Protokoll der Sitzung vom 19.10.2012

Den Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen halten wir für völlig unzureichend. Bestandsaufnahmen sind immer gut. Dagegen kann man nichts haben. Aber der Punkt ist, dass wir uns als Parlament dazu bekennen müssen, dass Kinderrechte die Rechte sind, die den Kinder zustehen, und wir machen ernst damit, dass wir die Kinder darüber informieren, dass wir die Kinderrechte erfahrbar machen, dass wir die Kinder dazu befähigen, für sich selber einzutreten. Das ist eine Verpflichtung, die wir vor 20 Jahren unterschrieben haben. Die gehört auch so klar benannt in die Bildungspläne hinein.

Eigentlich verstehe ich es gar nicht - wir sind uns doch alle einig, wenn ich die Rednerinnen und den Redner richtig verstanden habe -, warum es so schwer ist, dann am Ende zu sagen: Dann verstecken wir es auch nicht hinter anderen Begrifflichkeiten, sondern schreiben es dort hinein.

Ich fand, das war heute eine gute Debatte. Deswegen würde ich mich dem Antrag gern anschließen, dass wir die beiden Anträge in den zuständigen Ausschuss für Bildung und Kultur überweisen. Das ist, so finde ich, ein konstruktiver Vorschlag. Dann können wir die heute begonnene Debatte mit all ihren Verästelungen und Konse

quenzen, die aus solch einer Haltung heraus für andere Rechtsbereiche erwachsen würden, dort weiterführen.

Insofern möchte ich für die Überweisung werben. Den Alternativantrag können wir nicht unterstützen. Den werden wir ablehnen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank. - Damit ist die Debatte abgeschlossen und wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen zunächst über die beantragte Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Kultur ab. Wenn diese Überweisung nicht zustande kommen sollte, würden wir danach über den Antrag selbst abstimmen. Würde dieser auch keine Mehrheit erhalten, müssten wir dann über den Alternativantrag abstimmen.

Wer möchte also den vorliegenden Antrag zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung und Kultur sowie in den Ausschuss für Arbeit und Soziales - - Das ist nicht beantragt worden.

(Frau Bull, DIE LINKE: Doch, wir würden es beantragen!)

- Also liegt ein Antrag auf zweifache Überweisung vor in die Ausschüsse für Bildung und für Soziales. - Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Dann stimmen wir über den Antrag in der Drs. 6/1484 in seiner ursprünglichen Fassung ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer lehnt ihn ab? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit hat der Antrag keine Mehrheit gefunden.

Ich lasse nunmehr über den Alternativantrag abstimmen. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Alternativantrag so beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt 19 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung

Situation an der Martin-Luther-Universität Halle

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1496

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/1526

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/1527

Für die Einbringerin spricht der Abgeordnete Herr Lange.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Medienberichten zufolge steht die Martin-Luther-Universität vor einer enormen Stellenkürzung. Von 100 bis 170 Stellen ist darin die Rede. Tatsächlich hat das Rektorat der MLU dem Senat ein Papier vorgelegt, in dem ein Stellenabbau von 95,3 Stellen bis zum Jahr 2019 vorgeschlagen wird. Hintergrund ist nach Angaben des Rektorats ein strukturelles Defizit von 6 Millionen €.

Ein Aktionsbündnis von Studierendenvertretungen und Gewerkschaften protestiert verständlicherweise gegen dieses Vorgehen, das wohl auch unter den Professorinnen Skepsis auslöst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um die Situation an der MLU zu verstehen und zu analysieren, braucht es den Blick zurück ins Jahr 2003. Die damalige Landesregierung entschied in diesem Jahr - also 2003 -, die Haushaltsbudgets der Hochschulen ab dem Jahr 2006 um ca. 30 Millionen € zu kürzen. Die Martin-Luther-Universität hatte dabei mit 14,7 Millionen € den größten Batzen zu tragen.

Einher ging diese Kürzungsabsicht mit einer Diskussion zur Hochschulstruktur des Landes. Diese Strukturmaßnahmen, die damals von der sogenannten Benz-Kommission vorgeschlagen und von der Landesregierung beschlossen wurden, führen bis heute zu Verwerfungen im Hochschulsystem, denn selbstverständlich können Angestellte und Beamte nicht einfach entlassen werden. Gleichwohl leisten diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Stellen nicht mehr besetzt werden sollen, eine sehr gute und wichtige Arbeit an der Universität.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Grund für die Kürzungen um 30 Millionen € im Hochschulsystem des Landes wurde die demografische Entwicklung des Landes genannt, wonach die Studierendenzahlen ab 2006 abnehmen und ab 2008 einbrechen sollten. Damit die Studierendenzahlen sanken, haben die Hochschulen im Land gemeinsam mit dem Ministerium die Anzahl der zulassungsbeschränkten Fächer ab 2006 enorm ausgeweitet.

Für Sachsen-Anhalt sind mit diesen Beschlüssen 33 850 personalbezogene Studienplätze von ehemals 39 251 personalbezogenen Studienplätzen festgelegt worden. Die MLU hat diesen Beschlüs

sen zufolge 13 700 personalbezogene Studienplätze bei einer Stellenzahl von 1 855, das Ganze immer gerechnet ohne die medizinische Fakultät.

Dabei war die Zielstruktur mit 1 011 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter und mit 844 Stellen für nichtwissenschaftliches Personal gedacht. Einher gingen diese Beschlüsse mit den Änderungen des Landeshochschulgesetzes und der Einschränkung der Hochschuldemokratie, verkauft unter dem Begriff „Autonomie“. Im Zuge dieser Autonomie durften die Hochschulen dann entscheiden, wo sie kürzen wollen, und das wird heute noch immer „Profildiskussion“ genannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Autonomie und Reform immer nur Kürzungen bedeutet und damit Beschränkungen einhergehen, ist es verständlich, wenn ihnen gegenüber eine gewisse Skepsis herrscht, obwohl der Ursprungsgedanke ein guter ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Abbau der Hochschulstrukturen und Studienplätze war ein schmerzhafter Prozess und die demografische Entwicklung ein Scheinargument; denn, meine Damen und Herren, nun kam alles anders. Die Studierendenzahlen sind nicht gesunken, sondern massiv gestiegen. Der Bund hat einen Hochschulpakt mit den Ländern geschlossen, um Abiturientinnen und Abiturienten einen Studienplatz auch unter der Bedingung des Vorhandenseins vieler Studienplatzbewerber zu ermöglichen. Dabei wurden Zielzahlen festgelegt, und unsere Hochschulen müssen die gleichen Studienanfängerzahlen wie 2005 haben, als besonders viele junge Menschen bei uns im Land ein Studium begonnen hatten.

Da danach die beschriebenen Kürzungen erfolgten, fahren unsere Hochschulen trotz Hochschulpaktmitteln eine enorme Überlast; denn auf 34 000 Studienplätzen im Land studieren über 50 000 Studierende. Ich glaube, dieses Jahr sind es 54 000 Studierende. Deswegen sind Vorstellungen - wie beispielsweise vom Finanzminister -, dass bei sinkenden Studierendenzahlen auch Budgetkürzungen möglich sind, eine Illusion; denn die Hochschulen würden dann erst wieder in Richtung auf eine normale Auslastung laufen. Glauben Sie mir: Überfüllte Hörsäle, Vorlesungen im Steintor-Varieté und Videoübertragungen von Vorlesungen am Abend sind kein Qualitätsmerkmal.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fakt ist: Die Hochschullandschaft in Deutschland ist unterfinanziert. Konservativ gerechnet, fehlen allein zur Verbesserung der Lehre mehr als 1 Milliarde €, wobei wir hierbei den Bund ganz besonders in der Pflicht sehen. Gerade in experimentellen Fächern werden Mittel für Praktika und Masterarbeiten häu

fig aus Drittmitteln genommen, was eigentlich nicht zulässig ist.

Gleichwohl gab es weder zur letzten Budgetverhandlung noch zur Erarbeitung der Zielvereinbarung und auch nicht zu den Haushaltsberatungen - nicht einmal zum Nachtragshaushalt - ein Signal aus der Universität und schon gar keines aus der Landesregierung. Ich hätte schon erwartet, dass dort ein Signal aus der Einrichtung und aus der Landesregierung kommt, wenn fast 100 Stellen abgebaut werden sollen, weil 6 Millionen € fehlen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Deswegen braucht es Aufklärung und Problemlösungen. Das möchten wir mit diesem Antrag erreichen. Auch wenn sich die Ministerin freut, dass die Hochschulleitung strategisch arbeitet, sie wird bestimmt wieder sagen, dass die mangelnde Strategiefähigkeit vom Wissenschaftsrat angekreidet wurde. Ich sage: Strategien immer nur zum Abbau zu entwickeln, ist frustrierend, und mangelnde Strategiefähigkeit ist eben auch ein Resultat von zu wenigen, die an der Hochschule sind, die überhaupt noch Zeit dafür haben, Strategien zu entwickeln, wenn permanent Überlast gefahren werden muss.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist noch nicht klar, warum das Rektorat jetzt mit dieser Strukturdiskussion beginnt. Es gibt eine gültige Beschlusslage. Wenn jetzt Stellen an der größten Universität im Land in diesem Umfang gestrichen werden, hat das massive Auswirkungen auf die Studienplatzkapazitäten, zumal die Struktur- und Profildebatte erst mit dem Bericht des Wissenschaftsrates im nächsten Jahr erfolgen soll - und auch dann erst fundiert erfolgen kann.

Meine Damen und Herren, wir haben gestern kurz darüber geredet. Ich halte es für gefährlich, dass die Uni-Leitung signalisiert, die Überlast mit noch weniger Stellen bewältigen zu wollen. Deswegen ist damit unverzüglich der zuständige Ausschuss zu befassen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielleicht sollten dazu noch Uni-Leitung und Statusgruppenvertreter eingeladen werden. Dann könnten wir statusgruppenübergreifend ins Gespräch kommen. Warum die Koalition die Ministerin vor einem Zusammentreffen mit dem Aktionsbündnis an der Uni schützen will, ist mir auch unklar. Sie haben es aus unserem Antrag de facto herausgestrichen. Da bin ich schon ein wenig irritiert.

Meine Damen und Herren! Unklar ist auch, wie es dazu kommt, dass es innerhalb des Budgets der Universität Halle Jahr für Jahr Überträge in das nächste Jahr gibt. Mir ist nicht unklar, wie es dazu kommt; denn die sind da und die werden dann

auch wieder verwendet. Aber wenn man das über Jahre hinweg mit einer relativ konstanten Summe macht, dann kann man sehr schwer davon reden, dass diese Summe zur Besetzung von Stellen fehlt, und das müssen wir aufklären. Deswegen müssen wir da ins Gespräch kommen, und das bedarf auch der Ausschussdebatte.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unser Antrag zielt auch darauf hin, dass die Hochschulpaktmittel perspektivisch fortgeschrieben werden. Die Hochschulrektorenkonferenz hat ausgerechnet, dass bis 2025 die Studierendenzahlen in Deutschland gleichbleibend hoch anzusetzen sind. Von daher ist es dringend notwendig, die Hochschulpaktmittel fortzuschreiben. Wahrscheinlich müssen aber die Vorzeichen des Hochschulpaktes geändert werden, indem dort beispielsweise auch Masterstudiengänge berücksichtigt werden.

Den Antrag der GRÜNEN unterstützen wir. Das würden wir übernehmen. Es ist völlig klar, dass auch die Debatte um das Kooperationsverbot mit aufgegriffen werden muss. Dazu haben wir auch schon Anträge in den Landtag eingebracht.

Meine Damen und Herren! Es muss eine offene Diskussion darüber geben, wie die zukünftige Hochschulstruktur im Land aussehen soll und welches Profil die einzelnen Hochschulen im Land entwickeln sollen. Wir müssen darüber diskutieren, wie viel Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften wir an den einzelnen Einrichtungen haben wollen. Was machen wir mit den sogenannten kleinen Fächern, den Orchideen, die nun einmal auch noch sehr häufig an der Martin-Luther-Universität vertreten sind?

Von daher braucht es hier eine ergebnisoffene Diskussionen und eine Diskussion, die auch im Land geführt wird. Bevor wir das nicht geklärt haben, ist eine Präjudizierung der falsche Weg. Ich finde es gut, wenn die Universität in Halle Vorschläge macht. Vorschläge ja, aber Tatsachen zu schaffen, bevor wir die Diskussion über die zukünftige Hochschulstruktur geführt haben, halte ich für falsch.

Meine Damen und Herren! Die Lage ist ernst, und es herrscht dringender Handlungsbedarf. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.