Protokoll der Sitzung vom 19.10.2012

Natürlich ist die Steuergesetzgebung insoweit unpolitisch, als es nicht darum geht, hier eine politische Präferenz irgendeiner Partei zu bedienen,

(Zuruf von der LINKEN: Ach, so ein Quatsch! - Herr Knöchel, DIE LINKE: Warum macht es dann die CDU? - Herr Leimbach, CDU: Ach was!)

indem man Steuerpolitik instrumentalisiert.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Unabhängig davon ist Steuerpolitik natürlich ein ganz mächtiges Instrument, um soziale Verhaltensweisen zum Beispiel zu steuern, zu motivieren und zu unterstützen,

(Zurufe von der LINKEN - Herr Höhn, DIE LINKE: Ach?)

zum Beispiel das Gebären von Kindern. Das wissen Sie doch alles. Der Finanzminister hat mit seinem Hinweis, dass das unpolitisch sein soll, genau diesen Aspekt gemeint. Das soll nicht ideologisch sein.

(Zuruf von der LINKEN: Nee! - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ist sie an der Stelle!)

Die Steuergesetzgebung soll nicht ideologisch sein.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ehegattensplit- ting ist total ideologisch!)

- Das ist sie an der Stelle überhaupt nicht.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Bei aller Unterschiedlichkeit kann man doch jetzt wieder auf die Sachebene zurückkehren. Es macht doch durchaus Sinn, dass man Steuerprivilegien den Institutionen und Vereinen vorenthält, die sich der Rechtsstaatlichkeit nicht unterordnen wollen, die extremistisch sind und an der Stelle mit dem Steuerprivileg nicht verantwortungsvoll umgehen.

Da kann es doch eigentlich überhaupt keinen Dissens geben.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE - Herr Leimbach, CDU: Ja!)

Die Frage ist doch, welches Instrument man zur Abgrenzung zwischen denjenigen, die es verdient haben, und denen, die es nicht verdient haben, bemüht.

(Zuruf von Herrn Höhn, DIE LINKE - Herrn Striegel, GRÜNE: Jetzt sagen Sie nur noch, dass das vom Verfassungsschutz her so sein soll! - Herr Leimbach, CDU: Verfas- sungsschutz? So ein Quatsch!)

- Dass Sie zum Verfassungsschutz eine eigene Meinung haben, das wissen wir doch nun alle. Das müssen Sie doch nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit hier immer wieder vortragen.

(Zurufe von den GRÜNEN - Herr Striegel, GRÜNE: Doch!)

Dass in den Verfassungsschutzberichten auch Institutionen und Vereinigungen stehen, die darin völlig zu Recht benannt werden, die verfassungsfeindlich sind, das ist doch die andere Seite der Medaille.

(Beifall bei der CDU)

Ich will einmal versuchen, ein paar Dinge, die Sie gesagt haben, zu entkräften; ich kann mich hier gar nicht an mein Redemanuskript halten.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Erst einmal, Herr Striegel: Ihre Unterstellung, dass die bloße Erwähnung in dem Verfassungsschutzbericht zu einem Entzug der Gemeinnützigkeit führt, ist schlichtweg falsch. Ich lese Ihnen jetzt einmal den Originaltext aus der Begründung zu dem Gesetz vor. Darin steht ausdrücklich - ich zitiere -:

„Körperschaften, bei denen der bloße Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit besteht und die nur als Verdachtsfall in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt wurden, ist nicht aufgrund des Verdachtes die Gemeinnützigkeit zu versagen.“

(Zuruf: Hört, hört!)

Das, was Sie hier suggeriert haben, ist gar nicht Praxis. Das stimmt so nicht.

Ich möchte zwar nicht dafür werben, dass das so darin stehen bleiben soll. Der Anlass, zu dem Sie das hier vorgetragen haben, ist einfach falsch. Außerdem ist das in der Form, wie Sie es dargestellt haben, überhaupt nicht das, was in der Realität passiert.

(Zustimmung bei der CDU)

Jetzt komme ich zu dem eigentlichen Problem und dazu, warum ich sage, dass Sie uns mit solchen Anträgen die Zeit rauben.

(Beifall bei der CDU)

Sie bringen einen Antrag ein in dem Wissen, dass wir - unabhängig davon, was wir heute machen und wie wir diesen Antrag im Ausschuss beraten, sofern wir überhaupt dazu kommen - überhaupt keine Zeit mehr haben, das Ergebnis unserer Beratungen in den Entscheidungsprozess einfließen zu lassen.

Die zweite Lesung des Jahressteuergesetzes findet am 26. Oktober 2012 im Bundestag statt. Bereits am 23. November 2012 tagt der Bundesrat. Angesichts der vollen Tagesordnung unseres Finanzausschusses werden wir dazu höchstwahrscheinlich erst am 29. November 2012 beraten. Insofern ist das ein reiner Antrag für die Galerie in dem Wissen, dass wir in den Gremien überhaupt nichts mehr bewegen können. Das finde ich nicht richtig.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir hätten diesen Antrag im Herzen abgelehnt, an der Stelle bin ich ganz ehrlich. Die CDU-Fraktion hatte emotional die Ablehnung auf dem Schirm. Wir überweisen den Antrag aber auch gern an den Ausschuss, weil wir ihn im Ausschuss wahrscheinlich nur für erledigt erklären können und gar nicht mehr darüber werden reden können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Barthel. - Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Quade.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Barthel, ich möchte aus der Stellungnahme des Bundesrates zur Änderung des Jahressteuergesetzes zitieren:

„Mit der vorgesehenen bloßen Streichung des Wortes ‚widerlegbar’ … erlangt aber die Aufführung in einem Verfassungsschutzbericht nunmehr faktisch die Wirkung eines Grundlagenbescheids für die Körperschaftssteuerveranlagung, ohne dass es sich dabei tatsächlich um einen Verwaltungsakt handeln würde.“

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich verstehe, ehrlich gesagt, Ihre Überraschung und Ihre Entrüstung über die grundsätzliche Dimension dieser Debatte nicht.

Das Problem der Abgabenordnung und des Jahressteuergesetzes ist erstens, dass der Begriff „Extremismus“ bzw. der Begriff „extremistisch“ Eingang in ein Bundesgesetz finden soll. Dieser Begriff wird politisch so kontrovers wie emotional diskutiert. Das haben wir eben erlebt.

Dass Organisationen keine Unterstützung oder steuerliche Begünstigung erfahren dürfen, deren Aktivitäten sich gegen die Verfassung dieses Landes richten oder die den Kampf gegen die Demokratie, gegen Meinungsfreiheit oder auch gegen Menschen ganz konkret betreiben, ist völlig klar und unumstritten.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Genauso klar ist aber auch, dass sich die Gefährdung der Demokratie nicht auf Organisationen und Zusammenschlüsse beschränkt. Es gibt undemokratische und antidemokratische Einstellungen. Es gibt antisemitische und rassistische Stereotype. Es gibt die Vorstellung vom Recht des Stärkeren. Diese Einstellungen gibt es in allen Altersgruppen und in allen gesellschaftlichen Schichten.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

All diese Einstellungen sind Gefahren für die Demokratie. All diese Einstellungen werden aber vom Begriff des Extremismus nicht erfasst. Im Gegenteil: Die Verwendung des Begriffs vernachlässigt diese Gefahren, indem die Gesellschaft, ideologisch aufgeladen - auch das haben wir erlebt -, als zweigeteilt in demokratisch legitime Mitte einerseits und antidemokratische und illegitime Ränder anderseits dargestellt wird.

Der Extremismusbegriff taugt deswegen in den Augen der Fraktion DIE LINKE eben nicht, um eine solide Aussage über die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaft zu treffen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Vor allem aber sind die Begriffe „Extremismus“ und „extremistisch“ juristisch nicht definiert und kommen deswegen auch in keinem anderen Gesetz vor. Wenn dieser unbestimmte Rechtsbegriff nun Eingang in die Abgabenordnung für zivilgesellschaftliche Organisationen finden soll, führt das unmittelbar zum zweiten Problem.

Die Entscheidung darüber, ob eine Organisation verfassungsfeindlich oder extremistisch sein soll, obliegt laut Gesetz ausschließlich den Landesämtern für Verfassungsschutz und dem Bundesamt für Verfassungsschutz.