schon oft praktizierte Ruf nach härteren Strafen, nach verschärften Sanktionen und den damit verbundenen Einschränkungen der demokratischen Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger wieder laut werden würde.
Dass diese Vermutung nicht von der Hand zu weisen ist, zeigt die lange Geschichte des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt, welche verbunden war und ist mit zahlreichen Novellierungen und Änderungen über die Legislaturperioden hinweg - Änderungen, die jedoch in der Regel nicht dazu beitrugen, Bürger- und Freiheitsrechte zu stärken, sondern im Gegenteil: Unter dem Deckmantel einer latenten Bedrohung von innen wie von außen wurden diese zum Teil massiv eingeschränkt.
Bei allen bisherigen Änderungen des SOG zieht sich die Forderung nach mehr Staat und mehr rechtlichen Instrumentarien wie ein roter Faden durch alle Diskussionen.
Ich sage Ihnen nochmals mit aller Deutlichkeit: Das kann nicht der richtige Weg sein. Dieser führt letztendlich in eine Sackgasse.
Das betrifft auch die Regelungen der nunmehr vorliegenden Gesetzesänderung zum SOG. Es darf nicht um die innere Sicherheit eines starken Staates, sondern es muss um die persönliche und öffentliche Sicherheit von Menschen, ohne dabei ihre individuellen Rechte unzulässig einzuschränken, gehen.
Wer Kriminalität wirksam bekämpfen will, darf sich nicht auf polizeiliche Arbeit beschränken. Es wird immer noch so getan, als sei Kriminalitätsvorbeugung und -bekämpfung ganz allein Angelegenheit der Polizei. Das hat für viele, insbesondere auch für die Politik, den scheinbaren Vorteil, dass man schnell einen Schuldigen gefunden hat, wenn es Schwierigkeiten und Probleme gibt.
Ob es um die soziale Umgestaltung des Wohnumfeldes, um eine bürgerfreundliche Umgestaltung des ÖPNV oder um vermeintlich kleine Maßnahmen, wie Frauennachttaxis oder Taxis für jugendliche Nachtschwärmer, oder um eine bessere Straßenbeleuchtung geht, immer sind es auch wirksame Maßnahmen für einen konkret erlebbaren angstfreien Umgang im öffentlichen Raum.
Meine Damen und Herren! Nun noch einige konkrete Bemerkungen zum vorliegenden Gesetzentwurf. Vieles, was neu geregelt wurde, sind notwendige Anpassungen an landesrechtliche Änderungen oder rechtsförmliche Klarstellungen infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Darüber wird überwiegend nicht zu diskutieren sein.
Diskutiert werden muss aber insbesondere - ich greife an dieser Stelle nur ein Problem heraus - über die Neuregelungen hinsichtlich des Verbotes von Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen. Das reiht sich in etwa ein in das derzeitige Vorhaben der Bundesfamilienministerin zur Eindämmung des Alkoholkonsums Jugendlicher.
Wir halten das für eine schleichende Entmündigung von Bürgerinnen und Bürgern. Erfahrungen aus anderen Ländern belegen doch ganz klar, dass jede Art von einem generellen oder auch partiellen Verbot von Alkoholkonsum nichts, aber auch gar nichts bringt.
Wieder wird der Kommune eine zusätzliche Aufgabe übergeholfen. Dann stellt sich die Frage: Wer kontrolliert deren Umsetzung? Weder die Kommune noch die Polizei können aufgrund der prekären Personalsituation eine effektive Kontrolle durchführen. Aber was bringt ein Verbot ohne wirksame Kontrolle? - Rein gar nichts.
Wer will denn zum Beispiel kontrollieren, ob eine Person ein Glasgetränkebehältnis mit sich führen darf? Denn das darf man nämlich nur in einem geschlossenen Behältnis. Ein solches Behältnis ist ein zur Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde. Ich hoffe, Sie haben das jetzt verstanden und wissen, wie Sie Ihre Alkoholitäten zu transportieren haben. Diese Sätze stammen nicht von mir, sondern sie sind der Begründung des Gesetzes entnommen.
Oder wer will oder kann kontrollieren, dass die Bierflasche auf dem Weg nach Hause auch wirklich original verschlossen ist und bleibt und man sich nicht schon auf dem Weg ein Schlückchen gegönnt hat?
Warum fällt der Politik bei den unterschiedlichsten Problemen immer nur eine Lösung ein, nämlich mit Verboten zu reagieren? Das ist - das sage ich ganz deutlich - nicht der Lösungsweg, den wir uns vorstellen.
Wir werden sicherlich im Ausschuss mit Ihnen gemeinsam sehr konstruktiv und sehr intensiv über alle angedachten Veränderungen im SOG diskutieren. - Ich danke Ihnen.
Danke schön, Frau Tiedge. - Als Nächster spricht in der Debatte für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Erben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Was haben wir in den letzten Tagen nicht alles über diese SOGNovelle zu lesen bekommen? - Ich habe etwas über die Geisteshaltung der Koalitionsfraktionen
gelesen und über das Opfern von Bürgerrechten. Ich halte das für eine völlig überzogene Beurteilung der vorgelegten SOG-Novelle.
Lieber Kollege Striegel, welches Vokabular würden Sie verwenden, wenn in dieser SOG-Novelle solche Dinge wie Online-Durchsuchung, Kfz-Kennzeichen-Scanning,
Verlängerung von Gewahrsamsfristen, Anwendung des Teasers oder ähnliche Dinge. Das sind übrigens alles Begriffe, die nicht aus dem chinesischen Polizeirecht kommen, sondern teilweise in rot-grün oder rot-rot regierten Bundesländern in Deutschland in den Polizeigesetzen stehen.
Das alles wollen wir überhaupt nicht und das ist auch nicht in der Gesetzesänderung vorgesehen. Wir haben im Wesentlichen vier Zielrichtungen gehabt:
Erstens. Im letzten Monat war das SOG 21 Jahre alt und es hat inzwischen eine technologische Entwicklung in allen Lebensbereichen stattgefunden.
Drittens. Es geht vor allem auch um Sicherheit, um Handlungssicherheit, aber auch um Gesundheitsschutz für Polizistinnen und Polizisten, aber auch für die von polizeilichen Maßnahmen Betroffenen und es geht um die Eröffnung neuer Handlungsmöglichkeiten für die Kommunen.
Ich beginne mit der technologischen Entwicklung. Als das SOG in diesem Hohen Hause im Jahr 1991 beschlossen worden ist, hatten wir nicht das Problem, dass man, um beispielsweise einen Sprengstoffanschlag zu verhindern, ein Handynetz totlegen musste. Damals arbeiteten potenzielle Straftäter noch mit Kurzzeitweckern und nicht mit Handyladungen.
Bei der Handyortung von Suizidgefährdeten hatten wir das Problem auch nicht, denn Handys hatten damals das Ausmaß einer Autobatterie.
Mit Blick auf Skype, um auf die Quellen-TKÜ zu kommen, hätten die meisten von uns damals vermutet, dass dies aus dem Film „Raumschiff Enterprise“ oder ähnlichen Science-Fiction-Filmen stammt.
Wenn es um die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes geht, dann haben wir als Gesetzgeber noch eine Bringschuld; denn in unserem SOG gibt es eine Reihe von Vorschriften, bei denen es noch einer Anpassung bedarf. Das wird mit der SOG-Novelle vorgesehen.
Schließlich geht es auch um den Gesundheitsschutz für Beamtinnen und Beamte, beispielsweise bei der Feststellung von Infektionskrankheiten. Es geht auch um den Schutz von Betroffenen, die in einer Gewahrsamszelle untergebracht sind. Wir müssten auch von den Dingen, die diesbezüglich im Land vorgefallen sind, lernen; wir haben nunmehr eine entsprechende Regelung vorgesehen.
Letztlich zu den Alkoholverboten. Das ist eine neue kommunale Handlungsmöglichkeit. Ich habe von den Kommunen in diesem Land immer nur gehört, dass sie eine solche Rechtsgrundlage haben wollen. Ich kann darin keine zusätzliche kommunale Belastung erkennen. Mir ist auch klar, dass mit dieser neuen Regelung nicht alle Probleme des Alkoholmissbrauchs in diesem Land gelöst werden. Aber es ist ein Baustein neben anderen, um auf diese Weise objektiv wie subjektiv mehr Sicherheit auf unseren Straßen zu gewährleisten.
Es hat sich bereits bei der Anhörung der Landesregierung eine ganze Reihe von Verbänden oder Interessenvertretern geäußert.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, den wir durchaus für wichtig halten und mit dem man sich in den Ausschussberatungen noch einmal auseinandersetzen sollte. Das ist die Regelung zum Lärmschutz durch kommunale Gefahrenabwehrverordnungen. Das ist eine juristisch durchaus nicht ganz unkomplizierte Materie. Wir sollten uns darüber noch einmal unterhalten, weil es, ähnlich wie im Bereich der kommunalen Alkoholverbote durch Verordnung, ein Problem ist, dass die Kommunen zurzeit mit einer gewissen Handlungsunsicherheit belastet sind.
Auf diese Debatten freue ich mich, und ich beantrage für die SPD-Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs zur weiteren Behandlung in den Ausschuss für Inneres und Sport. - Herzlichen Dank.
Danke, Herr Kollege Erben. - Als Nächster spricht in der Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Striegel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesrepublik ist eines der sichersten Länder dieser Welt. Das Land Sachsen-Anhalt
ist allenfalls durchschnittlich kriminalitätsbelastet. Konkret geht die Kriminalität, auch die sogenannte Straßenkriminalität, Herr Kolze, seit Jahren zurück. In den allermeisten Fällen sind die Polizei und die Ordnungsbehörden in der Lage, sowohl mit Kriminalität umzugehen, als sich auch den Erfordernissen der Gefahrabwehr zu stellen.
In diese grundsätzlich ganz solide Lage platzt nunmehr die Landesregierung mit ihrer Überarbeitung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Schaut man sich die darin vorgeschlagenen Änderungen an, beschleicht einen, Herr Kollege Erben, in der Gesamtschau, nicht was die rechtsförmlichen Anpassungen, die Anpassungen an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts usw., sondern was die sonstigen Regelungen anbelangt, große Sorge: Videoüberwachung bei Polizeieinsätzen, Zwangsabschaltung des Mobilfunknetzes zur Gefahrenabwehr, Einsatz von Staatstrojanern zur Online-Durchsuchung außerhalb der StPO und weitere Maßnahmen mit großer Eingriffstiefe in die Bürger- und Freiheitsrechte.
Hinzu kommt die weitere Regulierung und Normierung des öffentlichen Raums. Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit kann demnächst als Ärgernis verbannt werden. Der nächtliche Kneipengang oder die Konzertveranstaltung hat zu enden, wenn Vater Staat seine unmündigen Bürgerinnen und Bürger zur Sperrstunde ins Bettchen schickt.
Fast alles geschieht ohne konkreten Anlass. Die Landesregierung unterlässt es jedenfalls in ihrem Gesetzentwurf, detailliert darzulegen, auf welche neuen Gefahrenlagen sie mit dem Gesetz konkret reagiert und wie die Eingriffe tatsächlich helfen können, die Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern konkret zu verbessern. Eine Erforderlichkeitsprüfung hat es für diesen Gesetzentwurf offenbar nicht in der Tiefe gegeben.
Der Entwurf liest sich vielmehr wie ein Warenkorb von Sicherheitspolitikern, die gemeinsam bei beckonline.de shoppen waren. Sie haben in den Polizeigesetzen der Länder nach den schärfsten Regeln gesucht, sie gefunden und sie anschließend im neuen Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zusammengefasst.