Protokoll der Sitzung vom 13.07.2012

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren von CDU und SPD! Sie entkernen mit dem Gesetzentwurf die Bürgerrechte. Sie opfern die Freiheit auf dem Götzenaltar vermeintlicher Sicherheit.

Ich will Ihnen, meine Damen und Herren, das gern an ein bis zwei Beispielen skizzieren. Nehmen Sie den neuen § 33 - Unterbrechung und Verhinderung von Kommunikationsverbindungen. Während in Berlin bei einer dringenden - Zitat - „Gefahr für Leib oder Leben die Polizei im Nahbereich einer

Sprengvorrichtung zur Entschärfung den Mobilfunkverkehr blockieren kann“, heben Sie die Zweckbindung der Blockade auf und ermächtigen die sachsen-anhaltische Polizei, zukünftig zur allgemeinen Gefahrenabwehr Telekommunikationsverbindungen zu unterbrechen. Mit Mitteln der Gefahrenabwehr kann damit zukünftig zum Beispiel bei Demonstrationen der Mobilfunkverkehr unterbrochen werden, weil die Polizei eine Gefahr für Leib und Leben zu erkennen glaubt.

Meine Damen und Herren! Das ist die Anwendung der allgemeinen Mobilfunküberwachung „à la Dresden“ in verschärfter Form.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dem neuen § 17b legalisieren Sie Späh- und Schnüffelsoftware. Der Einsatz von Staatstrojanern für die Online-Durchsuchung auf Computern und Handys zur Gefahrenabwehr wird damit Realität und die Landesregierung wortbrüchig. Denn noch Ende Oktober äußerten Sie, Herr Minister, gegenüber dem Parlament, Sie hätten nicht die Absicht, die Quellen-TKÜ zur Gefahrenabwehr gesetzlich zu ermöglichen.

Auch wenn für eine solche Überwachung derzeit überhaupt keine rechtskonforme Software vorhanden ist, die neue Norm also technisch noch ins Leere greift, bleibt das Hauptproblem, der weiter anwachsende Überwachungsdruck und der Eingriff in die privatesten Bereiche des Lebens der Menschen im Namen der Sicherheit, bestehen.

Die von Ihnen vorgeschlagenen Regelungen zur Sperrstunde und zum Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit weisen die Richtung, welchem Gesellschafts- und Menschenbild Ihr Gesetzentwurf folgt. Sie wollen den starken Staat.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Am Ende. - Sie wollen den starken Staat und einen entmündigten Bürger. Die Vorstellung, in sachsenanhaltischen Kommunen könnten junge Menschen nächtens singend und feiernd auf einer Rasenfläche sitzen, an deren Rand ein Schild mit der Aufschrift „Betreten verboten!“ prangt, bereitet Ihnen offenbar Sorgen. Ich dagegen finde, das ist auch ein Teil der Lebensgestaltung von jungen Menschen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hingegen ist eine Gesellschaft, die ihre Probleme mithilfe des Ordnungsrechts zu lösen versucht, eine Schreckensvorstellung. Gegen Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen und gegen die Effekte über

mäßigen Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit hilft kein neues SOG. Mit einem FAG, das den Kommunen ausreichend Geld für Jugendarbeit und Streetworkerstellen bringt, wäre da viel mehr gewonnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung lebt von der Angst der Bürgerinnen und Bürger. Mit Maßnahmen zur Gefahrenabwehr versuchen Sie, den Menschen vorzumachen, es gebe so etwas wie absolute Sicherheit, und beschädigen gleichzeitig die freiheitliche Gesellschaft.

Sir Herbert Read, ein britischer Philosoph, hat das sehr treffend beschrieben - ich zitiere -:

„Leben ist Unruhe, die durch exzentrische Einzelpersonen ausgelöst wird. Um diesem Leben zu entsprechen, muss die Gesellschaft Risiken eingehen, ja sogar ein gewisses Maß an Regelverstößen akzeptieren. Wenn die Gesellschaft leben will, muss sie gefährlich leben.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können und wollen den Weg in eine Sicherheitsgesellschaft nicht gehen. Wir lehnen den Gesetzentwurf der Landesregierung nicht nur ab, sondern wir halten ihn in seiner Schärfe insgesamt für indiskutabel. Wir haben uns in dem konkreten Fall deshalb entschieden, ihn nicht in die Ausschüsse zu überweisen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Striegel, es gibt eine Anfrage des Herrn Abgeordneten Erben.

Herr Kollege Striegel, ich merke sehr deutlich Ihre große Furcht davor, dass die Polizei in SachsenAnhalt jetzt willkürlich Handynetze lahmlegen könnte. Deshalb meine Frage: Aus welcher Vorschrift des Gesetzentwurfs beziehen Sie diese Erkenntnis?

Ich finde nur eine Vorschrift, aus der Sie das herauslesen könnten, nämlich aus § 33. Darin heißt es: „… wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.“ Wie ziehen Sie diesbezüglich die Verbindung zum Lahmlegen von Handynetzen in Dresden? - Ich kann vergleichbare Fälle nicht erkennen.

(Herr Daldrup, CDU: Es ist gar nicht ver- gleichbar!)

Doch, es ist vergleichbar; denn auch in Dresden wurde mit der Sicherheit oder der Gefahr für Leib und Leben von Personen argumentiert, also mit dem zweiten Teil der diesbezüglichen Regelung. Die Gefahrenprognosen der Polizei an der Stelle wurden mit Blick auf vermeintliche oder etwaige später entstehende Landfriedensbrüche gerechtfertigt. Dann ist die Gefahr für Leib und Leben juristisch gegeben.

Ich sage einmal ganz deutlich: An der Stelle will ich mich nicht auf irgendwelche Gefahrenprognosen verlassen müssen, die im konkreten Fall allenfalls nachträglich durch Richterinnen und Richter überprüfbar sind. Denn im Zweifelsfall wird im Rahmen der Gefahrenabwehr vorher gehandelt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von Herrn Daldrup, CDU, und von Herrn Kolze, CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Damit ist Ihr Beitrag beendet. - Wir kommen zum nächsten Beitrag in der Debatte. Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abgeordneter Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erklärtes Ziel der CDU, dass sich die Menschen in Sachsen-Anhalt ohne Angst vor Straftaten und Gewalt sicher und zuhause fühlen sollen.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das kann ich mir vorstellen!)

Das Sicherheitsgefühl der Menschen ist Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität und ein entscheidender Standortfaktor für die Wirtschaft und für künftige Investitionen in Sachsen-Anhalt.

In diesem Sinn hat Minister Stahlknecht in diesem Hohen Haus den Entwurf zur Novellierung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingebracht.

Die Bündnisgrünen sprechen bei dieser Novelle von einer Legalisierung des Einsatzes von Bundestrojanern, von der Aushöhlung der Bürgerrechte und von einem der repressivsten Polizeigesetze der Republik.

Online-Durchsuchungen sind doch gar nicht vorgesehen. Seien Sie sich gewiss: Die Novelle ist gerade unter strikter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sorgfältig ausgearbeitet worden, Herr Striegel.

Liebe Bündnisgrünen! Wir betrachten die Novelle - dies unterscheidet uns von Ihnen - als eine sinnvolle Weiterentwicklung eines der modernsten Polizeigesetze in Deutschland, die sowohl Rechtssicherheit als auch Handlungsfähigkeit für die Poli

zei und die Sicherheitsbehörden zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten gewährleistet. Die Novelle ist ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur Sachsen-Anhalts in konsequenter Umsetzung der Koalitionsvereinbarung.

Ziel des Entwurfs ist die Schaffung neuer Gefahrenabwehrinstrumente für die Sicherheitsbehörden und die Polizei zur Gefahrenabwehr und Vorsorge. Die vorgesehenen neuen Rechtsgrundlagen, zum Beispiel im Bereich der Videoüberwachung von in Gewahrsam Genommenen oder bei der DNA-Analyse zur Identifizierung und Ermittlung des Aufenthaltsortes einer suizidgefährdeten bzw. hilflosen Person haben sich in anderen Ländern bereits bewährt und werden von der CDU-Fraktion durchweg begrüßt.

Aus der Sicht der CDU wäre eine Erweiterung der Befugnis zum Betreten von Wohnungen in der Nachtzeit, wenn von einer Wohnung in der Nachbarschaft erheblich belästigende Geräuschemissionen ausgehen, wünschenswert. In Sachsen-Anhalt wurden im letzten Jahr allein 2 000 Fälle ruhestörenden Lärms erfasst, davon 90 % zur Nachtzeit.

Der Vollzugshinweis in dem Erlass des Ministeriums, etwa den Strom abzuschalten, ist in der Umsetzung zum Beispiel in Mehrfamilienhäusern nicht immer einfach. Hierbei sehen wir Beratungs- und Ergänzungsbedarf.

Lassen Sie mich darüber hinaus auf einen aus der Sicht der CDU-Fraktion besonders wichtigen Punkt des Gesetzentwurfs eingehen. Es wird eine Ermächtigung vorgesehen, um mit einer Gefahrenabwehrverordnung präventiv gegen Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit vorzugehen und auf diese Weise die damit häufig verbundene Folgekriminalität zu senken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat die Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Magdeburg für den Hasselbachplatz und den Bahnhofsvorplatz, die temporäre und örtlich begrenzte Alkoholkonsumverbote vorsah, gekippt. Es war das Ziel der Koalitionsfraktionen, nunmehr eine verfassungsfeste gesetzliche Ermächtigung zu schaffen. Es ist unser gemeinsamer Wunsch, dass Kommunen alkoholbedingten Straftaten und Ordnungsstörungen an Brennpunkten vor allem in den Abend- und Nachtstunden wirksam entgegentreten können.

In vielen Städten haben sich Treffs etabliert, an denen vor allem Jugendliche und Heranwachsende gemeinsam herumhängen und Alkohol in nicht unerheblichem Maße konsumieren. Ob nun Vandalismus, Sachbeschädigung an öffentlichen Verkehrsmitteln, an Kraftfahrzeugen, Lärmbelästigungen, Gewaltexzesse oder Verunreinigungen - schuld daran und Begleiter dessen ist oft Alkohol. Schluck für Schluck sinkt hierbei die Hemmschwelle und es

herrschen dann teilweise regelrecht Ausnahmezustände.

Alkohol wirkt als Katalysator aggressionsfördernd. Auch wenn es nicht unmittelbar zu Straftaten kommt, fühlen sich doch viele Bürgerinnen und Bürger von alkoholisierten und pöbelnden Menschen auf öffentlichen Straßen und Plätzen bedroht. Eine rechtssichere Befugnis, die die Entscheidung der Kommune zur Bekämpfung des ungezügelten Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit und auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger stärkt, finden wir gut und richtig.

Die Kritiker eines solchen Alkoholkonsumverbots reklamieren immerwährend einen Verdrängungseffekt in andere Stadtgebiete. Das sehen wir anders. Wir halten diese Handlungsmöglichkeit der Kommunen für ein wichtiges Signal in der Gesellschaft, dass die Bierflasche eben kein Lifestyle ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, seien Sie sich dessen gewiss: Die Rathäuser im Land warten schon sehnsüchtig auf diese Regelung, um Trinkertreffs an zentralen Plätzen unserer schönen Städte trockenlegen zu können.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der von Minister Stahlknecht vorgelegte Entwurf dem erklärten Ziel der Koalitionsfraktionen gerecht wird, dem Recht der Menschen in unserem Land auf Sicherheit und Ordnung auf höchstem Niveau nachzukommen.

Die Polizei in Sachsen-Anhalt ist dabei ein verlässlicher Partner für unsere Bürgerinnen und Bürger. Wer die Novelle verhindern will, schwächt bewusst oder unbewusst die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ich bitte Sie daher abschließend um Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung in den Ausschuss für Inneres und Sport und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Kolze.