Protokoll der Sitzung vom 13.07.2012

Gleichzeitig wird volle Leistungsbereitschaft erwartet. Die Betroffenen werden auch voll in die Lehre integriert. Sich dagegen zu wehren bedeutet für diese Beschäftigten immer die Gefahr, den befristeten Vertrag nicht verlängert zu bekommen. Zudem wird die Promotion als Arbeit für sich selbst deklariert, um dieses Vorgehen zu rechtfertigen.

Dabei wird das von Fachrichtung zu Fachrichtung recht unterschiedlich gehandhabt. Das kommt auch immer ein Stück weit darauf an, wie der Arbeitsmarkt aussieht. In den Geisteswissenschaften sind Drittelstellen durchaus schon die Regel. In den Ingenieurwissenschaften muss die Stelle meistens als ganze Stelle vergeben werden. Ver

nünftig ist das. Ansonsten bekommt man die Stelle oftmals schon nicht mehr besetzt. Eigentlich ist das eine gute Sache. Trotzdem ist die unterschiedliche Handhabung durchaus erwähnenswert und auch bemerkenswert.

Um das Problem der Befristung in seinem ganzen Ausmaß deutlich zu machen, möchte ich Ihnen folgende Zahlen aus dem Evaluationsbericht der HIS GmbH darstellen. Über alle deutschen Hochschulen hinweg liegen die Laufzeiten bei 53 % aller Zeitverträge unter einem Jahr. 53 % aller Zeitverträge werden mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr abgeschlossen. 36 % der Zeitverträge haben eine Laufzeit von einem bis zwei Jahren. Nur 11 % dieser Verträge laufen länger als zwei Jahre. Hier spricht die HIS GmbH schon von längerfristiger Beschäftigung. Das ist bezeichnend. In den Forschungseinrichtungen sieht es ähnlich aus.

Meine Damen und Herren! Hier muss dringend umgesteuert werden. Hier muss die Politik auch handeln. Dafür muss die Situation vor Ort analysiert werden. Letztlich sollte die Mittelvergabe an die Bedingungen geknüpft werden, die für gute Arbeit gelten.

Meine Damen und Herren! Machen wir uns nichts vor. Dass diese Bedingungen in unseren Hochschulen herrschen, liegt auch daran, dass diese wachsende Erwartungen in der Forschung, aber vor allem in der Lehre mit immer weniger Geld erfüllen müssen; denn ähnlich sieht es bei den Lehraufträgen aus, die eigentlich nur ergänzende Angebote sein sollten. Heute sind Lehrbeauftragte in die reguläre Lehre eingebunden und werden für viel Arbeit so schlecht bezahlt, dass sie oftmals Aufstocker sind.

Es kommt auch vor, dass die Situation von Menschen, die eine Lehrbefähigung haben, also eine Habilitation, dermaßen ausgenutzt wird, dass sie gar nicht entlohnt werden. Das funktioniert einfach so, dass diese Leute die Lehrbefähigung nach zwei Jahren verlieren würden, wenn sie nicht nachweisen, dass sie Lehre an einer Hochschule getätigt haben. Sie hätten damit überhaupt keine Aussicht mehr auf eine Professur.

Ich führe die Befristung und Teilbesetzung von Stellen insbesondere darauf zurück, dass es eine Umsteuerung von der institutionellen Förderung hin zur Projektförderung gegeben hat. Im Wissenschaftsbereich wird immer stärker auf die Projektförderung orientiert.

Die Folge davon ist eine gewisse Kurzfristigkeit nicht nur im Bereich der Stellenbesetzung, sondern auch bei dem, was in der Forschung passiert. Aber diese Kurzfristigkeit hinterlässt in der Forschung auch eine gewisse Kurzatmigkeit. Es gibt sehr ernst zu nehmende Stimmen, die sagen, das führt dazu, dass das Innovationspotenzial in Deutschland nachhaltig gefährdet wird. Darüber

muss man nachdenken. Gegen die Kurzatmigkeit in der Wissenschaft muss man etwas machen.

Meine Damen und Herren! Die GEW kritisiert zu Recht wie folgt - ich zitiere -:

„Die extrem kurzen Vertragslaufzeiten sind nicht nur eine schamlose Ausbeutung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen untergraben damit auch die Kontinuität und Qualität der wissenschaftlichen Arbeit in Forschung und Lehre sowie die Attraktivität des Berufs Wissenschaft und sägen damit an dem Ast, auf dem sie sitzen.“

Für DIE LINKE ist deshalb klar, dass Daueraufgaben durch Dauerstellen betreut werden müssen und dass prekäre Beschäftigung durch reguläre Beschäftigung ersetzt werden muss.

Der wissenschaftliche Mittelbau muss wieder stärker durch Dauerstellen gestärkt werden. Für uns ist es dabei wichtig, dass auch im Mittelbau eigenständig geforscht und gelehrt werden kann. Das setzt ein Abrücken vom Lehrstuhlprinzip hin zur übergreifenden Teamarbeit voraus. Zudem sollte anstatt der Habilitation viel stärker auf die Juniorprofessur gesetzt und ein Tenure-Track in Aussicht gestellt und implementiert werden.

Meine Damen und Herren! Ich gehe noch kurz auf den alternativen Antrag der Koalition ein. Der geht in eine ganz ähnliche Richtung. Ich sage einmal, es ist ja gut, wenn die Opposition vorangeht und die Koalition sich dann auch in eine ganz vernünftige Richtung bewegt.

Aber ein Punkt, der uns sehr wichtig ist, fehlt in ihrem alternativen Antrag. Es geht um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Dieses Gesetz beinhaltet nicht nur die viel kritisierte Sechs-plus-sechsRegelung, die besagt, dass man nur sechs Jahre vor der Promotion und sechs Jahre nach der Promotion befristet beschäftigt sein darf. Das ist eine sehr zu kritisierende Regelung, wenn es nicht genügend Dauerstellen gibt.

Das Gesetz beinhaltet auch die sogenannte Tarifsperre. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften keine tarifvertraglichen Regelungen treffen dürfen, die von den Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes abweichen. Bezogen auf die Befristungsregelungen ist das geradezu absurd, werden diese doch üblicherweise von den Tarifparteien ausgearbeitet und ausgehandelt.

Hier war die SPD wohl ein wenig zu kompromissorientiert. Die CDU verstehe ich an der Stelle überhaupt nicht, betont sie doch ansonsten immer die Tarifautonomie, besonders wenn es um die Debatte um den Mindestlohn geht. Ich kann nicht verstehen, wieso man hinsichtlich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes die Tarifautonomie nicht auch wieder oben anhängt. Da wäre es richtig. In der

Mindestlohndebatte ist das ein ganz anderes Thema.

Dieser Punkt ist für uns so wichtig, dass Sie sicherlich verstehen, dass wir Ihrem Alternativantrag nicht zustimmen werden. Es wird alternativ abgestimmt, sodass wir dann natürlich für unseren Antrag sind. - Ich danke an der Stelle für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Lange. - Es spricht für die Landesregierung Frau Professor Dr. Wolff.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2007 hat der Bundestag das Gesetz zu Zeitverträgen in der Wissenschaft verabschiedet. SPD und CDU verfolgten dabei das Ziel, den Hochschulen und Forschungseinrichtungen flexiblere Möglichkeiten zur Befristung der benötigten Mitarbeiterverträge zu eröffnen.

Bereits im Jahr 2007 wurde dabei in Pressemitteilungen des BMBF formuliert, dass die Wissenschaftseinrichtungen von diesen Möglichkeiten - Zitat - „im Interesse der Beschäftigten verantwortungsvoll Gebrauch“ machen sollten. Das gemeinsame Ziel aller Beteiligten müsse es auch über diese Reform hinaus sein, die Attraktivität des Beschäftigungsstandortes für inländische und ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter zu stärken. Dies beinhalte auch, dem Nachwuchs im Rahmen der Personalentwicklung klare Beschäftigungsperspektiven zu eröffnen.

Im Rahmen der Evaluation im Jahr 2011 wurden die Ergebnisse im Bundestag als zweischneidig bewertet. So hätten etwa Wechselwirkungen mit landesrechtlichen Regelungen und die nicht immer im Sinne der Mitarbeiter verantwortungsvolle Umsetzung der rechtlichen Möglichkeiten innerhalb der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu einem Anwachsen der Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse geführt. In der in der Wissenschaft sehr verbreiteten Zeitschrift „Forschung und Lehre“ standen zu Beginn dieses Jahres folgende Zahlen: In Deutschland sind 68 % der Arbeitsverhältnisse an Hochschulen befristet, in Frankreich 27 % und in den USA 17 %.

Wie sieht es nun in Sachsen-Anhalt aus? - Diskutiert man darüber mit Angehörigen der Hochschulen, kommt erstens der Verweis auf die Zielvereinbarungen, zweitens auf die Umsetzung der Strukturveränderungen aus dem Jahr 2004 und drittens auf das Personalentwicklungskonzept des Landes, das von einem Rückgang des Hochschulpersonals ausgeht.

In den Hochschulen herrscht die Wahrnehmung vor, dass das Land von den Hochschulen einen extrem sparsamen Umgang mit Finanzmitteln erwartet, auch im Bereich des Personals. Deshalb betrachte ich die Anträge hier im Plenum als ausgesprochen hilfreich, um eine Diskussion um die Ausfüllung des vorhandenen rechtlichen und finanziellen Rahmens zu beginnen.

Wir werden Ihnen selbstverständlich zu den befristeten Stellen und auch zu ihrer Verteilung auf die unterschiedlichen Fächergruppen - diesbezüglich gibt es nämlich Unterschiede - berichten. Wir werden auch gern gemeinsam mit Ihnen den Änderungsbedarf am Wissenschaftszeitvertragsgesetz diskutieren. Vielleicht fällt uns zur Gestaltung von Perspektiven für den Mittelbau einmal etwas richtig Innovatives ein, auch angesichts knapper Mittel. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Es beginnt für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Dr. Pähle.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Fraktion DIE LINKE ausdrücklich für den gestellten Antrag danken, zeigt er doch, dass die Anregung, sich mit der Situation des wissenschaftlichen Mittelbaus zu beschäftigen, die meine Fraktion im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft eingebracht hat, auf offene Ohren gestoßen ist.

Nun diskutieren wir darüber, wie wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen wollen. Was die Auswirkungen bzw. die in der Zwischenzeit ins Kraut geschossenen Anwendungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes angeht, wissen wir sehr wohl, woran wir sind.

Auf einer Veranstaltung des IPK in Gatersleben, an der ich zusammen mit Frau Professor Dalbert und Herrn Lange teilgenommen habe, wurden die bestehenden Probleme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im wissenschaftlichen Mittelbau deutlich angesprochen. Auch in dem offenen Brief dieser Mittelbauvertreter, der den Landtag bereits im Dezember 2011 erreicht hat, werden die Probleme deutlich dargestellt. So wird in dem Brief davon gesprochen, dass in der Zwischenzeit einem unbefristet beschäftigten Wissenschaftler im Mittelbau acht befristet Beschäftigte gegenüberstehen.

Zusätzlich zu dieser Verlagerung von befristeten Stellen zu unbefristeten haben sich insbesondere in den letzten Jahren - auch als Wirkung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes aus dem Jahr 2007 - die Befristungszeiträume deutlich verkürzt.

Ich kann aus eigener Erfahrung davon berichten, dass in meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Halle Projektkollegen auf der anderen Seite des Schreibtisches zum Teil nur Halbjahresverträge erhalten haben, obwohl das Forschungsprojekt auf insgesamt vier Jahre angelegt war.

Jeder kann sich vorstellen, was eine solche Situation für den Betroffenen bedeutet. Neben der Belastung, sich nach relativ kurzer Zeit wieder bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, um die dort gesetzten Fristen einzuhalten, kann unter diesen Bedingungen niemand an die Gründung einer Familie und an eine Verankerung vor Ort denken. Denn das Postulat der regionalen Mobilität ist gerade im Bereich der Wissenschaft eine heilige Kuh.

Meine Damen und Herren! All dies wissen wir schon. Wir wissen auch, dass viele Ursachen für diese unbefriedigenden Arbeitsbedingungen in den Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes liegen.

Daneben hat die Neuorganisation des öffentlich geförderten Forschungssystems vor gut 20 Jahren, die das Ziel hatte, mehr Wissenschaft, mehr Forschung aus dem öffentlich finanzierten Bereich in den Bereich der Drittmittelforschung zu bringen, ein Anreizsystem gesetzt, das nun Blüten treibt.

Auch die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes durch die Bundesregierung hat im Jahr 2011 die kritischen Punkte aufgezeigt. Leider hat das BMBF meiner Meinung nach die falschen Schlussfolgerungen daraus gezogen. In der im Rahmen der Anhörung von der GEW abgegebenen Stellungnahme kann man Folgendes nachlesen - ich zitiere -:

„Insgesamt lässt sich beobachten, dass die zusätzlichen Aufgaben, die die Hochschulen in den letzten Jahren zu bewältigen haben - etwa infolge des Anstiegs der Studierendenzahlen, der Studienreform im Zuge des Bologna-Prozesses oder des wachsenden Drucks, Drittmittel für die Forschung einzuwerben -, von einem Zuwachs in den Personalkategorien aufgefangen werden, die überwiegend befristet beschäftigt sind (wissen- schaftliche und künstlerische Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter), die wenig Aufstiegsperspektiven haben (Lehrkräfte für besonde- re Aufgaben), die nebenberuflich beschäftigt und untertariflich bezahlt sind (wissenschaft- liche Hilfskräfte) oder die in gar keinem Beschäftigungsverhältnis mit der Hochschule stehen (Lehrbeauftragte).“

Diese Situation wird noch dadurch verschärft, dass die meisten befristeten Arbeitsverträge mittlerweile Laufzeiten von unter einem Jahr haben. Insbesondere Frauen sind von diesen Rahmenbedingungen

stark betroffen, liegt bei ihnen doch meist die Abwägung zwischen Karriere und Familie.

Die im Wissenschaftszeitvertragsgesetz enthaltene Familienkomponente, die es ermöglicht, die maximale Beschäftigungsdauer zu erweitern, wenn die Mitarbeiter Familienaufgaben wahrnehmen, läuft übrigens meist ins Leere, da sie keinen Rechtsanspruch darstellt, sondern lediglich den Ermessensspielraum des Arbeitgebers erweitert.

Meine Damen und Herren! Auch wenn wir viele Dinge schon wissen, ist es notwendig, die spezifische Situation an den sachsen-anhaltischen Hochschulen konkret aufzuarbeiten. Deshalb fordern wir von der Landesregierung einen Bericht zu den am stärksten drängenden Problemen, die sich durch die Anwendung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ergeben.

Doch bei einer Bestandsaufnahme kann es nicht bleiben. Deshalb wird die Landesregierung von den Koalitionsfraktionen gebeten, sich für eine Novellierung des Bundesgesetzes einzusetzen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wenn ich mir eine persönliche Bemerkung erlauben darf: Diese Novellierung muss auch die Aufhebung der Tarifsperre enthalten.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Als Nächste spricht Frau Professor Dr. Dalbert für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.