Das ist im Bereich der Kinderbetreuung, der Kindererziehung und der frühkindlichen Bildung fatal, denn die ersten Lebensjahre sind - das ist in diesem Hohen Haus schon oft gesagt worden - die entscheidenden, und die dürfen wir nicht von schlecht ausgebildeten und unmotivierten Erzieherinnen verderben lassen; denn hierbei, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es um die Zukunft unserer Kinder.
Der Beruf der Erzieherin muss attraktiver werden. Durch eine kompetente und lebensnahe Ausbildung können wir die Wertschöpfung und die Attraktivität des Berufes steigern und die Lust am Beruf wiedererwecken. Das geht nach unserer Auffassung mit einer komprimierten und gut durchstrukturierten dreijährigen Ausbildung.
Deswegen ist der erste Kernbestandteil unseres Antrages, zu dem ich hier sprechen darf, die Verkürzung der Ausbildungszeit auf drei Jahre.
Der zweite Kernbestandteil ist der Einstieg in die duale Ausbildung. Die duale Struktur ist uns wichtig, denn hiermit haben wir Chancen, dass von Anfang an ein Vertrauensverhältnis zwischen Theorie und Praxis besteht, dass von Anfang an die Verantwortung der Träger wächst - sie können sich die Auszubildenden selbst aussuchen - und dass die jungen Menschen tiefer verwurzelt werden sowohl im Praxisfeld, in dem sie arbeiten, als auch in dem Umfeld, in dem sie leben. Ich glaube, das ist ein Ziel, das dieses Hohe Haus einen sollte, dass sich junge Menschen noch tiefer in diesem Land verwurzeln.
Wir müssen uns klar machen, dass wir einen massiven Mangel an Fachkräften im Bereich frühkindlicher Bildung nicht nur in unserem Bundesland, sondern bundesweit haben. Wir verspüren schon jetzt den Sog aus den westlichen Bundesländern. Er wird sich nach der Einführung des Ganztagsanspruchs - nicht des Ganztagsanspruchs, sondern des Rechtsanspruchs; so weit ist der Westen leider Gottes noch nicht -, des Rechtsanspruchs auch noch verstärken.
Kollege Rotter, dieser Fachkräftemangel ist der Grund dafür, warum sich die westlichen Länder um unsere Absolventen streiten, nicht weil unsere Absolventen so überaus gut ausgebildet sind.
Aber auch in unserem Bundesland stehen wir vor einem Problem. Das habe schon versucht anzureißen. Unsere Ausbildungs- und Einstellungsbedingungen sind nicht konkurrenzfähig. Diesbezüglich muss man nicht bis in die westlichen Bundesländer schauen, auch Sachsen ist uns dabei mehrere
Schritte voraus. Das Durchschnittsalter der Erzieherinnen, die Novellierung des KiFöG: all diese Anforderungen müssen wir bewältigen.
Deswegen ist meine Fraktion der Auffassung: Wir brauchen ein starkes politisches Signal - spätestens wenn das KiFöG in Kraft tritt -, dass wir den Bereich der Erzieherinnen in den Blick nehmen, dass wir hier tätig und konkurrenzfähig werden wollen. Unser Antrag bietet die Chance für eine wirkliche Ausbildungsbildungsoffensive, bietet die Chance, neue Schritte zu gehen. Deswegen hoffe ich, dass Sie am Ende diesem Antrag zustimmen werden.
Man muss nicht alles neu erfinden. Wenn ich die duale Ausbildung noch einmal ins Gespräch bringen darf: Baden-Württemberg hat diesbezüglich schon Nägel mit Köpfen gemacht. Dort ist es jetzt schon möglich, sich in einer dreijährigen Ausbildung dual ausbilden zu lassen. Das heißt, die Auszubildenden schließen einen Vertrag mit dem Träger der Kita ab. Die Auszubildenden sind zwei Tage in der Einrichtung und drei Tage in der Schule. Das bietet, wie ich finde, die unschätzbare Chance, dass man das, was man in der Theorie gelernt hat, sehr schnell in der Praxis anwenden und überprüfen kann, und dass man das, was in der Praxis passiert ist, sehr schnell mit den Ausbildern rückkoppeln und man sich reflektieren kann. All das sollten wir den jungen Menschen in diesem Land nicht vorenthalten.
Bei der Erarbeitung des dualen Konzepts soll die Landesregierung mit allen, die auf diesem Feld tätig sind, zusammenarbeiten. Diese Empfehlung geben wir in unserem Antrag. Ich glaube, das ist wichtig, um eine Ausbildung zu schaffen, die für unser Land passt.
Wir wollen mit unserem Antrag das Ziel festschreiben, dass es eine duale dreijährige Ausbildung geben soll. Wie der Weg dorthin aussieht, überlassen wir der Landesregierung.
Gestatten Sie mir trotzdem, der Landesregierung eine Idee mit auf den Weg zu geben. Sie alle wissen, dass in Kürze die nächste EU-Strukturfondsperiode beginnt. Das wäre eine gute Möglichkeit, über die Implementierung in das operationelle Programm des ESF, über ein landesweites Modellprojekt - oder wie wir es auch immer nennen mögen, das können wir noch diskutieren - den Einstieg in die duale Ausbildung zu vollziehen.
Ein mir persönlich wichtiges Anliegen, das implizit durch den Einstieg in die kürzere duale Ausbildung verfolgt werden könnte, ist, mehr Männer in die Kitas zu holen. Es mangelt an einigem in den Kindertageseinrichtungen, aber an Männern mangelt es im Besonderen. Das ist besonders wichtig in einem Land, in dem es eine überproportional hohe Zahl an weiblichen Alleinerziehenden gibt.
Das ist kein Spleen von mir. Selbst die EU schreibt vor, 20 % an männlichen Erziehern in den Einrichtungen zu haben. Von diesem Ziel sind wir weit entfernt. Diesbezüglich sollten wir alle Anstrengungen unternehmen.
Ein gewachsenes Ansehen des Berufs des Erziehers durch Verkürzung und Bezahlung der dualen Ausbildung wird sicherlich zur Erhöhung der Attraktivität auch in den Augen von Männern beitragen.
Die Erfahrung zeigt, dass besonders Männer erst in späteren Lebensjahren - eventuell durch die eigene Vaterschaft oder weil sich ab dem zweiten Lebensdrittel die Wertmaßstäbe verändern - eine höhere Affinität zum Beruf des Erziehers erlangen. Junge Menschen sind davon oft entfernt. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen, aber für Männer im Besonderen.
Deswegen sollten wir hier - das ist der nächste wichtige Punkt in unserem Antrag - den Einstieg in einem höheren Lebensalter, den Quereinstieg, erleichtern. Ein unentgeltliches einjähriges Praktikum ist dafür derzeit die Voraussetzung.
Meine Damen und Herren! Wer von Ihnen ist in der Lage, jemandem ein Jahr lang eine unentgeltliche Tätigkeit mit zu finanzieren? Wer hat schon die reiche Ehefrau oder den reichen Ehemann, sodass man das durchführen kann? - Es wird von den Agenturen nicht gefördert. Bafög gibt es nur bis zum 30. Lebensjahr. Das sind Hürden, die unzumutbar und auch nicht nötig sind. An diesen Hürden kann man arbeiten, sie sind dringend abzubauen.
Man könnte durch das Ermöglichen einer berufsbegleitenden Teilzeitausbildung relativ schnell Abhilfe schaffen. Vielleicht fallen uns aber auch noch kreativere Möglichkeiten ein.
Eine weitere Hürde für den Quereinstieg - für mich völlig unverständlich - ist die mangelnde Information zu diesem Thema. Die Bundesländer wurden im letzten Jahr vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgefordert, auf der Internetseite „koordination-maennerinkitas.de“ ihre eigenen Möglichkeiten aufzulisten. Sachsen-Anhalt ist leider Gottes eines der drei Länder, die dort keine Informationen eingestellt haben, was ich persönlich sehr bedauerlich finde.
Es gibt etwas, was die Situation weiter verschärft. Sie alle wissen, dass der Zivildienst abgeschafft worden ist. Das war immer noch eine kleine Möglichkeit, junge Männer für dieses Berufsfeld zu begeistern. Diese ist nun weggefallen. Das sollte weitere Motivation sein, die Anstrengungen auf anderen Gebieten zu verstärken.
Aber nicht nur der Quereinstieg bei nicht einschlägigen Berufsabschlüssen ist in diesem Land schwierig, sondern auch die Anerkennung von fachnahen Hochschulabschlüssen ist schwierig. Der Referentenentwurf zum KiFöG sieht einiges vor, was an Berufsabschlüssen gleichwertig gestellt werden soll. Aber nichtsdestotrotz bleibt auch hierbei dieses einjährige Praktikum.
Ich sehe nicht ein, warum man, wenn man beispielsweise Grundschullehrerin ist, nicht über die Anerkennung der Ausbildungsinhalte direkt in den Erzieherberuf einsteigen kann. Auch das sind Hürden, die künstlich, nicht nachvollziehbar und nicht im fachlichen Interesse sind und die - davon bin ich fest überzeugt - relativ schnell abgebaut werden könnten, wenn man es denn wirklich wollte.
Alles, was ich hier vorgetragen habe, sind Leitplanken, die wir der Landesregierung mit auf den Weg geben. Wir haben sie noch nicht dezidiert untersetzt, weil wir denken, dass das Thema zu wichtig ist, um es durch eine Kleinigkeit zur Ablehnung zu bringen.
Wir glauben, es ist dringend nötig, dass SachsenAnhalt hierzu tätig wird. Deswegen haben wir den Rahmen vorgegeben und möchten mit allen Akteuren gemeinsam die Untersetzung vollziehen.
Lassen Sie mich abschließend noch kurz zu den Bildungsinhalten kommen, weil das im Vorfeld schon angesprochen wurde. Natürlich muss auch über die Bildungsinhalte im frühkindlichen Bereich gesprochen werden. Da ist einiges reformbedürftig. Aber wir haben gesagt: Wir wenden uns jetzt erst einmal der Struktur zu. Wenn klar ist, dass das Land in diese Richtung gehen will, dann muss man auch über die Ausbildungscurricula von Erzieherinnen und Erziehern sprechen.
Dazu möchte ich ein paar Stichworte nennen: Selbstverständlich ist für uns GRÜNE, dass wir uns der Forderung des Deutschen Kinderhilfswerkes anschließen und Kinderpartizipation in die Curricula aufnehmen. Das ist eine Sache, bei der ich schon lange überlege, wie man das - -
Ich sehe, dass die Lampe leuchtet; deshalb werde ich nur noch ein paar Stichworte nennen, die den GRÜNEN bei den Bildungsinhalten wichtig sind. Das sind die Kinderpartizipation, die Implementierung von UN-Kinderrechten, die Kinderrechtsbildung, die bi- oder trilinguale Bildung, die ökologische und gesunde Lebensweise und die interkulturellen Kompetenzen.
Wir sollten das auch berücksichtigen, wenn wir das Bildungsprogramm noch einmal auf dem Tisch haben. Ich hoffe, dass es anders geregelt werden kann als nur über Verordnungen des Ministeriums. Ich glaube, es ist zu wichtig und steht in einem direkten Zusammenhang zu den Ausbildungsinhal
ten von Erzieherinnen und Erziehern. Dabei sollte das Parlament in einer gewissen Weise doch ein Mitspracherecht haben.
Herr Minister, wir haben auf eine Zeitschiene verzichtet, weil wir auch hierdurch den Druck herausnehmen wollten. Wir wollten nicht sagen, dass das schon zum nächsten Ausbildungsjahr kommen muss, sondern uns ist es wichtig, dass SachsenAnhalt den ersten Schritt geht und wir diese Ausbildung beschließen. Es ist wichtig, dass wir sagen, dass wir es wollen. Danach können wir gemeinsam schauen, ob wir dieses EU-Modellprojekt durchführen und zu welchem Zeitpunkt wir es einführen.
Ich persönlich fände es schön, wenn es zeitgleich mit dem KiFöG starten könnte, was ambitioniert wäre, aber das müssen wir dann sehen.
Ich will zum Abschluss deutlich machen, worum es uns geht: Die Ausbildung in diesem Land muss kürzer werden. Das würden wir über den Einstieg mit den drei Jahren schaffen. Sie muss praxisnäher werden. Das würden wir über den Einstieg in die duale Ausbildung schaffen. Und sie muss für andere Berufsgruppen und ältere Menschen niedrigschwelliger werden. Das würden wir über die erleichterten Quereinstiegsbedingungen schaffen.
Ich bin davon überzeugt, dass unser Antrag schon fast zu spät kommt. Ich bin davon überzeugt, dass es genau die richtige Richtung ist. Ich glaube, wir müssen über die Leitplanken nicht mehr sprechen. Deswegen bitte ich um direkte Abstimmung und hoffe auf Zustimmung. - Vielen Dank.
Frau Kollegin Lüddemann, es gab noch zwei Anfragen. Ich möchte darauf hinweisen, dass seit heute Morgen alle Redner ihr Redezeitkontingent nicht unerheblich überschritten haben.
Frau Lüddemann, ich habe nur eine Verständnisfrage. Sie haben zu Beginn Ihrer Rede gesagt, dass sich das Land Sachsen-Anhalt mit seiner fünfjährigen Ausbildung an andere Bundesländer anpassen sollte, die eine vierjährige Ausbildung
Ich wollte nur wissen: Sollen wir von fünf Jahren auf drei Jahre oder von fünf Jahren auf vier Jahre gehen?
Ich bin dankbar für die Frage, wenn das falsch herübergekommen sein sollte. Ich habe wahrscheinlich versucht, zu viele Inhalte in die Rede zu packen. Ich habe nur ein Beispiel genannt. Wir haben jetzt fünf Jahre. In anderen Bundesländern gibt es jetzt schon die Situation, dass man das in vier Jahren schaffen kann. Aber ich denke - davon bin ich überzeugt und das besagt unser Antrag im Kern auch -, wir können es auch in drei Jahren schaffen, wenn wir es gut strukturieren und gut komprimieren. Das muss das Ziel sein. Wie gesagt, es war nur ein Beispiel dafür, dass es in anderen Bundesländern jetzt schon in kürzer Zeit möglich ist.