Protokoll der Sitzung vom 19.10.2012

So hat das Land eine genaue Vorstellung hinsichtlich der Lehrerausbildung und auch hinsichtlich der Landwirtschafts- und der Ernährungswissenschaften geäußert. Nur weil sich das Land bisher nicht zu den Geistes- und Sozialwissenschaften geäußert hat, dürfen diese nicht zum Freiwild in Kürzungsdiskussionen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade weil diese Wissenschaften ein zentraler Bestandteil des Profils der Martin-Luther-Universität sind und gerade weil diese Wissenschaften momentan die Hauptlast der Studierenden tragen und damit durch die besagten Hochschulpaktmittel wahrscheinlich mehr Geld in die Universität einspielen, als sie letztlich verbrauchen.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen. Auch wir werden gern den Änderungsantrag der GRÜNEN in unseren Antrag übernehmen. - Ich danke.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Dr. Pähle. Ich habe den Schluss nicht verstanden, was Ihre Anmerkung zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betraf.

(Herr Borgwardt, CDU: Sie wollen ihn über- nehmen!)

- Okay. Danke schön. - Als nächste Rednerin spricht in der Debatte Frau Kollegin Dalbert.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Auskunft der Universität in Halle - wir haben es gehört - hat die Universität ein strukturelles Defizit von 6 bis 7 Millionen €. Das Defizit ist durch Steigerungen im Personalkostenbereich und im Sachmittelbereich zustande gekommen. Es sind aber auch Kosten des Erfolgs. Zum Beispiel An

mietungen für Drittmittelprojekte und anderes mehr stehen hinter diesem Defizit.

Die Universität hat das umgerechnet und gesagt, das entspreche 25 Professuren oder eben 100 Stellen. Das ist das, was Frau Dr. Pähle angesprochen hat. Das wären weitreichende strukturelle Einschnitte.

Deswegen begrüßen wir auch den in beiden Anträgen enthaltenen Passus, dass versucht werden soll, die Hochschulpaktmittel zu verlängern. Allein mir fehlt der Glaube, dass das sehr lange reichen wird; denn warum sollen die Westbundesländer auf Dauer einen Teil ihrer Mittel an die Ostbundesländer abgeben? Deswegen haben wir gesagt, wir fassen das noch etwas weiter und gucken auch auf das Kooperationsverbot, damit wir hier wirklich eine Verstetigung hinkriegen. - So weit dazu.

Aber worum geht es denn jetzt? - Die Ausgangssituation - die Frau Ministerin hat uns das noch einmal dargestellt - sind die Zielvereinbarungen, die den Universitäten Budgets geben. Offensichtlich ist jetzt eine Situation eingetreten, in der das Budget nach Aussagen der Universität nicht reicht. Da muss man sich zuerst darüber unterhalten, wie solche Zielvereinbarungen zustande kommen.

Die relevante Frage ist doch dann: Wer verhandelt denn da eigentlich? Sind das gleich starke Partner, wie man das in den Tarifverhandlungen hat? - Ich habe meine Zweifel, dass hinsichtlich der Zielvereinbarungen tatsächlich gleich starke Partner am Tisch sitzen oder ob es nicht am Ende dann heißt - ich sage es jetzt einmal salopp -: Vogel, friss oder stirb! Also: Die Uni kann sich noch ein bisschen an den kleinen Ausformungen beteiligen, aber der Rahmen steht eigentlich fest, weil die Universitäten kein Streikrecht wie die Arbeitnehmerschaften haben und deshalb keinen Druck ausüben können.

Ich finde das Mittel der Zielvereinbarung schon in Ordnung. Aber ich würde es auch nicht überbewerten, weil es keine Vereinbarung zwischen gleich starken Partnern ist.

Dann hat die Zielvereinbarung mit der Autonomie der Hochschule zu tun. Da muss man fragen: Autonomie wozu? Autonomie, um selbständig Schulden abzubauen? Das kann es nicht allein sein, sondern es geht darum, dass die Hochschulen Autonomie zum Gestalten haben. Zum Gestalten gehört auch Bewegungsfreiraum. In der Situation, die wir jetzt haben, kann der Bewegungsfreiraum der Martin-Luther-Universität nach den Aussagen der Leitung der Universität offensichtlich nur so aussehen, dass sie Stellen abbaut. Das kann es nicht sein. So kann man keine Profildiskussion führen und kein Profil gestalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich kann Autonomie auch nicht heißen, Frau Ministerin, dass Autonomie eine Entschuldigung

für die Tatenlosigkeit der Ministerin ist. Frau Pähle hat da, finde ich, ein schönes Wort geprägt: Begleitung. Autonomie heißt also nicht die Entpflichtung der Landesebene, sondern eine kooperative Begleitung.

Frau Pähle hat angesprochen, dass es an der einen oder anderen Stelle schon Klärungsbedarf gibt, wie es denn jetzt genau mit den finanziellen Defiziten ist, wann die tatsächlich eintreten. Sie stellen das so dar, als ob das alles erst sehr viel später eintritt. Aus der Hochschule höre ich, dass man kurz vor einer Haushaltssperre steht. Deshalb wäre eine konstruktive Begleitung sicherlich für alle Beteiligten hilfreich. Autonomie ist hierbei keine Entschuldigung.

Aber gucken wir auch in die Martin-Luther-Universität. Auch die Martin-Luther-Universität ist an der Situation nicht ganz schuldlos, möglicherweise gar nicht so sehr hinsichtlich der Aufhäufung des strukturellen Defizits. Aber wissen Sie, ich bin seit dem Jahr 1998 an der Martin-Luther-Universität und überblicke auch schon ein paar Jahre der Geschichte dieser Universität.

Diese Universität hat es, solange ich sie kenne, noch nie geschafft, eine Profildiskussion zu führen. Das, was dort stattfindet, ist keine Profildiskussion. Stattdessen sind es immer Spardebatten unter dem Mantel einer Profildiskussion, und zwar nach dem Motto: Wo kann ich am unschädlichsten sparen, wo kann ich am unschädlichsten Stellen streichen, wo kann ich am unschädlichsten Abteilungen schließen? Das ist keine Profildiskussion.

Bei einer Profildiskussion fragt man nach den Stärken und Schwächen. Man kann auch fragen, an welcher Stelle eine Stärke aufgebaut werden soll, die bis jetzt noch nicht vorhanden ist, beispielsweise im Bereich der Lehrerbildung, wie in München der Fall. Allerdings braucht man Geld, um so etwas aufzubauen.

Insofern ist der Grund dafür, dass es an der Martin-Luther-Universität nie echte Profildiskussionen gegeben hat, bei der Leitung zu suchen. Ein Versäumnis der Martin-Luther-Universität ist es ebenfalls, dass seit dem Jahr 1998 diese Profildiskussionen, die eigentlich Spardiskussionen sind, immer undemokratisch abgelaufen sind, nie unter Beteiligung aller an der Universität.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zum Thema Zeitplan. Der Wissenschaftsrat ist schon angesprochen worden. Eine echte Profildiskussion kann jederzeit geführt werden. Es ist immer gut zu wissen, wo die Stärken und wo die Schwächen sind. Dann kann man das Selbstbild mit dem Fremdbild vergleichen, das der Wissenschaftsrat spiegelt.

Aber das, was im Augenblick an der Martin-LutherUniversität passiert, dass man noch in diesem Jahr

über einen Anteil von über 50 % der Kürzungen entscheiden will und damit weitreichende Struktureingriffe vornimmt, ist wirklich Unsinn. Eine demokratisch legitimierte Profildiskussion, die mit allen Gruppen an der Universität geführt wird, ist gut und auch zum jetzigen Zeitpunkt möglich.

Streichungsdebatten noch in diesem Jahr zu führen, bevor im nächsten Jahr die Vorschläge des Wissenschaftsrats vorgelegt werden - das ist der falsche Weg. Es liegen Vorschläge vor, übrigens auch von der Studierendenschaft, ein Moratorium vorzunehmen und Stellen nicht oder befristet zu besetzen, um eine Haushaltssperre abzuwenden, aber keine Struktureingriffe zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen.

Wenn man sich unter dem Stichwort Profildiskussion an die Spardebatte aus dem Jahr 2001 und folgende erinnert, dann wird deutlich, dass damals sehr viele Fehlentscheidungen getroffen worden sind, unter denen wir an der Universität noch heute leiden. Das brauchen wir im Jahr 2012 nicht noch einmal.

Meine Redezeit geht zu Ende. Ich möchte noch eine Anmerkung zu den Anträgen machen. Die Anträge sind sich im Wesentlichen sehr ähnlich. Es gibt einen Punkt, in dem sie sich unterscheiden, in dem das Bündnis explizit genannt wird. Ich finde das gut. Von den regierungstragenden Fraktionen haben wir nur das Wort, dass mit allen das Gespräch gesucht wird. Das Demokratiedefizit soll mit diesem Bündnis, in dem auch die Studierenden vertreten sind, aufgehoben werden.

Da die regierungstragenden Fraktionen sagen, das Gespräch solle mit allen gesucht werden, auch mit dem Bündnis, sind es eigentlich sehr ähnliche Anträge. Unsere Fraktion kann daher beiden Anträgen zustimmen. In einem Antrag ist ein Aspekt expliziter genannt als in dem anderen Antrag; das finden wir sympathisch. Aber wir hätten auch das Vertrauen, dass dieses Gespräch gesucht wird.

Ich habe noch eine allerletzte Anmerkung.

Frau Kollegin, das müsste aber eine kurze Anmerkung sein.

Dann mache ich an dieser Stelle Schluss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Professor Dr. Dalbert. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Thomas.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ministerin hat, wie ich finde, sehr plastisch und auch sehr treffend die Situation beschrieben. Geschätzte Kollegin Dalbert, ich teile Ihre Position in Bezug auf eine gewisse Untätigkeit seitens der Ministerin ausdrücklich nicht. Wenn wir an unseren Haushaltsplan für die Jahre 2012 und 2013 denken, dann stellen wir fest, dass der Einzelplan 06 - das ist der Einzelplan, der sich mit den Hochschulen befasst - einer der wenigen Einzelpläne ist, der gestärkt aus den Haushaltsberatungen hervorgegangen ist. Ich denke, das ist auch ein Verdienst unserer Ministerin.

Nichtsdestotrotz gibt es ein strukturelles Defizit an der MLU. Dies ist spätestens seit den Verhandlungen über die Zielvereinbarungen bekannt; denn das Defizit ist durch eine Analyse des MLU-Haushalts selbst, der Mittelbindungen und der künftigen Kostenentwicklungen plausibel errechnet worden.

Jetzt wird manchmal so getan, als gäbe es die Probleme erst seit gestern. Leider hat man sehr viel Zeit verstreichen lassen, um dieses Defizit durch unterschiedliche Maßnahmen zumindest in Teilen abzuschmelzen.

An dieser Stelle setzen sich für mich die schwierigen Entwicklungen fort. Das Rektorat hat stets einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt - das ist formal zutreffend. Dies ist aber nie durch strukturelle Anpassungen oder Umbrüche passiert, sondern durch die eigentlich nicht zweckdienliche Kompensation aus Mitteln des Hochschulpaktes und durch die Nichtbesetzung von Stellen. Genau an dieser Stelle liegt das Problem.

Die Mittel des Hochschulpaktes haben nach meinem Verständnis nicht den Sinn, strukturelle Finanzlöcher der Universitäten zu stopfen. Wenn ich mir die Personalkosten ansehe, dann stelle ich fest, dass an der Martin-Luther-Universität im Verhältnis zu anderen Universitäten erhebliche Ressourcen bei Titelgruppe 96 gebunden sind. Dieses Geld fehlt natürlich an anderer Stelle.

Ich möchte der MLU keine Defizite bei der Umsetzung von inneruniversitären Strukturmaßnahmen vorwerfen. Nicht dass ein falscher Zungenschlag in meine Ausführungen gelangt. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, warum die bisher in Angriff genommenen Maßnahmen kaum finanzielle Auswirkungen haben.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Diskussion, die völlig losgelöst von den aktuellen Entwicklungen und den benötigten finanziellen Mitteln stattfinden muss. Offensichtlich waren die Maßnahmen von vornherein nicht so angelegt, dass ein wirklicher struktureller Ertrag generierbar gewesen wäre.

Ich möchte dazu nichts weiter ausführen. Fakt ist für mich, dass wir eine Grundsatzdiskussion über die Zukunft der universitären Einrichtungen führen müssen. Dabei geht es um die langfristige Finanzierung, um Profilbildung, um Synergien, um das Abschmelzen von Doppelstrukturen sowie um die Sicherung und Verbesserung der Qualität. Das sind Themen, über die auch unabhängig von der MLU diskutiert werden muss. Unabhängig heißt aber nicht, dass sie ohne die Beteiligung der universitären Akteure erörtert werden sollen.

Angesichts der absehbaren rückläufigen Mittel in den kommenden Jahren sind wir angehalten, an dieser Stelle die wichtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Tun wir dies nicht, wird uns die Not der Finanzierbarkeit schneller einholen als gedacht. Das wird sich nachhaltig auf die Qualität an unseren Universitäten und Hochschulen auswirken.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, der durch den Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN entsprechend ergänzt wird. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Thomas. - Als letzter Debattenredner spricht Herr Abgeordneter Lange.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich finde es spannend, dass die Universität dem Ministerium glaubhaft dargestellt hat, dass es dieses strukturelle Defizit gibt.

Ich frage mich aber: Warum wurde, wenn das so ist, das Parlament durch das Ministerium nicht darüber informiert? - Ich kenne keine Ausschusssitzung, in der das thematisiert worden ist.