Protokoll der Sitzung vom 19.10.2012

Meine Damen und Herren! Die Lage ist ernst, und es herrscht dringender Handlungsbedarf. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Lange. - Für die Landesregierung spricht die Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft, Frau Ministerin Professor Dr. Wolff.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Martin-Luther-Universität beschäftigt sich seit

längerer Zeit damit - derzeit besonders ernsthaft -, das weite Spektrum ihrer Aktivitäten zum einen qualitativ zu bewerten und es zum anderen mit dem Budget in Einklang zu bringen. Das ist eigentlich selbstverständlich, erregt aber eine große öffentliche Aufmerksamkeit.

Es gehört zu den Aufgaben einer eigenverantwortlichen Universität und ihrer Leitung, darauf zu achten, wie ihre Entwicklungsziele und ihre internen Strukturen, auch die Stellenpläne, zu ihrem Budget passen - zu einem Budget, das der Landesgesetzgeber, also das Parlament, vorgibt, und zwar seit dem Haushalt 2004 als Globalbudget. Das heißt, damit kann die Uni frei wirtschaften. Sie muss aber auch damit auskommen, so wie alle anderen Hochschulen auch mit ihrem jeweiligen Budget. Diesem Verfahren haben die Hochschulen in den Zielvereinbarungsverhandlungen zugestimmt.

Auffallend an der aktuellen Debatte sind zwei Dinge: der Umfang der vorgeschlagenen Anpassungsmaßnahmen und deren Verbindung mit der Profildiskussion der Martin-Luther-Universität. Zu beidem - in diesem Zusammenhang natürlich auch zu den vorliegenden Anträgen der Fraktionen - erlauben Sie mir bitte einige Bemerkungen.

Erstens. An der MLU wird niemand entlassen.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

- Das haben Sie auch dieses Mal korrekt dargestellt. Es geht nicht um Personen, sondern um Stellen.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Es geht um die Frage, welche der vielen nicht besetzten Stellen wieder besetzt werden sollen und welche entfallen, also tatsächlich auch buchhalterisch gestrichen werden können. Es geht konkret um die Frage, welche Stellen entfallen sollen, wenn der derzeitige Stelleninhaber altersbedingt oder aus anderen Gründen die Universität verlässt. Diese Diskussion kennen Sie alle aus den verschiedenen Ressorts der Landesverwaltung. Entlassungen sind nicht das Thema. Das ist ganz wichtig.

Die MLU führt diese Diskussion als autonome oder, wie ich lieber sagen würde: eigenverantwortliche Hochschule. Denn seit der Veränderung auf einen Globalhaushalt im Jahr 2004 vereinbaren wir keine Stellenentwicklungsziele oder Stellenpläne mehr mit den Hochschulen, sondern eben Hochschulbudgets und Zielzahlen für die personalbezogenen Studienplätze.

Die Stellenzahlen sind dann ein Sekundäreffekt und können bei identischen Rahmenbedingungen für das Budget und die Studienplätze je nach den fachlichen und strukturellen Schwerpunktsetzungen der Universität sehr unterschiedlich ausfallen. Es muss lediglich gewährleistet werden, dass der

vom Parlament beschlossene Budgetrahmen eingehalten wird.

Zweitens. Der Anlass der Diskussion ist das sogenannte strukturelle Defizit der MLU. Mit dem Ausdruck „strukturelles Defizit“ ist der Fehlbetrag gemeint, der entstünde, wenn alle im Stellenplan ausgewiesenen Stellen besetzt wären und entsprechend bezahlt würden. Dieses Defizit beträgt nach Angaben der Universität ungefähr 6 bis 7 Millionen €. Eine solche Summe ist für das Rektorat ebenso wie für den Landtag und die Landesregierung nicht überraschend; sie wurde schon einmal erheblich höher beziffert. Der genannte Betrag wurde vor den Verhandlungen über die laufende Zielvereinbarung vom Rektorat aus einer Analyse des Haushalts und der inneren Mittelbindung und Kostenentwicklung ermittelt und im Ministerium nachvollziehbar dargestellt.

(Zuruf von der LINKEN)

Zusätzliche Finanzmittel, die diese Lücke schließen könnten, kann das Wissenschaftsressort leider nicht zur Verfügung stellen. Um den Budgetrahmen einzuhalten, glich und gleicht die Universität das besagte strukturelle Defizit im Haushaltsvollzug aus, und zwar im Wesentlichen dadurch, dass sie Stellen nicht oder nicht wieder besetzt.

Die vorliegenden Anträge stellen auch einen Zusammenhang zwischen der Finanzsituation der Universität und den Hochschulpaktmitteln her. Diese Hochschulpaktmittel sind allerdings leider nicht dazu da, wie die Fraktion DIE LINKE schreibt, einen Beitrag zur stabilen Finanzierung der Hochschulen zu leisten. Die ostdeutschen Länder erhalten sie vielmehr dafür, dass sie ihre Hochschulkapazitäten so lange nicht an ihre eigene negative demografische Entwicklung anpassen, wie die Studienanfängerzahlen aus den westdeutschen Ländern kompensierend wirken.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Bei ihrer Werbung um Studierende aus den alten Ländern waren die ostdeutschen Hochschulstandorte bislang erfolgreicher, als es vorherzusehen war. Es zeichnet sich ab, dass die bisher vom Bund geplanten Mittel früher als geplant verbraucht sein werden. Deshalb gibt es tatsächlich Gründe, um mit der Bundesregierung über die Verstetigung der Finanzierung der Hochschulpaktmittel zu reden, wie es im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen heißt. Das tun wir auch. Auch für eine Lösung zur Überwindung des Kooperationsverbots setzen wir uns ein. Aber das ist ein weiteres und anderes Feld.

Lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen, zum strukturellen Defizit der MLU. Es hat verschiedene Ursachen. Die wichtigste - darauf möchte ich mich hier beschränken - besteht darin, dass die Umsetzung der Einsparungen, die im Jahr 2003 beschlos

sen wurden, bis heute innerhalb der Universität unvollständig geblieben ist. An der Uni Halle ging es dabei um die vergleichsweise hohe Summe von 14,7 Millionen €. Herr Lange erwähnte die Zahl. Ein sichtbares Anzeichen dafür ist neben anderen die im Vergleich zu den anderen Hochschulen immer noch recht hohe Summe, die durch Personalkosten in der Titelgruppe 96 gebunden wird. Das ist Geld, das natürlich an anderer Stelle fehlt und dazu führt, dass Strukturstellen nicht besetzt werden können.

Andere Strukturmaßnahmen, die im Jahr 2004 beschlossen wurden, wurden aus bestimmten Gründen anders umgesetzt, als es geplant war, oder sie hatten geringere finanzielle Effekte, als es erwartet worden war. Die Universität muss also bei ihren eigenen Strukturmaßnahmen aus der Vergangenheit nachbessern.

Die Martin-Luther-Universität bemüht sich zu Recht, diese Diskussion nicht als Einspardebatte zu führen. Es wird ihr aktuell auch überhaupt kein Geld weggenommen. Im Gegenteil, die Budgets sind in den letzten Jahren, wenn auch nur leicht, aber doch immer etwas erhöht worden.

Die MLU verbindet die Debatte vielmehr mit einer nach vorn gerichteten Profildiskussion, also mit der Frage, wie das fachliche Profil der Universität unter den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen in der Zukunft aussehen soll. Das ist zu begrüßen und es ist angesichts der Begehung durch den Wissenschaftsrat auch erforderlich.

Zu einer autonomen Hochschule gehört es, dass die Gremien der Universität über das zukünftige Profil diskutieren. Dass es dabei mitunter auch schwierige und unerfreuliche Entscheidungen zu treffen gibt, ist gewissermaßen die Kehrseite der Autonomiemedaille.

Wir alle helfen der MLU und ihren Gremien, wenn wir ihr bzw. ihnen die Möglichkeit geben, diese Diskussion als Hochschule eigenverantwortlich zu führen, um die zukünftige Schlagkraft der MLU zu sichern und weiter zu verbessern. Die Position der Uni wird auch in den nächsten Zielvereinbarungsverhandlungen im Jahr 2013 umso besser sein, je überzeugender sie sich als gut positionierte und strategiestarke Hochschule positioniert, die nicht auf Fremdsteuerung angewiesen ist.

Über die Frage, ob es zusätzliches Geld gibt, lieber Herr Lange, entscheidet aus guten Gründen das Parlament und nicht ein Ministerium. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Herrn Lan- ge, DIE LINKE)

Danke schön, Frau Ministerin. - Für die Fraktion der SPD spricht Frau Abgeordnete Dr. Pähle.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es gleich vorweg zugeben: Bei der Diskussion über der Martin-Luther-Universität Halle kann ich mich nicht von persönlichen Interessen und vielleicht auch von Emotionen freimachen und will es auch nicht. Ich will es zum einen nicht, weil die Universität für die Entwicklung der Stadt Halle eine zentrale Bedeutung besitzt. Ich will es zum anderen auch nicht, weil der Umgang mit dieser speziellen Situation in Halle auch bestimmen wird, wie wir im Land zukünftig zur Strukturplanung im Hochschulbereich kommen werden.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Wer sich momentan in der halleschen Universität umhört, der erlebt eine große Verunsicherung und auch eine große Wut. Schon wieder werden dort Diskussionen über knappe Finanzmittel und in der Folge über Stellenstreichungen geführt. Wer die Universität in Halle länger kennt - ich für meinen Teil kann sagen, dass ich meine Alma Mater seit dem Jahr 1996 kenne -, der weiß, dass diese Diskussionen dort in fast absehbaren Abständen immer wieder auftauchen.

Die ersten Studentenproteste fanden noch während meiner Studierendenzeit im Zeitraum 1997/ 1998 statt. Die ersten richtigen und heftigen Stellenkürzungen werden im Rektoratsbericht für die Jahre 2001 und 2002 aufgeführt. Hier wird davon berichtet, dass die MLU einen Abbau von 407 Stellen erreicht hat. Auch in den folgenden Jahren war die MLU genauso wie die anderen Hochschulen unseres Landes von den Verhandlungen über Zielvereinbarungen und einer damit verbundenen Profildiskussion geprägt.

Meine Damen und Herren! Die Verhandlungen über feste Budgets für die Hochschulen und die damit verbundene Planungssicherheit halte ich für ein hohes Gut, und zwar für beide Seiten, für die Universität und für das Land.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Auch die damit gewachsene Hochschulautonomie, die Freiheit der Hochschulen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, ist ein hohes Gut. Aber Freiheit kann in diesem Sinne zweierlei Bedeutungen haben. Dies zeigt die Situation an der MartinLuther-Universität ganz explizit.

Auf der einen Seite steht die Freiheit der Hochschule für eigene Projekte und für eigene Profilierungen. Hier ergeben sich Entwicklungsmöglichkeiten, die die Attraktivität unserer Hochschulen erhöhen können und die wir nutzen müssen. Gleichzeitig erfährt die Universität aber auch Freiheit von Rahmensetzungen und Freiheit von Begleitung. Diese Freiheit ist meiner Meinung nach kein Gewinn.

Meine Damen und Herren! Eine Begleitung des momentan stattfindenden Diskussionsprozesses ist gefragt; denn für Außenstehende ist es schwer einzuschätzen, wie die unterschiedlichen Bewertungen der Interessen- und Statusgruppen der Universität abzuwägen sind. Hat die MLU tatsächlich ein Haushaltsdefizit oder hat sie es nur theoretisch bzw. zukünftig?

Wer die Ausführungen des Rektors und des Kanzlers der Universität gehört, sowohl schriftlich wie auch während der Senatssitzung am 10. Oktober 2012, der gewinnt den Eindruck, dass wir momentan von einer theoretischen Finanzlücke reden, wenn die Hochschulpaktmittel einen Tages nicht mehr kommen werden.

Diese Mittel werden momentan zur Absicherung der Lehre genutzt. Mit ihnen wird also Personal eingestellt bzw. finanziert. Aber genau dafür sind diese Mittel auch da. Die durch die Universität getragene Überlast an Studierenden wird durch den Bund und die Länder mit den Hochschulpaktmitteln kompensiert. Die Mittel sind zur Verbesserung der Lehre einzusetzen.

Die Sorge des Rektorats, was nach dem Auslaufen der Hochschulpaktmittel geschieht, kann ich inhaltlich teilen. Dennoch halte ich sie für nicht akut, wenn man die Laufzeit des Hochschulpaktes und die aktuellen und prognostizierten Studierendenzahlen bis zum Jahr 2025 betrachtet.

Der Vorschlag der Universität lautet, dieser zukünftig zu vermutenden Defizitsituation schon heute Stellenstreichungen entgegenzusetzen. Mit Verlaub, ich habe auf den Strukturplan oder in den Vorschlag des Rektorats geschaut. Hierbei geht es um Streichungen von Professuren. Es geht um Streichungen im Mittelbau. Es geht nicht um eine Streichung der technischen Assistenzstellen. Es geht um die Streichung von Professuren, die gleichzeitig die Streichung von Mittelbaustellen und technischen Assistenzstellen nach sich zieht. Zu sagen, eine Streichung von Professuren ist keine Strukturentscheidung und keine Profilbildung, geht vollkommen am Sinn und an dem Wert dieser Entscheidungen vorbei, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist also die Frage erlaubt, ob diese Streichungen, also diese vorbeugenden Maßnahmen, notwendig sind und ob sie heute getroffen werden müssen. Deshalb haben die die Regierung tragenden Fraktionen in ihrem Änderungsantrag einen Bericht zur Situation in der MLU vom Ministerium erbeten.

Wir gehen davon aus, dass sich das Ministerium - deswegen haben wir es nicht extra im Antrag aufgeführt wie die Fraktion DIE LINKE - in Gesprächen mit dem Rektorat und mit allen Statusgruppenvertretern sowie allen Interessengruppen darüber austauschen wird und nicht nur mit dem Aktions

bündnis, für das ich große Sympathie hege und bei dem ich auch das Engagement der jeweiligen Beteiligten schätze. Aber eine Diskussion muss mit allen Vertretern geführt werden. Deshalb haben wir diesen Punkt aus unserem Antrag gestrichen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ach, ja!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich am Ende noch einmal unterstreichen, dass die Autonomie der Hochschulen kein Persilschein für die Landespolitik ist, sich in die Belange und die Organisation der Hochschulen nicht einbringen zu müssen. Vielmehr muss hier Augenmaß gewahrt werden und es gilt abzuwägen. Denn Autonomie braucht einen Rahmen und eine verlässliche Verabredung der einzelnen Partner über die gewünschte Struktur.

So hat das Land eine genaue Vorstellung hinsichtlich der Lehrerausbildung und auch hinsichtlich der Landwirtschafts- und der Ernährungswissenschaften geäußert. Nur weil sich das Land bisher nicht zu den Geistes- und Sozialwissenschaften geäußert hat, dürfen diese nicht zum Freiwild in Kürzungsdiskussionen werden.