Protokoll der Sitzung vom 13.05.2011

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der LIN- KEN)

- Ich weiß, laut Geschäftsordnung soll man mit dem Präsidenten pflegsam umgehen; das will ich auch zukünftig tun.

Vor knapp zwei Wochen ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit der Beschäftigten von Firmen aus acht europäischen EU-Staaten in Kraft getreten. Zugleich gilt aber auch die Dienstleistungsfreiheit von Unternehmen aus diesen Ländern.

Wir alle sind, so denke ich zumindest, dafür, dass Europa weiter zusammenwächst und dass die neuen EU-Mitbürgerinnen und -Mitbürger jetzt in Deutschland, aber auch in vielen Teilen Europas

arbeiten können. Ich erinnere auch daran, dass viele deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus Sachsen-Anhalt diese Freiheit in der Vergangenheit schon vielfach genutzt haben.

Es ist gut, dass Europa immer weniger Grenzen kennt. Wenn wir 20 Jahre zurückschauen und das heutige Europa mit dem Europa von damals vergleichen, dann sind wir, denke ich, froh, dass wir das Europa von jetzt und heute haben.

Gerade die heutige und vor allem die deutsche Exportwirtschaft und auch viele Unternehmen aus Sachsen-Anhalt, aber auch der heimische Arbeitsmarkt profitieren schon seit Jahren vom erweiterten Europa. Die Menschen aus den neuen Mitgliedstaaten kaufen unsere Produkte. Dort, wo Produkte produziert werden, entstehen bekanntlich auch Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren! Absehbar ist aber auch, dass es Branchen gibt, die qualifizierte Fachkräfte benötigen werden, um ihre Produkte zu entwickeln, aber auch zu produzieren. Daher werden wir in einigen Bereichen auf die Zuwanderung aus anderen Ländern Europas, gerade auch aus Osteuropa, angewiesen sein.

Wichtig ist auch - daher ist es gut, dass wir uns mit dem Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit beschäftigen -, dafür Sorge zu tragen, dass es auf unserem Arbeitsmarkt verbindliche Regeln gibt, die eingehalten werden. Diese Regeln müssen im Sinne eines fairen Wettbewerbs von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch von den Unternehmen untereinander eingehalten werden.

Natürlich stellt uns die EU-Ost-Erweiterung vor neue Herausforderungen. Wir wollen auf keinen Fall, dass es zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt kommt. Wir wollen ausdrücklich nicht, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem osteuropäischen Ausland hierzulande zu DumpingBedingungen oder auch illegal beschäftigt werden.

Wir wollen ausdrücklich nicht, dass es zu einem Konkurrenzkampf auf der Grundlage von Niedriglöhnen kommt. Deshalb ist es gut, dass die neue Landesregierung dort weitermacht, wo sie in der letzten Legislaturperiode aufgehört hat, nämlich gemeinsam mit den Gewerkschaften die Tarifbindung zu stärken,

(Zustimmung)

mehr Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären und sich gleichzeitig dafür einzusetzen, gerade in den Dienstleistungsbranchen zu weiteren Mindestlöhnen im Rahmen des Entsendegesetzes zu kommen.

Gerade in den sensiblen Bereichen, wie im Baugewerbe, in einigen Handwerkszweigen und im Gebäudereinigungshandwerk, gibt es Mindestlöhne, die bereits ihre Gültigkeit haben und natürlich nach oben weiterentwickelt werden müssen.

Sicherlich wird es auch immer schwarze Schafe bei den Unternehmen geben, die versuchen werden, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit auszunutzen, um Menschen zu schlechten Löhnen in Deutschland arbeiten zu lassen. Das, meine Damen und Herren, wollen wir ausdrücklich nicht.

(Zustimmung von Frau Hampel, SPD)

Wir als Sozialdemokraten wollen vielmehr gemeinsam mit den Gewerkschaften, den Arbeitgeberverbänden und der Landesregierung dafür sorgen, dass dieses größer gewordene Europa nicht dazu genutzt wird, Lohndrückerei zu betreiben. Deshalb, glaube ich, ist es gut, dass wir uns mit dem Thema hier und heute, aber auch darüber hinaus beschäftigen, um wachsam zu sein und um genau zu beobachten, was sich auf dem Arbeitsmarkt tut.

Das gilt insbesondere für die Bereiche, in denen es noch keine Mindestlöhne gibt. In diesem Zusammenhang wird sich die Frage stellen, auf welche Bereiche das Entsendegesetz mit neuen Mindestlohntarifverträgen noch ausgeweitet werden muss.

Ich sage auch sehr deutlich - Frau Budde hat es gestern auch schon erwähnt -: Wir als Sozialdemokraten sind nach wie vor für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes ergänzend zu den allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen, die wir schon haben. Ich weiß, dass DIE LINKE nicht müde werden wird, das immer wieder anzusprechen.

Dass wir in der Koalitionsvereinbarung den gesetzlichen Mindestlohn nicht festgeschrieben haben, heißt nicht, dass wir den gesetzlichen Mindestlohn nicht haben wollen. Wir als Sozialdemokraten stehen nach wie vor dafür.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage von Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt ist nicht nur eine Frage, die sich an der Arbeitnehmerfreizügigkeit und an der Dienstleistungsfreiheit festmacht, sondern ist ein Thema, das wir arbeitsmarktpolitisch auf der Landes- und der Bundesebene aktiv begleiten müssen.

Dies wollen wir tun, und zwar - wie es die Landesregierung in der Vergangenheit bereits getan hat - gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden.

Dass wir als Sozialdemokraten Politik durchaus auch mit einem Koalitionspartner, der CDU heißt, weiterentwickeln können, wird ja auch daran deutlich, dass wir uns in der Koalitionsvereinbarung sehr klar für eine Ausweitung des Entsendegesetzes mit weiteren Mindestlöhnen ausgesprochen haben und dass wir uns dafür ausgesprochen haben, ein Vergabegesetz zu schaffen, und dies so schnell wie möglich.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns die Chancen sehen, die dieses veränderte Europa mit sich bringt! Lassen Sie uns frühzeitig Probleme, die sichtbar werden, angehen!

Ich glaube, knapp zwei Wochen nach dem 1. Mai 2011 ist es einfach noch zu früh, zu einer Einschätzung zu gelangen. Deshalb lehnen wir den Antrag der LINKEN ab und stellen unseren Änderungsantrag zur Abstimmung. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Kollege Steppuhn, es gibt eine Frage des Kollegen Henke. Möchten Sie diese beantworten?

Bitte, Herr Henke.

Herr Kollege Steppuhn, ich habe eine Nachfrage zu dem Änderungsantrag, den Sie uns gerade angedient haben. Ich stelle diese Frage auch bewusst an Sie als Sozialdemokraten, da wir hier einen sehr hohen - -

(Herr Erdmenger, GRÜNE: Gehen Sie bitte näher ans Mikro! - Herr Borgwardt, CDU: Wir verstehen nichts! - Herr Kurze, CDU: Wir hören nichts!)

Entschuldigung, Herr Kollege Henke, können Sie bitte prüfen, ob das Mikrofon eingeschaltet ist?

Es ist eingeschaltet.

(Zurufe)

- Dann wiederhole ich das noch einmal. - Herr Steppuhn, ich habe eine Frage zu dem Änderungsantrag, den Sie uns gerade angedient haben. Ich stelle diese Frage bewusst an Sie als Sozialdemokraten und nicht an den Vertreter der CDUFraktion; denn mein Anspruch an Sie ist ein höherer in dieser Frage.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Oh! bei der CDU)

Ich komme auch nicht umhin, festzustellen, dass sich Ihre Ausführungen zum Thema Mindestlohn und Vergabegesetz soeben etwas anders anhörten als die Ihrer Partei- und Fraktionsvorsitzenden gestern.

Meine Frage: Sie haben hier einen sehr nichtssagenden Text alternativ vorgelegt und formulie

ren, Ziel müsse es sein, Tarifverträge zu stärken. Wie wollen Sie das machen?

Ich kann da sehr gut auf die Vereinbarung verweisen, die der damalige Wirtschaftsminister und jetzige Ministerpräsident einige Monate vor den Wahlen mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden getroffen hat.

(Zuruf von Herrn Kurze, CDU)

Darin ist sehr genau beschrieben, wie Tarifverträge gestärkt werden können, wie Tarifautonomie gestärkt werden soll. Natürlich muss diese Vereinbarung noch mit Leben erfüllt werden. Aber ich bin mir sicher: Das wird geschehen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie diese beantworten?

Als gelernter DDR-Bürger habe ich meine Schwierigkeiten mit Appellen an das Bewusstsein. Jetzt sagen Sie mir bitte, was die Vereinbarung des heutigen Ministerpräsidenten mit den Tarifparteien außer Bewusstseinsappellen zur Stärkung der Tarifbindung beiträgt.

(Oh! bei der CDU - Frau Budde, SPD: Das müssen die Tarifparteien erklären, die das unterschrieben haben!)

Herr Henke, ich glaube, Sie haben die Koalitionsvereinbarung nicht gelesen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das ist hier aber nicht wichtig! - Weitere Zurufe von Frau Tiedge, DIE LINKE, von Herrn Gebhardt, DIE LIN- KE, und von Frau Hunger, DIE LINKE)