Danke schön, Herr Abgeordneter Knöchel. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Barthel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Knöchel, ich muss mich erst einmal sammeln, um das zu verdauen, was ich gerade von Ihnen gehört habe. Das ist schon bemerkenswert.
Ich kann mich noch an Ihre Pressemitteilung erinnern. Es war die CDU, die die Frage aufgeworfen hat, wie wir mit zusätzlichen Bedarfsindikatoren für eine bessere Verteilungsgerechtigkeit sorgen, und die auch laut über das Thema Demografie nachgedacht hat. In der Überschrift Ihrer Pressemitteilung standen die Wörter „Partikularinteresse“ und „Klientelpolitik“.
Jetzt höre ich von Ihnen, dass Sie von der Systematik her tatsächlich der Auffassung sind, dass Bevölkerungsverlust und Bedarf offenbar nicht in einem linearen Zusammenhang stehen.
Im Übrigen muss man sagen, dass der Entwurf diese Kausalität schon beinhaltet, wenngleich man darüber sprechen muss, ob der Faktor in der jetzigen Formel im vertikalen Finanzausgleich ausreichend zur Dämpfung herangezogen werden kann, um diesen Negativeffekt zu verstärken.
Fakt ist, es ist drin. Wir haben erstmalig - das ist ein Novum im Finanzausgleichsgesetz; mir ist nicht bekannt, dass es das irgendwo anders gibt - Bedarfsindikatoren hinzugefügt, wie U 6, wie die Demografie, die unabhängig von der Frage, ob wir nur über Steuerkraft und Einwohnerzahl verteilen, das ganze Bild etwas schärfen.
Deshalb finde ich es durchaus bemerkenswert, dass Sie hier die Pirouette machen, dass Sie sich jetzt mit der Schülerbeförderung und den Kreis
- Lieber Herr Gallert, nur weil man es in eine Pressemitteilung hineinschreibt, heißt das doch nicht, dass einem dadurch auch die Idee tatsächlich zu eigen wird.
Das ist so ein alter Hut; darin waren wir uns so schnell einig. Der erste Entwurf war noch nicht einmal im Kabinett, da hatten wir das schon mit dem Finanzminister problematisiert
und wir waren uns darin einig, dass das geändert wird. Daher ist der Erfolg leider nicht der Opposition zuzuschreiben, wie im Übrigen auch der Rest des Werkes nicht.
Ich will an dieser Stelle in meine Rede einsteigen. Ich könnte noch viel zu dem sagen, was Sie hier gesagt haben. Ich werde mich aber dem Thema an der richtigen Stelle nähern.
Im Übrigen muss ich auch sagen: Mich hat die Tatsache, dass Sie 1,7 Milliarden € wieder als Zielgröße nennen, überhaupt nicht überrascht. Man muss sich natürlich fragen, wie man bei einem aufgabenangemessenen FAG ohne Bedarfsermittlung immer wieder auf diese Zahl kommt. Aber das wird Ihr Geheimnis an dieser Stelle bleiben.
Die Frage, wie man im FAG mit Demografie und Bevölkerungsentwicklung umgeht, ist nicht eine Frage von mehr Geld, sondern das ist eine Frage von Balance innerhalb des Systems. Das ist eine Frage in der Richtung, wie wir die kommunalen Gruppen untereinander so ausbalancieren, dass wir mit der Masse, die wir zur Verfügung haben, auch für Verteilungsgerechtigkeit sorgen, die uns dann gemeinsam auf den Weg bis zum Jahr 2020 bringen kann.
Daher muss man nicht über 100 Millionen € mehr reden, sondern über die Frage, wie man das System jetzt so weit nachjustieren kann, dass es unter dem Strich am Ende passt. Das ist jedenfalls unsere Herangehensweise.
Auch der Finanzminister hat es, glaube ich, eindrucksvoll gesagt. Allein die 91 Millionen € sind eine große Kraftanstrengung gewesen. Der Preis, den wir dafür gezahlt haben, die geringere Zufüh
rung in die Steuerschwankungsreserve, ist ernorm hoch gewesen. Das haben wir gern gemacht, weil wir kein FAG nach Kassenlage machen. Aber jetzt muss auch einmal Schluss sein mit dem Rufen nach mehr Geld. Jetzt müssen wir uns der inhaltlichen Frage stellen, wie wir das Geld gerecht verteilen.
Dass wir über diesen Gesetzentwurf an so exponierter Stelle, als Punkt 1 der Tagesordnung, beraten, ist der Bedeutung dieses Vorhabens absolut angemessen. Keine Frage: Der kommunale Finanzausgleich ist alles andere als leichte Kost, und der Anspruch, ein transparentes, verteilungsgerechtes und solidarisches Ausgleichssystem zu entwickeln, macht die Aufgabe nicht leichter.
Für uns steht schon allein deshalb außer Frage, dass dieses Gesetzesvorhaben in seiner Komplexität und Bedeutung eines der zentralen Reformprojekte dieser Legislaturperiode sein wird.
Als wir in der Sitzung im Dezember 2011 mit unserem Entschließungsantrag eine Reihe von Zielvorgaben für das neue FAG definiert haben, gab es durchaus Zweifel daran, ob der ambitionierte Zeitplan ohne Qualitätsverluste einzuhalten sein wird. Dass wir nunmehr in der ersten Sitzung nach der parlamentarischen Sommerpause einen Gesetzentwurf vorliegen haben, der zu Recht als systematische Weiterentwicklung bezeichnet werden kann und der alle wesentlichen Punkte unseres Entschließungsantrages enthält, war keineswegs selbstverständlich.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegt ein Gesetzentwurf vor, der im Ergebnis des DeubelGutachtens und intensiver Beratungen zwischen den regierungstragenden Fraktionen und dem Finanzministerium entstanden ist. Es ist ein guter Entwurf, zu dem ich im Einzelnen gleich kommen werde.
Zunächst möchte ich für meine Fraktion feststellen, dass wir die Art der Zusammenarbeit mit Ihrem Haus, Herr Minister, und unsere frühzeitige Einbeziehung in das Verfahren sehr zu schätzen wissen, wofür wir uns bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern bedanken.
Um jedem falschen Eindruck eine Absage zu erteilen, möchte ich an dieser Stelle noch einmal eines klarstellen: Ungeachtet noch zu lösender Detailfragen ist dieser Entwurf auch der Entwurf der CDUFraktion, zu dessen Kernpunkten ich nunmehr im Einzelnen kommen möchte.
Betrachtet man noch einmal die wesentlichen Zielvorgaben des Gesetzentwurfs, kann man diese mit den Begriffen Prognosegenauigkeit, Verteilungsgerechtigkeit, Transparenz und Solidarität zusammenfassen.
Wir alle waren uns darin einig, dass eine zentrale Aufgabe bei der Verbesserung der Prognosegenauigkeit bei der Bedarfsermittlung bestanden hat. Insbesondere bei einem aufgabenangemessenen FAG stellt die Bedarfsermittlung quasi das Herzstück des Gesamtsystems dar und verdient besondere Aufmerksamkeit.
Mit der von Professor Deubel postulierten Abkehr vom Blick aus der Heckscheibe in die Vergangenheit hinein und hin zum Blick durch die Frontscheibe in die Zukunft ist nach unserem Dafürhalten ein deutlicher, systematischer Qualitätssprung erzielt worden.
Dass dieser Blick nach vorn bei konsequenter Umsetzung zu einem rechnerischen Mehrbedarf führt, der die Finanzausgleichsmasse im Jahr 2013 auf mehr als 1,6 Milliarden € ansteigen lässt, hat sicherlich nicht nur den Finanzminister, sondern uns gleichermaßen überrascht.
Mit fast 91 Millionen € hat die Neuordnung der Kommunalfinanzen den Nachtragshaushalt belastet. Ich sprach bereits davon. Wir sind uns mit unserem Koalitionspartner darin einig, dass dieses Geld gut investiert wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem deutschlandweit einmaligen System der konsequenten Aufgabenangemessenheit haben wir uns in Sachsen-Anhalt bezüglich der Kommunalfinanzen für einen Weg entschieden, der in guten Zeiten unproblematisch ist, aber in schlechten Zeiten den Landeshaushalt in doppelter Weise belastet.
Es ist so - um bei dem Deubel-Gleichnis der Sichtweise durch die Frontscheiben zu bleiben -, dass sich das Fahrzeug des Landes und das Fahrzeug der kommunalen Familie auf der gleichen Straße befinden. Nicht immer kann man allen Schlaglöchern ausweichen, selbst wenn man diese vor sich liegen sieht, und jedes der Fahrzeuge wird im Regelfall auch durch größere Schlaglöcher hindurchfahren. Der Unterschied ist, dass das Fahrzeug des Landes dann auch noch für Reparaturen am Fahrzeug der kommunalen Familie zuständig ist und vor der Herausforderung steht, selbst fahrtüchtig zu bleiben.
Wir haben - man könnte es so sagen - ein optimistisches FAG, das wachstumsorientiert ist und das davon ausgeht, dass wir ein stetiges Wachstum der Steuerkraft haben. Wir sind der Meinung, dass dies alternativlos ist. Denn wenn wir uns die Tatsache vor Augen führen, dass wir von den Steuern, die wir im Land selbst erwirtschaften, in Höhe von gerade einmal 5 Milliarden € über die Hälfte für die Kommunen bereitstellen, und zwar 1,6 Milliarden € für das FAG und eine weitere Milliarde Euro für Dinge außerhalb des FAG, dann kann der Weg nur im stetigen Wachstum der eigenen Steuerkraft liegen. Ein höherer Eigendeckungsgrad bei
Über die Hälfte des Volumens unseres Haushalts kommt momentan aus sonstigen Zuweisungen. Es ist für uns daher eine völlige Selbstverständlichkeit, dass die Ausrichtung des kommunalen Finanzausgleichs so wie die Ausrichtung des Landes sein muss, dass man bis 2020 finanziell unabhängig ist, auf eigene Füße kommt und den Eigendeckungsgrad stetig ansteigen lässt, um nicht weiter alimentiert werden zu müssen.
Ich glaube, die aktuelle Diskussion über den Länderfinanzausgleich zeigt, dass man diese Botschaft nach außen senden muss, weil ansonsten eine Entsolidarisierung stattfinden wird, die wir uns alle nicht wünschen. Wir tun gut daran, uns aus eigener Kraft unabhängig zu machen.
Neben der Frage der Prognosegenauigkeit greift der Gesetzentwurf viele Kritikpunkte bezüglich der Bedarfsermittlung in der Vergangenheit auf. Das Thema Anreizfeindlichkeit kann man an dieser Stelle durchaus nennen.
Insbesondere die Frage der Bedarfszuweisungen und der Nichtanrechnung von Zuführungen aus dem Vermögenshaushalt sind in dem jetzigen Entwurf berücksichtigt worden. Das betrachten wir als Fortschritt. Das waren auch Kritikpunkte der kommunalen Spitzenverbände und des Landesrechnungshofes. Wir waren uns schnell darin einig, dass das geändert werden muss.
Neben einer deutlichen Verbesserung bei der Bedarfsermittlung sind in diesem Entwurf - ich habe es angesprochen - zusätzliche Bedarfsindikatoren eingeführt worden. Die Idee, strukturelle Unterschiede innerhalb unseres Landes und innerhalb der kommunalen Familie stärker zu berücksichtigen und damit höhere Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität zu organisieren, unterstützt meine Fraktion ausdrücklich.
Ich kann für meine Fraktion feststellen, dass wir den kommunalen Finanzausgleich eben nicht als ein rein finanzpolitisches Thema verstehen. Wir beurteilen die Fragen von Solidarität und Verteilungsgerechtigkeit im Wesentlichen auch nach strukturpolitischen Gesichtspunkten.
Richtig ist, Herr Minister, dass man über das FAG nicht alle Probleme der Landesentwicklung heilen kann. Den Anspruch haben wir auch gar nicht. Richtig ist aber auch, dass bei der Verteilung strukturelle Unterschiede auf Landkreisebene, auf kommunaler Ebene beachtet werden müssen, da es ohne eine solche Differenzierung kein gerechtes System geben kann.