Zwei Altmärker werden sich gegenseitig befragen. - Ich möchte zuvor noch Gäste begrüßen, Damen und Herren der Kreisvolkshochschule Köthen. Herzlich willkommen im Hohen Haus!
Als Erstes, Herr Güssau, ich will nicht unnötig Gräben aufreißen, aber als alter Havelberger bin ich natürlich kein Altmärker. Das ist eine politische Fehlentscheidung bei der Kreisbildung gewesen. Ich muss mich als Prignitzer und somit eigentlich „Ehrenbrandenburger“ dagegen verwahren.
Ich habe mich wegen einer anderen Geschichte gemeldet. Es geht um die Frage: Darf man die Sekundarschule in der jetzigen Situation als Restschule bezeichnen? Sie sagten, das wäre hart an der Grenze zur Diffamierung. Ich sage: Darüber kann man sicherlich noch einmal reden. Das Problem ist nur: Wir waren bei weitem nicht die ersten, die diese These ausgepackt haben.
Die Ersten, die diese These, dass die Sekundarschule unter den jetzigen Bedingungen zur Restschule verkommt, ausgepackt haben, waren konservative Bildungspolitiker
- Philologenverband -, die gesagt haben: Wenn ihr den Zugang zum Gymnasium nicht radikal einschränkt, dann wird die Sekundarschule zur Restschule. Und der Zugang ist nicht radikal eingeschränkt worden. Wenn man sich gegen eine solche Begrifflichkeit verwahrt, dann bitte nach allen Seiten.
Ich frage auch: Wollen wir uns über die Begriffe streiten? Oder ist nicht eigentlich die Realität das Problem? - An dieser Stelle ist es die Realität.
Ein Problem ist: Solange es Diskussionen über die Schule und über Schulformen gibt - das geht schon seit 40, 50 Jahren so -, hält man sich gegenseitig vor, wer wann was gesagt hat.
Wir sind hier im Parlament. Wir beraten über ein Gesetz. Sie haben an dieser Stelle eine Schulform in einen Duktus gebracht, der uns nicht passt. Die Sekundarschule ist keine Restschule. Die Sekundarschule arbeitet engagiert. Die Lehrerinnen und Lehrer arbeiten jeden Tag ganz hart und dafür müssen wir Respekt aufbringen.
Herr Gallert, ich werbe dafür, dass wir diese Schulform nicht als Restschule bezeichnen, sondern dass wir sie weiter fit machen. Es kann auch ein Weg sein, dieser Schulform mit der neuen Gemeinschaftsschule einen weiteren Schritt nach vorn zu verhelfen, so möchte ich es einmal sagen.
Weitere Anfragen gibt es nicht. Wir können lernen, dass man sich auch bei Debatten über Schulgesetze weiterbilden kann, etwa raumordnerisch, wenn in der Diskussion anklingt, dass sich die Altmark von Brandenburg bis Wittenberg erstreckt.
Als nächste Debattenrednerin spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Fraktionsvorsitzende Frau Professor Dalbert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Debatte zu zwei Schulgesetzentwürfen. Im Kern beider Entwürfe steht die Frage der Schulstruktur, wie Kollegin Bull heute Morgen eingangs ausgeführt hat.
Lassen Sie mich mit dem Schulgesetzentwurf der Linksfraktion beginnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN! Liebe Frau Bull! lch bin enttäuscht.
unserem gegliederten Schulsystem kämpfen und dass wir gemeinsam für eine Gemeinschaftsschule kämpfen. Nun legen Sie einen Gesetzentwurf vor, in dem die Gemeinschaftsschule überhaupt nicht vorkommt. Das hat mich enttäuscht.
Ich versuche zu verstehen, warum Sie das tun. Ich verstehe Ihre Ausführungen so - wenn ich das falsch verstehe, können Sie das am Ende in Ihrem Redebeitrag korrigieren -, dass Sie sagen, wir müssen jetzt die Sekundarschulen verbessern und am Ende werden wir die Gemeinschaftsschule als Regelschule einfügen.
Es wird nicht funktionieren, weil man - davon bin ich fest überzeugt - eine neue Schulform wie die Gemeinschaftsschule nur einführen kann, wenn man sie auf freiwilliger Basis einführt. Das mag uns manchmal zu viel Geduld abverlangen. Frau Bull, ich bin bei Ihnen, wenn Sie dort gern große Schritte hätten, aber es wird nicht funktionieren, wenn wir nicht die Schulträger vor Ort, die Eltern vor Ort, die Lehrer vor Ort dafür begeistern, sodass sie diesen Transformationsprozess dann freiwillig durchlaufen.
Es wird nicht funktionieren; denn - das wissen Sie, liebe Frau Bull, doch besser als ich -, bisher haben sich der Landtag jeder Wahlperiode und jeder Kultusminister mit der Verbesserung der Sekundarschule abgemüht, und wir sehen doch - das räumen Sie in Ihrem Beitrag auch ein -, dass dies einen eher bescheidenen Erfolg hatte.
Deswegen sage ich Ihnen: Der beste Weg, die Sekundarschule auf einen guten Weg zu bringen, ist ihre Umwandlung in die Gemeinschaftsschule.
Damit komme ich zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung. Sehr geehrter Herr Kultusminister, auch von Ihrem Gesetzentwurf bin ich enttäuscht.
Das ist so. Ich kann Ihnen auch sagen, warum ich enttäuscht bin: In Ihrem Gesetzentwurf ist keine Aussage dazu enthalten, was eine Gemeinschaftsschule ist.
Die Frage ist doch: Was ist eine Gemeinschaftsschule? Wenn Sie sagen, das ist eine Schule, die auf äußere Differenzierung oder, wie Sie es formulieren, weitgehend auf äußere Differenzierung verzichtet und alle Schulabschlüsse anbietet, dann kann das doch nur heißen, dass nicht nur das Abitur angeboten wird, sondern dass am Ende der 10. Klasse darauf orientiert wird, dass alle Kinder auf mindestens mittlerem Niveau die Kompetenzen der Kompetenzstandards, wie sie für die 10. Klasse definiert sind, erwerben und auch eine zweite Fremdsprache erlernen; denn sonst ist bereits vorher eine Selektion vorhanden. Das hat Frau Bull im Rahmen der Einbringung des Gesetzentwurfes der LINKEN schon hinreichend erläutert.
Nur das kann es sein. Das schreiben Sie aber nicht in den Gesetzentwurf hinein. Vielmehr schreiben Sie - das ist ganz spannend -: Der Erwerb der Abschlüsse der Sekundarstufe I hängt von der genehmigten Organisationsform der Gemeinschaftsschule ab. Und was haben wir da? - Einen nicht definierten Rechtsbegriff in einem Gesetz. Ob das überhaupt zulässig ist, werden wir vom GBD klären lassen.
Dahinter steckt doch irgendwie - diesbezüglich wächst bei mir ein großes Misstrauen -, dass es unterschiedliche Formen von Sekundarschulabschlüssen geben wird. Damit gibt es natürlich wieder eine Selektion und eine Orientierung auf die Schulabschlüsse.
Zudem steht in Ihrem Gesetzentwurf - das finde ich wirklich schon sehr mutig -: Alles möchte ich Ihnen gar nicht sagen; denn das regeln wir dann in einer Verordnung. Das wird also gar nicht im Gesetz geregelt. Das heißt, wir sollen über ein Gesetz beschließen, das wie eine Blackbox ist, auf der Gemeinschaftsschule steht,