Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

Dank sehr, Frau Koch-Kupfer. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich - genauso wie die Vorrednerinnen und Vorredner -, dass unser Land sich der Bundesratsinitiative von Hamburg einstimmig anschließen wird. Das ist für mich ein tolles Signal.

Ich habe elf Jahre, wie Sie wissen, als Geschäftsführerin des Landesfrauenrates gearbeitet. Während dieser Zeit hätte ich nicht zu träumen gewagt, dass ein solches Zeichen, ein solch klares Votum von unserem Land ausgeht. Ich denke, da hat sich ein bisschen was verändert. Darauf können wir ein wenig stolz sein.

Es ist unstrittig, dass die Selbstverpflichtungserklärung, die seit elf Jahren für die Wirtschaft gilt, nichts gebracht hat. Insbesondere die 30 größten börsenorientierten Unternehmen haben gezeigt, dass ihnen Frauenförderung weder am Herzen liegt noch an anderen Körperteilen.

(Lachen bei der CDU)

Ich glaube, es gibt einige Veränderungen

(Herr Borgwardt, CDU: Wir waren gerade so persönlich eingestellt auf Sie!)

- Auf Versöhnung?

(Herr Borgwardt, CDU: Persönlich einge- stellt auf Sie!)

- Ach, Sie sind doch - - Sind Sie auch in einem börsenorientierten Unternehmen tätig?

(Herr Borgwardt, CDU: Noch nicht! - Zuruf von den GRÜNEN: Noch nicht!)

- Ah ja, gut. - Aber das mittlere Management will ich, um jetzt wieder zum Kern der Debatte zurückzukommen, loben. Hier hat sich in der Tat etwas getan. Das ist ein erster Schritt; denn wir wollen dahin, wo wirkliche Entscheidungen getroffen werden: in die Vorstände und Aufsichtsräte. Dort hat sich überhaupt nichts bewegt.

Deswegen frage ich mich, wie Ministerin Schröder zu der Einschätzung kommen kann, dass absolut alles in Ordnung ist, dass sich ihre Zielsetzung erfüllt hat. Von Fortschritt sehe ich hier nichts.

Wir brauchen - das ist mehrfach gesagt worden - dringend eine verbindliche Frauenquote. Das Grundgesetz sieht vor, Frauen und Männer gleich zu behandeln. Wir müssen schauen, wie auch in der Wirtschaft Recht in Praxis umgesetzt wird.

Norwegen wird immer wieder als Beispiel genannt. Das hat seit mehr als zehn Jahren ein verbindliches Gesetz für die Privatwirtschaft. Norwegen ist weder untergegangen, noch ist es in den Abgrund gestürzt. Norwegen geht es wirtschaftlich gesehen sehr gut. Es ist eines der prosperierenden Länder in Europa. Ich glaube, die Frauenquote hat dort nicht nur keinen Schaden angerichtet, sondern sie hat das auch noch vorangetrieben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch wenn - das will ich sagen, ich will jetzt aber nicht zu viel Wasser in den Wein gießen - die Frauenquote in die richtige Richtung geht, auch die Beschlussempfehlung in die richtige Richtung geht, haben wir noch einiges, woran wir arbeiten müssen. Sie geht auch uns - darin stimme ich der Kollegin von den LINKEN zu - nicht weit genug.

Ich frage mich zum Beispiel: Wenn die letzten elf Jahre verschwendet wurden, warum müssen wir jetzt noch einmal elf Jahre warten? Wieso brauchen wir erst 20 % und dann 40 %? Es wird damit begründet: Wir müssen - die Frau Kollegin KochKupfer ist jetzt leider nicht mehr im Raum - Zeit haben, um weibliche Führungskräfte zu rekrutieren. Da frage ich mich: Wie lange wollen wir denn noch warten?

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir müssen das Potenzial, das in diesem Land vorhanden ist, abschöpfen. Ich habe eben darauf abgestellt, dass sich im mittleren Management einiges bewegt hat. Da sind junge Frauen, da sind gut qualifizierte Frauen, da sind engagierte Frauen. Wir müssen dieses Potenzial nur abschöpfen.

Wir brauchen nicht mehr elf Jahre zu warten; denn - das zeigen alle Studien immer wieder - Unternehmen, die gemischtgeschlechtlich aufgestellt sind, die Diversity-orientiert arbeiten, die eine offene und durchlässige Unternehmenskultur haben, sind nicht nur gerechter, sondern auch effizienter.

Es ist für mich auch eine Frage der Gerechtigkeit, dem Teil der Menschheit, der mehr als 50 % der Bevölkerung auf diesem Planeten stellt, auch das zu geben, was ihm an dieser Stelle zusteht: nämlich auch 50 % aller Führungspositionen in diesem Land und in Europa.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es ist, glaube ich, unstrittig, dass die Quote nur ein Mittel ist. Wir müssen an den Rahmenbedingun

gen arbeiten, damit die Quote auch wirklich mit Leben erfüllt werden kann.

Wir müssen uns um einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung kümmern, um Ganztagsschulen, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter und Mütter, flexible Arbeitszeiten und viele andere Dinge mehr, die ich aufgrund der Zeit, die gerade abläuft, hier nicht mehr darstellen kann.

Ich glaube, es ist nicht nur eine Frage dessen, dem demografischen Wandel zu begegnen. Es ist nicht nur eine Frage von Geschlechtergleichstellung. Es ist auch eine Frage - das ist eigentlich der Kernpunkt dieser Debatte - von wirtschaftlicher Vernunft, die Frauenquote endlich durchzusetzen.

Ich freue mich, dass auch Sachsen-Anhalt diesen Weg jetzt mitgeht, wenn auch in kleinen Schritten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Hampel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzte Rednerin bleibt mir, zu konstatieren, dass in dieser Debatte bereits vieles von den Vorrednerinnen gesagt worden ist. Deswegen kann ich mich auf einige Anmerkungen beschränken.

Eines ist deutlich geworden: Wir alle freuen uns heute, der Gleichstellung in unserem Land ein Stückchen nähergekommen zu sein. Ich finde, es ist eine gute sachliche Diskussion im Ausschuss geführt worden, auch zwischen den Koalitionsfraktionen.

Natürlich - das richte ich an die Opposition - ist ein Kompromiss zustande gekommen, aber dieser Kompromiss ist ein richtig guter, so denke ich. Denn wir haben zwei ganz wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht.

Erstens wird unsere Landesregierung eine eigene Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Schaffung von Entgeltgleichheit von Frauen und Männern auf den Weg bringen. Zweitens unterstützen wir eine Bundesratsinitiative, die schon morgen im Bundesrat behandelt wird und die auf ein Gesetz zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen zielt. Damit werden wir gleich zwei ganz wesentlichen, bislang aber in der Praxis noch immer überall vorhandenen Diskriminierungen einen Riegel vorschieben.

Ich kann eigentlich eine Seite überspringen; ich möchte es kurz machen: Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung, damit wir

ein klares Signal nach Berlin und an den Bundesrat senden können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Frau Kollegin Hampel. - Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drs. 6/1331 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das so beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt 11 erledigt.

Wie ich bereits ankündigte, müssen wir aufgrund der Dringlichkeit den Tagesordnungspunkt 17 heute noch behandeln.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Erste Beratung

Unterstützung der Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Flughafenasylverfahrens nach § 18a des Asylverfahrensgesetzes

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1419

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Tiedge.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die asyl- und aufenthaltsrechtlichen Gesetze der Bundesrepublik bilden wahrlich ein kompliziertes und komplexes Regelwerk. Der Alltag von Menschen, die Asyl suchen, ist nur wenigen wirklich präsent.

Um deutlich zu machen, worum es meiner Fraktion mit dem vorliegenden Antrag geht, und gerade auch unter dem Eindruck der Debatte zu dem rassistischen Pogrom in Quedlinburg will ich daher zunächst etwas zur Entstehung und zur Praxis des Flughafenasylverfahrens sagen, weil die Kritik sich ohne diesen Kontext nicht vollständig erschließt.

Das Flughafenasylverfahren entspricht voll und ganz der Logik des sogenannten Asylkompromisses und wurde im Jahr 1993 im Zuge der Änderungen des Grundgesetzes und der massiven Einschränkung des Grundrechts auf Asyl eingeführt.

Bereits 1991 feierten Nazis Hoyerswerda als erste ausländerfreie Stadt Deutschlands, nachdem ehemalige Vertragsarbeiter nach tagelangen Angriffen auf ihre Unterkunft aus der Stadt evakuiert worden waren.

Zahlreiche andere Angriffe und Pogrome ereigneten sich als Fanal eines teilweise offen rassistisch geführten Diskurses über Zuwanderung und das Recht auf Asyl in Politik und Gesellschaft.

Bereits in den 80er-Jahren wurden von konservativer Seite immer wieder Forderungen nach Verschärfung des Asylrechts laut. Nach der Wieder

vereinigung und mit steigenden Flüchtlingszahlen nahmen die Auseinandersetzungen um das Recht auf Asyl eine neue Dimension an.