansätze für die Betreuung geistig behinderter Kinder an Förderschulen - insbesondere auch über 14-Jähriger - in den Ferien zu finden. Ich bin daher der festen Überzeugung, dass inzwischen sowohl die Problematik an sich als auch die Notwendigkeit einer tragfähigen konfliktfreien Lösung im politischen Raum angekommen ist.
Auf der Grundlage der uns heute vorliegenden Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales in der Drs. 6/1013 vertraue ich daher darauf, dass für die betroffenen Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern eine irritationslose Lösung für die kommenden Pfingst- und Sommerferien angeboten wird.
Zum Wohle der betroffenen Förderschülerinnen und Förderschüler vertraue ich ebenso darauf, dass die Punkte 2, 3 und 4 der Beschlussvorlage zügig in Angriff genommen werden, um für das Schuljahr 2012/2013 eine realisierbare rechts- und planungssichere Sicherstellung der Bildungs- und Betreuungsangebote zu ermöglichen.
Als behindertenpolitische Sprecherin der CDUFraktion und Mitglied einer der regierungstragenden Fraktionen bitte ich um Zustimmung zu der
vorliegenden Beschlussempfehlung und wünsche beiden Ministern Erfolg bei der Umsetzung ihrer Kooperationsvereinbarung.
Wir als Parlament, werte Kolleginnen und Kollegen, werden den weiteren Prozess sicher aufmerksam verfolgen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Gorr. - Die Debatte ist damit beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und dann über die Beschlussempfehlung, gegebenenfalls in der geänderten Fassung, ab.
Wer stimmt dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu? - DIE LINKE selbst. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt worden.
Ich rufe die Beschlussempfehlung in der Drs. 6/1013 auf. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich beschlossen worden.
Frau Latta wechselt jetzt schnell die Position und bringt den Antrag ein. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bringen den Antrag zur anonymisierten Bewerbung ein, um eine bestehende Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, eine Ungerechtigkeit, von der etwa die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berichtet, wie auf der Internetseite www.antidiskriminierungsstelle.de zu lesen ist.
Ein kurzer Blick auf den Namen, auf das Geschlecht oder das Alter genügt in vielen Fällen, um eine Bewerbung auszusortieren. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Arbeitsuchende oder Frauen mit Kindern werden in Be
werbungsverfahren oft benachteiligt. Sie haben deutlich schlechtere Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.
Das belegen zahlreiche Studien und die Beratungserfahrung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, kurz ADS. An die Antidiskriminierungsstelle wenden sich außerdem häufig allein erziehende Frauen und Menschen über 50 Jahre oder Menschen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden.
Das ist ungerecht. Hier wird qualifizierten Menschen - gerade am Anfang ihres Berufslebens - die Chance auf einen Berufseinstieg verweigert. Das ist wirtschaftlich schädlich; denn vielfältige Teams arbeiten nachweislich besser und erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit.
Eine Möglichkeit, gegen die bewusste oder unbewusste Benachteiligung bestimmter Personengruppen vorzugehen, sind anonymisierte Bewerbungsverfahren. Wir fordern daher die Landesregierung auf, Stellen im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt für die Zeit eines Pilotprojekts auf diese Weise zu besetzen.
Wenn dieses Pilotprojekt positiv evaluiert wurde - damit ist zu rechnen; darauf ist vor allen Dingen zu hoffen -, dann soll das anonymisierte Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst dauerhaft installiert werden.
Ausgehend von guten Erfahrungen in anderen Ländern hat die unabhängige Antidiskriminierungsstelle des Bundes im November 2010 ein deutschlandweites Modellprojekt gestartet, in dem verschiedene Unternehmen, Behörden und Kommunen anonymisierte Bewerbungsverfahren testeten. Der Abschlussbericht wurde in der letzten Woche veröffentlicht und breit in den Medien diskutiert. Das Fazit der Studie zeigt klar die positiven Effekte anonymer Bewerbungsverfahren.
Zum Verfahren. Lassen Sie mich kurz darstellen, wie Bewerbungsverfahren ohne persönliche Angaben funktionieren. Das Ziel des Verfahrens, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausschließlich aufgrund der Qualifikation erfolgt, wird bei anonymisierten Bewerbungen dadurch erreicht, dass zunächst auf ein Foto, den Namen, die Adresse, das Geburtsdatum oder Angaben zu Familienstand oder Herkunft der sich bewerbenden Person verzichtet wird.
Abgesehen davon können alle üblichen Informationen abgefragt werden, wie etwa Berufserfahrung, Ausbildung, Motivation. An dieser Stelle gibt es keinen signifikanten Unterschied zu herkömmlichen Lebensläufen - außer dem Verzicht auf Jahreszahlen.
In der ersten Auswahlrunde wird der Blick der Personalerinnen und Personaler dadurch ausschließlich auf die Qualifikation der Bewerbenden gelenkt.
In der zweiten Phase, wenn die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgesprochen ist, erhalten Personalerinnen und Personaler vollständige Unterlagen mit persönlichen Angaben und können sich auf das Gespräch vorbereiten. Sie sitzen also nicht - wie oft angenommen wird - vor einer ihnen völlig unbekannten Person.
Auch bei dem Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durften Chefs erst vor dem Bewerbungsgespräch die Namen und Zeugnisse sehen; denn dann haben die Bewerber nach Einschätzung der Forscher bereits die entscheidende Hürde überwunden.
Im persönlichen Gespräch wuchern Klischees weit weniger, als wenn nur eine Bewerbungsmappe auf dem Tisch liegt. Dementsprechend findet Diskriminierung, statistisch gesehen, vor allem in der ersten Phase von Bewerbungsprozessen statt, also vor der Einladung zum Vorstellungsgespräch. Hierbei muss Chancengleichheit gegeben sein. Das erreichen wir unter anderem auch durch anonymisierte Bewerbungsverfahren.
Im Rahmen dieses erwähnten Projekts der Antidiskriminierungsstelle haben für jeweils zwölf Monate unter anderem die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, das Bundesministerium für Familie, die Arbeitsagentur in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle neue Wege der Mitarbeiterrekrutierung ausprobiert.
In dem Pilotprojekt wurden mehr als 8 500 Bewerbungen anonymisiert eingesehen. 246 Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze wurden erfolgreich besetzt. Die Stellen reichen von Ausbildungsplätzen für Lehrlinge über Studienplätze bis hin zu Arbeitsverhältnissen in technischen Berufen oder Jobs im Kundenservice.
Die Beteiligten arbeiteten in dem Pilotprojekt mit insgesamt vier verschiedenen Varianten der Anonymisierung: einem standardisierten Bewerbungsformular zum Herunterladen aus dem Internet oder als Onlinemaske, dem Blindschalten sensibler Daten durch ein Onlinesystem, der Übertragung von Bewerberinnendaten in eine Tabelle und dem Schwärzen per Hand auf Papier oder im pdfDokument, wobei dieses Verfahren auch bei den GRÜNEN auf Kritik stößt.
Befürchtungen, dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren zu teuer oder zu aufwendig sei, erwiesen sich größtenteils als unbegründet. Stattdessen werde die Sensibilität im Bewerbungsverfahren gefördert. Wünschenswert sei es daher, die Anforderungsprofile und Bewertungskriterien noch klarer und nachvollziehbarer zu gestalten.
Das Pilotprojekt wurde über die gesamte Dauer wissenschaftlich begleitet und im Anschluss ausgewertet. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat dafür das Institut für die Zukunft der Arbeit
- kurz: IZA - aus Bonn und die Kooperationsstelle Wissenschafts- und Arbeitswelt der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder gewonnen.
Die Zwischenergebnisse und der Abschlussbericht sind rundum positiv. Bei anonymisierten Bewerbungen haben Frauen im Vergleich zu herkömmlichen Bewerbungsverfahren bessere Chancen, zu einem persönlichen Gespräch eingeladen zu werden. Dementsprechend verbesserten sich die Chancen für Frauen insbesondere dann, wenn sich die ausgeschriebene Stelle an Personen mit Berufserfahrung richtete.
Aber auch jüngere Frauen hätten bei anonymisierten Verfahren Vorteile, weil sie etwa wegen eines möglichen Kinderwunsches im herkömmlichen Bewerbungsverfahren potenziell benachteiligt würden. Auch Bewerber mit Migrationshintergrund profitieren laut der Studie von einem anonymisierten Bewerbungsverfahren.
Anonyme Auswahlverfahren beispielsweise in den USA gehören seit den 60er-Jahren zum Alltag. Allerdings sind der Name und der Aufenthaltsstatus weiterhin Bestandteil amerikanischer Bewerbungen.
Auf europäischer Ebene beschloss der Rat der Europäischen Union zwischen den Jahren 2000 und 2004 vier Gleichbehandlungsrichtlinien, die durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - kurz: AGG - in deutsches Recht umgesetzt worden sind.
Die Richtlinien geben in ihrem jeweiligen Geltungsbereich Definitionen für die unterschiedlichen Arten von Diskriminierungen vor und verpflichten unter anderem zu wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen bei Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgebot sowie zur Beweiserleichterung für die Betroffenen.
Die Richtlinien sollen die gesellschaftliche Wirklichkeit in den EU-Mitgliedstaaten verändern. Das heißt, sie sollen Diskriminierung nicht nur verbieten, sondern wirksam beseitigen.
Im Einzelnen handelt es sich um die Antirassismusrichtlinie, die Rahmenrichtlinie Beschäftigung, die Gender-Richtlinie und die Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter außerhalb der Arbeitswelt.