Protokoll der Sitzung vom 07.06.2012

Danke schön. - Herr Kollege Rotter, bitte.

Kollegin Lüddemann, mit vielen Fakten aus Ihrem Redebeitrag kann ich mich durchaus einverstanden erklären. Diesbezüglich haben Sie durchaus Recht. Aber erklären Sie mir doch bitte einmal den aus meiner Sicht in Ihrem Redebeitrag vorherrschenden Widerspruch: Sie sprechen auf der einen Seite von schlecht ausgebildeten und wenig oder nicht motivierten Absolventen, sprechen aber gleichzeitig davon, wie schwierig und zum Teil dornenreich und langwierig der Weg dorthin ist.

Ich bin der Meinung - von dieser Meinung gehe ich auch nicht ab -, dass derjenige, der diesen Weg absolviert hat - mit allen diesen Schwierigkeiten, die Sie erwähnt haben - - Wenn Sie behaupten, dass derjenige wenig oder gar nicht motiviert ist, dann kann ich aus meiner Sicht nicht nachvollziehen. Diesen Widerspruch müssten Sie mir einfach einmal erklären.

Ja, den kann ich Ihnen gern erklären. Viele Fachschulen orientieren so, dass die Schüler beispielsweise erst im zweiten Ausbildungsjahr einen Praktikumsplatz haben. Ich weiß nicht, ob Sie so etwas schon einmal miterlebt haben, wenn junge Menschen völlig verschüchtert in der Ecke stehen und zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Kind zu tun haben, weil sie vielleicht allein aufgewachsen sind oder weil es in ihrem Umfeld keine Kinder gab. Das ist nicht wieder aufzuholen.

Allein der Umstand, dass man in fünf Jahren eine Ausbildung durchlaufen kann, die keine hohen Zu

gangsvoraussetzungen hat, zeigt doch noch nicht, dass man motiviert ist.

Aber wenn man die absolviert hat, spricht das für ausreichende Motivation.

Also nur der Umstand, dass man etwas absolviert und abgeschlossen hat, spricht noch nicht für Motivation.

Gehen Sie in das Feld! Sehen Sie sich die Erzieher an! Sie sind aufgrund der schulischen Ausbildung, die wirklich sehr praxisfern ist, nicht besonders hoch motiviert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich habe das erlebt. Ich habe mit den jungen Menschen gesprochen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Für die Landesregierung spricht zunächst Herr Minister Dorgerloh.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Frühkindliche Bildung und Förderung sind in maßgeblicher Weise das Fundament für die individuelle Bildungsbiografie.“

Das war ein Zitat aus den Empfehlungen des Bildungskonvents.

Darüber waren wir uns damals mit großer Mehrheit einig. Diese Feststellung dürfte mittlerweile auch als gesellschaftlicher Konsens gelten.

Ehrgeizige bildungspolitische Zielsetzungen flankieren diesen Standpunkt, die der frühkindlichen Bildung einerseits ein angemessenes Gewicht verleihen und andererseits auf die steigende Nachfrage nach Kita-Plätzen reagieren sollen.

Vor dem Hintergrund des Bundesprogramms zum Ausbau von Kita-Plätzen und dem am 1. August 2013 in Kraft tretenden Rechtsanspruch entstehen spürbare Bedarfe - sie haben darauf hingewiesen - an qualifizierten Fachkräften. Diese Entwicklung zieht es nach sich, möglichst zügig einschlägiges Personal auszubilden und dabei auch für Quereinsteiger und zunehmend auch männliches Personal Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Diesbezüglich sind wir also gemeinsam unterwegs.

Es ist aber auch zu konstatieren, dass es sich bei diesem Trend vor allem um einen Trend der alten

Bundesländer handelt. Der Bedarf an pädagogischen Fachleuten ist dort weitaus größer, als wir ihn hierzulande verzeichnen. Daher sind die dortigen Herausforderungen auch von einer anderen Dimension als bei uns im Land.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesen Vorbemerkungen will ich nun kurz auf einige Punkte des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingehen. Hierbei möchte ich anmerken, dass ich diese Kritik an der Qualität und der Attraktivität der Erzieherausbildung, wie man sie vielleicht in einer etwas zu pauschalen Art im Antrag wiederfinden kann, so nicht teile.

Wir haben sicherlich Unterschiede im Bereich der Bildungsanbieter und bei deren Ausbildungsqualität zu verzeichnen. Wir haben jedoch auch im Jahr 2009 einiges zur Verbesserung der Situation getan. Ich erinnere an die Überarbeitung der Rahmenrichtlinien. In diesem Zusammenhang muss man jetzt einmal schauen, wie sich das in der Praxis wirklich auswirkt.

Dieser kurze Zeitraum gibt uns natürlich noch keine Möglichkeit für eine gründliche Evaluierung der Ergebnisse, die ich jedoch als Grundlage dafür sehe, ein umfassendes und objektives Bild zu bekommen.

Zur Verkürzung der Gesamtausbildungsdauer. In Sachsen-Anhalt wurde die Erzieherausbildung mehrfach novelliert und auch immer wieder an die Anforderungen der KMK, also an die Rahmenvereinbarung der KMK über Fachschulen, angepasst, zuletzt im März 2010.

Die Ausbildung erfolgt auf Fachschulebene und dauert unter Einbeziehung einer einschlägigen beruflichen Vorbildung in der Regel fünf Jahre. Das haben wir gerade noch einmal gehört.

Trotz eines gewissen Verständnisses für die Forderung nach einer Verkürzung dieser vergleichsweise langen Gesamtausbildungszeit haben wir jedoch auch die Mindestanforderungen der KMKVereinbarung mit Blick auf die bundesweite Anerkennung zu gewährleisten.

Zur Einführung der dualen Ausbildung von Erziehern. Das Kultusministerium in Baden-Württemberg hat sich mit dem Städte- und Gemeindebund, dem Landesjugendamt und den Trägern der Kindergärten darauf verständigt, ab dem Schuljahr 2012/2013 den Schulversuch „Dual orientierte Erzieherausbildung“ zu starten. Teilnehmen können alle Fachschulen für Sozialpädagogik, die die erforderlichen Kooperationsvereinbarungen mit ihren Trägern abgeschlossen haben.

Noch etwas zur Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten. Derzeit gibt es im Land die Möglichkeit, durch das Ablegen einer Nichtschülerprüfung bei erfüllter Vorbildung den Abschluss als staatlich anerkannter Erzieher zu erwerben.

Die Nichtschülerzahlen steigen. Allerdings - das muss man auch sagen - ist die Quote derer, die die Prüfung bestehen, nicht sehr hoch. Das zeigt auch, dass die Zulassung von Quereinsteigern sorgfältig geprüft sein muss, gerade auch mit dem von ihnen erwähnten Blick auf das Ziel, die hohe Qualität der Arbeit mit Kindern im Auge zu behalten. Wir wollen das Ausbildungsniveau gerade nicht nach unten nivellieren, auch wenn wir mehr Leuten den Zugang gern ermöglichen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe eingangs vom Stellenwert der frühkindlichen Bildung und Erziehung gesprochen, dessen wir uns bewusst sind. Das heißt auch, dass in Abständen geprüft werden muss, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen und definierten Erfolgsfaktoren im Bereich der Erzieherausbildung optimal sind.

Vor diesem Hintergrund bietet der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Möglichkeit für eine vertiefte und alle relevanten Aspekte berücksichtigende Debatte über das Thema. Ich plädiere deshalb für eine Überweisung des Antrags in den Bildungsausschuss und in den Sozialausschuss.

Vielleicht kann man an dieser Stelle auch schon einmal anregen, dass in den Ausschüssen über ein Fachgespräch zu diesem Thema nachgedacht wird, um miteinander ins Gespräch zu kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Dorgerloh. - Wir kommen nunmehr zu der vereinbarten Fünfminutendebatte. Als Erster spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Keindorf.

Bis dahin kann ich die nächsten Gäste begrüßen. Es sind Schülerinnen und Schüler des Schulzentrums Könnern. Herzlich willkommen bei uns im Hause!

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um von vornherein der Debatte jegliche Spitze zu nehmen, möchte ich gleich klarstellen, dass die CDU das Anliegen der Antragsteller unterstützen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Antrag zielt auf eine Reform der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern ab.

(Frau Weiß, CDU: Sie wissen doch noch gar nicht, was da kommt!)

Die pauschal - darin schließe ich mich den Worten des Ministers an - in Punkt 1 Ihres Antrags vorge

brachte Kritik an der Qualität der Ausbildung der Erzieher in unserem Bundesland ist für uns jedoch nicht akzeptabel;

(Beifall bei der CDU)

denn diese von Ihnen vorgetragene Annahme verstehe ich so, dass Kinder und Jugendliche in Sachsen-Anhalt unerzogen und vernachlässigt sind. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren Landtagskolleginnen und -kollegen, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich zurückweisen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Sie wollten doch zu- stimmen!)

Vielmehr leisten unsere Erzieher und Pädagogen eine nutzbringende und aufopferungsvolle Arbeit und erfahren dafür viel zu selten den entsprechenden Dank und die Anerkennung.

(Beifall bei der CDU)

In einer Sache gehe ich aber durchaus mit Ihnen, Frau Lüddemann. Man kann auch Gutes durchaus noch besser machen.

Die Vielzahl der Aufgaben, die die Erzieher in den verschiedensten Kinderbetreuungseinrichtungen erfüllen - ich möchte hier nur einige wie Kindergärten und Kinderkrippen, Horte, Jugendwohnheime, Jugendzentren, Familien- oder Suchtberatungsstellen, Wohnheime für Menschen mit Behinderungen oder den Ambulanten Sozialen Dienst nennen, die sich alle ein klein wenig voneinander unterscheiden -, ist durchaus dafür geeignet, um sich noch einmal über die Form der Ausbildung zu unterhalten.

Das bringt Vor- und Nachteile mit sich. Bisher war es eine schulische Ausbildung. Die kompakten Bildungsgänge und die einheitlichen Lehrpläne sind die Vorteile dieser Ausbildung. Aber wie bei so vielen rein schulischen Ausbildungsgängen geht nach dem Ende der Schule das wirkliche Lernen erst los, weil nämlich die Anforderungen der Praxis das in der Theorie Erlernte ganz schnell relativieren.