Herr Präsident, ich habe keine Frage, sondern einfach die Bitte, dass Sie als Präsident dafür Sorge tragen, dass der für dieses Thema zuständige Fachminister an der Diskussion weiterhin teilnimmt.
Dann bitte ich einmal die Mitarbeiter aus dem Kultusministerium - - Nein, die Tür öffnet sich soeben und der Minister kommt herein. Dann haben wir auch das abgearbeitet.
Wir fahren fort in der Debatte. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Gorr. Bitte schön, Frau Gorr.
Hohes Haus! Wem dient diese Aktuelle Debatte, wem nützt sie? - Als Rednerin für die CDU in der Aktuellen Debatte zu dem Thema „Entwicklung demokratiefeindlicher Einstellungen insbesondere im Osten Deutschlands“ bin ich mir fast sicher gewesen, welche Akzente Herr Striegel und Herr Gallert setzen würden. Daher werde ich auf ihre Beiträge nicht näher eingehen, obwohl mich die Schilderung aus Halberstadt außerordentlich schockiert hat.
Ich werde meinen eigenen Redebeitrag zur Auswertung der jüngsten Veröffentlichung der Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Mitte im Umbruch - Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012“ vortragen. Allerdings sind einige Äußerungen von Herrn Striegel gerade zum Antifaschismus in der DDR und im Zusammenhang mit den Ereignissen in Halberstadt überaus nachdenkenswert.
Demokratie, sehr geehrte Damen und Herrn Abgeordnete, ist anstrengend. Jedes einzelne Mitglied dieses Parlaments, insbesondere die direkt gewählten Abgeordneten, aber auch alle anderen wissen darum.
Das am gestrigen Tag verabschiedete Schulgesetz und der damit verbundene parlamentarische Prozess bieten hierfür ein anschauliches Beispiel. Grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen, unterschiedliche Menschenbilder, die jeweilige Definition von - so formulierte es gestern Minister Dorgerloh - Bildungsgerechtigkeit, aber auch ideologische Vorurteile und nostalgische Gefühle haben in
Wir alle haben es uns nicht leicht gemacht. Es sind auch Enttäuschungen entstanden. Aber wir haben in der gestrigen Novembersitzung des Landtages das 14. Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt mehrheitlich verabschiedet. Wie konnte das gelingen?
Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Es konnte gelingen, weil wir ein funktionierendes Parlament haben, das einen Rahmen vorgibt, den wir füllen wollen und müssen, wenn wir ein Vorbild für Demokratieerziehung im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt sein wollen. Wir sind geübt in Rede und Gegenrede. Wir fühlen uns als Mitglieder der Partei, der wir jeweils angehören, den Grundsätzen dieser Partei und unseren Fraktionskollegen verpflichtet und sind auch auf Zeit mit einem Koalitionspartner verbunden, mit dem wir unsere eigenen Vorstellungen austarieren müssen, um das Miteinander zu gewährleisten.
Genau dies, meine Damen und Herren Abgeordneten, haben viele von uns auch schon an anderer Stelle einüben können, sei es als Stadtrat, als Mitglied des Kreistages oder eines Ortschaftsrates, sei es als Bürgermeister.
Wir wissen, dass die Regierungsfraktionen Gestaltungsmöglichkeiten haben und sich gleichzeitig im vorgegebenen Haushaltsrahmen bewegen müssen. Wir wissen, dass es Sache der Opposition ist, ohne Personalhoheit und Personalverantwortung Forderungen zu stellen, die ihren eigenen politischen Schwerpunkten Gewicht verleihen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen das auch die Menschen, denen wir zum Teil demokratiefeindliche Einstellungen bescheinigen oder vorwerfen? Wissen das die von Herrn Gallert als solche bezeichneten Hartz-IV-Empfänger, die sich nicht zuletzt auch durch die öffentlichen Diskussionen ausgegrenzt und ausgebeutet fühlen? Wissen die Lehrerinnen und Lehrer unseres Landes und geben sie den ihnen anvertrauten Kindern weiter, wie anstrengend Demokratie ist, wenn man seine Ziele erreichen möchte, und wie viele Niederlagen damit verbunden sind?
Wissen die Menschen in unserem Land, gerade auch die Menschen der sogenannten Mitte und die jüngeren Leute, warum Parteien wichtig sind, um unsere Demokratie zusammenzuhalten? Sind nicht gerade in Ostdeutschland viele Menschen froh darüber, dass sie jetzt frei sind vom Zwang, für ihr Fortkommen einer Partei beitreten zu müssen?
Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, wie gefährlich allzu populistische Parolen, Feindbilder oder Versprechen sind, die die Welt schwarz-weiß malen. Sie gaukeln den Bürgern leichte Lösungen vor. Sie machen glauben, dass Demokratie herrscht, wenn man seine eigenen
Forderungen eingelöst bekommt, unabhängig von den tatsächlichen Rahmenbedingungen oder den Bedürfnissen anderer.
Auch die politischen Ebenen EU, Bund, Land und Kommunen müssen immer wieder miteinander ringen, um ihre jeweiligen Interessen ausreichend vertreten zu sehen. Das, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist jeden Tag aufs Neue anstrengend.
Diese Anstrengung, die für eine funktionierende Demokratie nötig ist, lässt sich deutlich an der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ablesen. Nur 14,5 % der Befragten können sich vorstellen, aktiv in einer politischen Partei mitzuarbeiten. Schon getan haben dies sogar nur 10,5 %.
Demokratie wird oft nicht als etwas erlebt, das einen selbst betrifft. Die Demokratie selbst muss also gestärkt werden. Das bedeutet, nicht nur mehr Demokratie, sondern auch mehr Politik zu wagen.
Wir haben es geschafft, den Einzug von Rechtsextremen in unser Parlament zu verhindern. Wir haben unter der Mitwirkung vieler zivilgesellschaftlich verankerter Mitstreiterinnen und Mitstreiter das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus „Für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“ aufgelegt, das sich klar auch gegen jede andere Form von Extremismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit richtet.
Insbesondere unsere Ministerien für Inneres und Sport, für Arbeit und Soziales, das Kultusministerium und die Staatskanzlei sind seit Jahren eng in den Kampf gegen Extremismus, insbesondere gegen Rechtsextremismus, eingebunden.
Aber die größte Verantwortung trägt jeder Einzelne hier im Hohen Haus. Wir sind das Vorbild. Wir müssen unseren Bürgerinnen und Bürgern, unseren Schülerinnen und Schülern Demokratie und politische Prozesse erklären und sie mitnehmen bei dem, was wir tun und entscheiden. Wir müssen uns selbst vor Populismus und Schwarz-WeißMalerei hüten und den Menschen stattdessen unsere politischen Konzepte im fairen Wettbewerb miteinander erläutern. Wir müssen Menschen für unser Netzwerk für Demokratie und Toleranz gewinnen, und zwar gerade die jungen Menschen und die sogenannte Mitte der Gesellschaft.
Wir sollten die vielfältigen Möglichkeiten der Landeszentrale für politische Bildung nutzen, aber auch unsere Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen fordern. Patrick Wanzek hat hier ein breites Spektrum dessen vorgestellt.
Nur durch die Motivation zu tatsächlicher Teilhabe und zu aktivem Mittun wird es uns gelingen, in Zusammenarbeit mit den vielen Projektträgern im
Land unser demokratisches System, für das sehr viele Ostdeutsche auf die Straße gegangen sind, zu stärken und ihm Stabilität zu geben. Nur so erreichen wir eine Identifikation mit unserer Demokratie. Dies ist die beste Immunisierung gegen extremistische Versuchungen und Verirrungen.
Bildung ist, wie es Minister Dorgerloh gestern in seiner Rede zum Schulgesetz sagte, eine substanzielle Voraussetzung für Demokratie. Genau darauf, werte Abgeordnete, macht uns die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aufmerksam.
Hinsichtlich der Methodik empfehle ich uns allen, die Studie in ihrer Gesamtheit zu lesen. Ich lege auch allen ans Herz, den neuen Sachsen-AnhaltMonitor durchzuarbeiten. - Ich danke dafür, dass ich heute die Gelegenheit hatte, diese Rede vor dem Hohen Haus zu halten.
- Sie wollen keine Fragen beantworten. - Herr Herbst, dann kann ich Ihnen lediglich für eine Kurzintervention das Wort erteilen.
Dann mache ich das so. Danke, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schade, dass bei einem so wichtigen Thema weder die Kollegin von der CDU-Fraktion noch der Kollege von der SPD-Fraktion Nachfragen zu ihren Beiträgen zugelassen haben.
Aber das ist selbstverständlich ihr gutes Recht. Ich möchte in dieser Zwischenintervention einfach nur bekennen, dass ich heute von den Beiträgen der Koalitionsfraktionen, aber auch von dem Beitrag des Ministers zu diesem Thema enttäuscht bin.
Ich hätte mir wirklich deutlichere Aussagen gewünscht. Ich glaube, dass sie mit diesen Beiträgen auch ein Stück weit hinter das zurückgefallen sind, was wir bei anderen Debatten zu ähnlichen Themen in diesem Hause schon festgestellt haben, beispielsweise als es um das Landesprogramm für Demokratieentwicklung ging.
Frau Kollegin Gorr, irgendwie hatte ich bei Ihrem Beitrag teilweise das Gefühl, Sie haben die Ursachen für die heutige Debatte etwas verwechselt.
Wir haben heute nicht über irgendwelche Anschuldigungen oder Bescheinigungen der Oppositionsfraktionen gegenüber Ihnen oder der Gesellschaft gesprochen. Vielmehr geht es um die Dinge, die in der Studie festgestellt werden. Es ist eine Studie, über die wir gesprochen haben, die den Ostdeutschen demokratiefeindliche und rassistische Einstellungen bescheinigt. Es sind nicht irgendwelche Beiträge der Oppositionsfraktionen. Dazu hätte ich mir heute klarere Aussagen gewünscht.
Ich glaube nicht, dass die Vorschläge, die gemacht wurden, sozusagen in einer vereinigten Speerspitze - -
Herr Kollege Herbst, Sie wollten lediglich eine Kurzintervention machen, nicht jedoch eine Rede halten.
Ich habe das Wesentliche gesagt. Ich habe meine Enttäuschung über die Redebeiträge bekannt. Das war es auch schon. - Danke.
Meine Damen und Herren! Nach § 46 der Geschäftsordnung des Landtages werden Beschlüsse zur Sache in der Aktuellen Debatte nicht gefasst. Der Tagesordnungspunkt ist damit abgeschlossen.