Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Unsere andere Sicht auf Kommunen finden Sie zuallererst in unserem Änderungsantrag zu § 1 Abs. 2, den Sie in den Ausschussberatungen abgelehnt haben. Wir wollen im Gesetz ein Anerkenntnis dessen festschreiben, dass Kommunen freiwillige Aufgaben haben.

Ein zweiter Punkt ist - Sie haben zwar immer gesagt, dass Sie das Problem erkannt haben, haben das aber nicht ins Gesetz aufgenommen -, dass sich in der kommunalen Familie ab dem nächsten Jahr eine ganze Menge ändern wird, insbesondere im Rechnungswesen durch die Umstellung auf die Doppik. Unter Ihrer Kassenstatistik steht: Die Zahlen sind schon nicht mehr mit dem Vorjahr vergleichbar, weil sich systematische Änderungen ergeben haben. Wir hätten das gern als Planungsvorgabe für das Ministerium mit im Gesetz gehabt, deswegen dieser Änderungsantrag zu § 1 Abs. 2.

Sie sagten, über Angemessenheit könne man jahrelang reden und Angemessenheit gehe in alle Richtungen. Das ist richtig. Aber eine aufgabenangemessene Finanzierung mithilfe der Kassenstatistik zu ermitteln, die zum Beispiel nicht getätigte Ausgaben nicht enthält, und alle Einnahmen gegenzurechnen, das führt zu einem geschlossenen System, das immer weiter nach unten geht.

Wir haben eine andere Sicht auf die kommunale Finanzierung. Unsere Sicht auf die kommunale Finanzierung ist, dass die Kommunen an den Erfolgen, aber auch an den Einnahmeschwankungen des Landes teilhaben sollen. Deshalb haben wir ein anderes System vorgeschlagen, einen Einnahmenverbund. Das ist nicht der alte Steuerverbund.

Der Annahme, dass die kommunalen Einnahmen steigen werden - Herr Barthel hat beim letzten Mal das Ziel formuliert, dass die Kommunen eine bessere Einnahmesituation haben -, trägt dieses System Rechnung. Wenn die Kommunen erfolgreich sind, geht in unserem System der Landesanteil zurück.

Da man, wie gesagt, jahrelang über Aufgaben und über das, was angemessen ist, reden kann, haben wir gesagt: Wir reden lieber über die Mindestfinanzausstattung, die zum Tragen kommt, wenn die über den Einnahmenverbund kommenden finanziellen Mittel nicht auskömmlich sind. Über eine Mindestausstattung zu sprechen ist etwas anderes, als eine Angemessenheitsdebatte zu führen, die in alle Richtungen gehen kann.

Im Prinzip haben Sie vorgemacht, wie eine Mindestausstattung funktionieren kann und welche Überlegungen zur Finanzierung kommunaler Aufgaben anzustellen sind. Sie haben neulich einen Betrag von 1,602 Milliarden € ermittelt. Dann haben Sie die Remanenzkostenpauschale von 30 % in die Rechnung aufgenommen und neu gerechnet. Und was kam bei Ihrer neuen Betrachtung heraus? - 1,602 Milliarden €. Selbst wenn die Welt am 21. Dezember 2012 untergeht, kommen wieder 1,602 Milliarden € heraus.

Sie rechnen immer wieder neu. Es gab Änderungen in den §§ 4 und 5. Die Zahlen sind okay, aber sie zeigen: Das ist ein permanenter Rechnungs

prozess, und wenn Sie neu rechnen, kommt jedes Mal eine andere Zahl heraus.

(Minister Herr Bullerjahn: Das ist nun mal so!)

- Ja, eben. Das ist so. - Deswegen ist, glaube ich, das Verbundsystem sinnvoller als der Versuch, immer wieder neu zu rechnen und sich dann über die Mathematik zu streiten.

Ja, wir haben vorgeschlagen, dass die Mindestausstattung gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ermittelt wird.

Bei den Ergänzungszuweisungen haben wir uns weiter angenähert. Bei den Kreisstraßen haben Sie unseren Vorschlag sogar übertroffen. Ich finde das System, die Zuweisungen an den Kosten zu orientieren, sogar relativ sinnvoll. Wir hätten das auch mittragen können, wenn das nicht alles zulasten der Schlüsselzuweisungen gehen würde, also des Bereiches, der tatsächlich die Umverteilung bewirkt.

Sie hatten die Überlegung, ein U6-Kriterium einzuführen. Das kann man tun. Man kann sagen: Wir wollen die Betreuung der unter Sechsjährigen besonders fördern. Aber wir bleiben dabei: Das gehört eigentlich in das Kinderfördergesetz und nicht in das FAG. Denn damit verstetigen Sie nur den negativen Trend für die Gemeinden, die nur wenige unter Sechsjährige haben. Deswegen schlagen wir mit den §§ 11a und 11b Ergänzungszuweisungen vor, die die notwendigen Anpassungsprozesse tragbar machen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ganz besonders wichtig ist § 17. Der Ausgleichsstock - das unbekannte Wesen im Land SachsenAnhalt, der Ort, woher der Finanzminister die Schecks holt, die er verteilt, womit er die Doppik finanziert, womit der Innenminister schnell einmal den Digitalfunk finanziert. Niemand weiß, wie dieser Ausgleichsstock funktioniert. Wir denken, hierfür sollte es verbindliche Regeln geben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir wollen eine Rechtsverordnung, damit derjenige, der einen Antrag stellt, nachvollziehen kann, nach welchen Kriterien das Finanzministerium hierüber entscheiden wird. Das geht nämlich im Moment nicht so einfach. Auch hierauf haben wir eine etwas unterschiedliche Sicht.

Dass die Leistungen für Asylbewerber im nächsten Jahr aus dem Ausgleichsstock genommen werden sollen, halten wir übrigens für zielführend; denn die Kosten sind noch nicht ermittelbar. Insoweit tragen wir diese Übergangslösung mit.

Aber Schecks verteilen Sie gern. Sie haben ganz „starke“ Programme aufgelegt.

(Frau Niestädt, SPD: Die sind gut! - Minister Herr Bullerjahn: Das nehmen die anderen auch gern!)

Stark II geht auf das Problem ein, zu dem der Finanzminister sagt: Armut sieht anders aus. - Ja, klar: Der Reichtum, den wir sehen, ist über Kredite finanziert worden, und die Kommunen haben nicht die Möglichkeit, diese Kredite aus eigenen Mitteln zurückzuzahlen. Deswegen brauchen sie den Finanzminister.

Bei Stark III wird der Herr Finanzminister zum besseren Schulminister und sagt, was nach seinen Vorstellungen gemacht werden muss. - Das Problem ist richtig erkannt; die Art, wie Sie es angehen, halten wir für problematisch.

Bei Stark IV erkennen Sie eigentlich an, dass die Kommunen in den letzten Jahren unterfinanziert waren. Wir denken, dass nicht Stark-Programme für diese Probleme eine adäquate Lösung bieten.

(Zuruf)

- Sie waren insoweit unterfinanziert, als Kassenkredite auflaufen mussten, weil die Landeszuweisungen zurückgegangen sind.

Aber gerade mit diesem Lenken aus Magdeburg, bei dem Sie nicht nur Finanzminister, sondern auch unser bester IT-Administrator und unser bester Bauverwalter sind - jetzt wollen Sie auch noch der beste Kämmerer und der beste Schulplaner werden -, geht alles ein bisschen in Richtung Planwirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben eine andere Sicht auf kommunale Selbstverwaltung.

(Minister Herr Bullerjahn: Ich bin ja sonst nicht so, aber damit bin ich dann nah bei Ih- nen! - Heiterkeit)

Ich glaube, Entscheidungen werden am besten vor Ort getroffen und nicht im Finanzministerium. Deswegen stehen wir für eine auskömmliche Ausstattung der Kommunen, statt über „starke“ Programme nachzusteuern, was in der Vergangenheit versäumt worden ist. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, das Gesetz erstaunt immer wieder. - Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD Herr Kollege Erben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Dezember und im Landtag ist wieder

einmal FAG-Zeit. So ist es im Jahr 2012, so war es im Jahr 2009 und so war es im Jahr 2011. Vermutlich wird es auch im Herbst 2013 wieder so weit sein; denn dann werden wir die Aufgabe mit den Remanenzkosten zu bewerkstelligen haben. Und wenn das geschafft sein wird, geht es bereits an die Vorbereitungen für das FAG 2015/2016, wie ich das richtig berechne usw. usf.

Manchen Kollegen wird das nerven. Ich halte diesen Beratungsaufwand für sehr angemessen und wichtig; denn wir setzen mit dem FAG einen Anspruch der Kommunen von Verfassungsrang um und wir verfügen mit dem FAG über ungefähr ein Sechstel des gesamten Landeshaushaltes. Das ist nicht nur ein mathematischer Vorgang, sondern auch die Umsetzung von Strukturpolitik in Sachsen-Anhalt. Das haben wir in den letzten Monaten sehr intensiv getan.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Noch nie in der jüngeren Geschichte hatte der Finanzausgleich ein solches Volumen wie im Jahr 2013.

Herr Knöchel, ich möchte auf die Haushaltskonsolidierung eingehen. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können, wann die Stadt Halle das letzte Mal kommunale Finanzzuweisungen in Höhe von mehr als 200 Millionen € bekommen hat, wie sie sie im nächsten Jahr bekommen wird. Das Gesetz ist eben kein Spar- und erst recht kein Kaputtspargesetz. Es sichert eine sehr ordentliche kommunale Finanzausstattung, im konsumtiven Bereich genauso wie bei den Investitionen.

Das Ziel des heute zu beschließenden Gesetzes ist es, die Zentren zu stärken, aber auch den strukturschwachen Regionen im Land zu helfen. Ich glaube, dieses Gleichgewicht haben wir erreicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Finanzausstattung der kreisfreien Städte wird deutlich verbessert. Nun höre ich natürlich von dort kein besonders großes Lob, doch die früher oft massive Kritik ist verstummt. Vielleicht gilt auch hier der Grundsatz: Nichts gesagt ist genug gelobt. Ich bin überzeugt davon, dass das FAG in den Jahren 2013 und 2014 den kreisfreien Städten genügend Antrieb geben wird, Zugpferde für die Entwicklung unseres Landes zu sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Zum Schluss der Verhandlungen ist es uns gelungen, dies nicht zu gefährden und den strukturschwachen Regionen dennoch zu helfen. Regionen, die vom Einwohnerrückgang besonders betroffen sind, werden jetzt bei den Anpassungsprozessen unterstützt und müssen nicht allein mit den Problemen klarkommen.

Durch die von den Koalitionsfraktionen gemeinsam eingebrachten Änderungen werden bei der Bemes

sung der Finanzausgleichsmasse erstmals auch sogenannte Remanenzkosten der Kommunen berücksichtigt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass zurückgehende Einwohnerzahlen nicht im Verhältnis 1 : 1 geringere Ausgaben bei den Kommunen nach sich ziehen.

Das Gesetz erkennt an, dass auch durch eine große Fläche und nicht nur durch viele Einwohner Lasten für die Landkreise entstehen. Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, die Belastungen der Landkreise mit großer Fläche und weiten Wegen besser auszugleichen. Wir haben die besonderen Ergänzungszuweisungen für die Unterhaltung der Kreisstraßen auf 5 400 € je KiIometer Kreisstraße pro Jahr aufgestockt. Allein diese Veränderung bringt zum Beispiel dem Altmarkkreis Salzwedel pro Jahr Mehreinnahmen in Höhe von 1,06 Millionen €.

Auch haben wir Vorsorge getroffen, dass die Landkreise und kreisfreien Städte mit den zu befürchtenden Mehrausgaben für die Unterbringung von Asylbewerbern nicht alleingelassen werden, sondern dass ebendiese, wenn sie entstehen, voll erstattet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, kurz zu skizzieren, was uns im nächsten Jahr bei der Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs erwartet.

Das Landesverfassungsgericht hat uns mit seinem Urteil aufgegeben, zum 1. Januar 2014 eine Regelung im FAG zu treffen, die die Remanenzkosten im FAG aufgabenscharf berücksichtigt. Mir ist bewusst, dass die heute zu beschließende Regelung diesen Maßstäben wohl nicht ohne Weiteres genügt. Wir wollen aber mit der 30%-Regelung das Signal an die Kommunen aussenden, dass wir ernsthaft um eine Lösung bemüht sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)