Das muss auch deshalb verhindert werden, meine Damen und Herren, weil es die gesetzliche Rente insgesamt infrage stellt und zu erheblichen Akzeptanzproblemen führt. Wenn man 33 Jahre lang ar
beitet und genau weiß, dass man nicht weit über den Durchschnittsverdienst hinauskommt, und dann eine Rente auf Grundsicherungsniveau bekommt, dann fragt man sich doch gleich am Anfang, warum man da zig Jahre einzahlen soll. Die Rente wird auf diese Weise nicht mehr akzeptiert - zumindest nicht auf Dauer. Ich kann mir nicht vorstellen, wie.
Wir wollen eine solidarische Mindestrente einführen. Sie soll einkommens- und vermögensgeprüft sein und muss aus Steuermitteln finanziert werden. Die Verhinderung von Altersarmut ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und muss deshalb auch von ihr getragen werden.
Diese solidarische Mindestrente verdient ihren Namen deshalb, weil sie nicht von langjähriger Beitragszahlung abhängig gemacht werden soll. Auch solidarische Komponenten, die bereits Bestandteil der gesetzlichen Rente sind, sollen gestärkt werden, wie beispielsweise die bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten oder die bessere Anrechnung von Zeiten der Pflege oder der Ausbildung.
Wir wollen Langzeitarbeitslose wieder durch Beitragszahlung absichern. Das war übrigens eines der ganz wenigen Versprechen der Hartz-Gesetzgebung, die den Betroffenen tatsächlich eine Verbesserung gebracht haben - zumindest einige Tage. Die Verbesserung war, dass alle - auch die Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger - rentenversichert waren. Auch dieses Versprechen wurde mit der Abschaffung der Beitragszahlung gebrochen.
Inzwischen - auch das habe ich hier schon einmal gesagt, ich wiederhole es trotzdem, weil man es nicht oft genug sagen kann - ist von der angeblich größten Arbeitsmarktreform aller Zeiten nichts weiter übrig geblieben als die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, und das hätte man billiger haben können.
Natürlich wird es von der LINKEN keinen Antrag zur Rente geben ohne die Forderung nach der Angleichung der Rentenwerte Ost und West. Sie soll bis zum Ende des Jahres 2016 abgeschlossen sein. Dann - 2016 -, meine Damen und Herren, werden seit der Wende 27 Jahre vergangen sein.
Der Sozialversicherungsbericht der Bundesregierung ging schon 2007 davon aus, dass die Angleichung der Löhne und Gehälter frühestens im Jahr 2030 erreicht sein wird. Auch das steht meines Wissens schon wieder infrage. Niemand - vor allen Dingen Sie nicht, meine Damen und Herren - kann
wollen, dass die Nachwirkungen der DDR fast genauso lange bestehen oder vielleicht sogar noch länger
Das aber wird passieren. Das wird passieren, wenn nicht endlich eine Angleichung erfolgt und wenn dadurch nicht endlich auch weiterer Druck auf die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West ausgeübt wird.
DIE LINKE flankiert ihre Forderungen zur Rente mit Forderungen nach guter Arbeit, also mit Forderungen nach Mindestlohn sowie nach der Eindämmung des Niedriglohnsektors und der Leiharbeit. Das ist der Grund dafür, dass die Mindestrente nicht zu teuer wird; denn es bleiben nur noch sehr wenige Menschen übrig, die überhaupt auf sie angewiesen sind. Das ist unser Ziel.
Gute Arbeit, gutes Einkommen, gute Rente - das ist der sozialpolitische Dreiklang der LINKEN. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Kollegin Dirlich. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bischoff. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage nach der Rente beschäftigt viele Menschen schon in Zeiten, in denen sie mitten im Berufsleben stehen. Zudem zerteilt die Frage nach der Rente Ost und West. Das betrifft manchmal auch Verwandtschaftsverhältnisse. Ich kenne das auch aus meinem Bereich.
Es geht hierbei nicht allein um die Frage, welchen Rentenanspruch wir erworben haben, sondern auch um die Frage, welche Zusatz- und Betriebsrente jemand im Westen erhält, wo die gesetzliche Rente das Häubchen ist, das oben draufkommt, auch aufgrund von in den letzten Jahrzehnten erworbenen Ersparnissen, die im Osten nicht in dem Umfang möglich waren.
Man bekommt heutzutage einen Überblick, wenn man jedes Jahr seinen Rentenbescheid erhält. Das ist für diejenigen, die im Landtag sind, nicht
In dem Bescheid lese ich immer, was ich für eine Rente bekommen würde. Das könnte jeder von Ihnen erzählen. Die Frage ist: Ist alles gerecht zugegangen? - Ich sage dann immer: Ein Glück, dass ich im Landtag bin. Man weiß nicht, was sonst gewesen wäre. Für 22 Jahre Tätigkeit in der DDR sind bei mir 292 € Rente zusammengekommen. Dann bekommt man immer noch mit, wenn sich das etwas erhöht.
Es gibt in der Frage nach der Rente in Bezug auf diejenigen, die gar nicht berücksichtigt werden, wie Geschiedene - Sie kennen das alle -, noch viel größere Ungerechtigkeiten. Ich diskutiere auch viel mit Leuten, etwa mit Chemikern, die außen vor gelassen werden oder bei denen das Bundessozialgericht anders entschieden hat. Wahrscheinlich lassen sich nicht alle Ungerechtigkeiten beseitigen, weil die Fälle einfach zu detailliert sind. Ich bin froh, dass es die Einheit gegeben hat und so mancher eine ordentliche Rente bekommt.
Trotzdem ist es richtig, Frau Dirlich, den Antrag zu stellen und die Diskussion, die in allen Parteien bereits seit einem Jahr geführt wird, immer wieder neu aufzunehmen. Auch in dem Entwurf eines Rentenversicherungs-Lebensleistungsanerkennungsgesetzes, das in „Alterssicherungsstärkungsgesetz“ umbenannt worden ist und über das jetzt diskutiert worden ist, ist eine Lösung nicht in Sicht.
Über alles, was von Frau von der Leyen sozusagen vorgestellt worden ist, wurde, so glaube ich, auch innerhalb der CDU diskutiert. Die SPD hat mittlerweile ein Konzept vorgelegt, über das auch diskutiert wird. Die Gewerkschaften haben eines vorgelegt. Die Kirchen haben teilweise etwas vorgelegt.
Wenn man jedes einzelne Konzept betrachtet, wird man riesige Unterschiede feststellen, zum Beispiel dass es wenige rückwirkende Sachen gibt. Meistens ist es auf die Zukunft ausgerichtet, wobei man die Frage stellt: Was ist mit denjenigen, die jetzt in Rente gehen, die in den letzten 20 Jahren unterbrochene Erwerbsbiografien haben und vieles andere?
Mir bleibt in den fünf Minuten nicht so viel Zeit zu beurteilen, ob das Rentenkonzept, das DIE LINKE vorlegt, überzeugend ist und für alle gilt. Ich bin nicht der Experte. Ich müsste vorlesen, was mir die Rentenexperten des Sozialministeriums aufgeschrieben haben. Aber ich glaube, ich muss so ehrlich sein und sagen: Ich sehe nirgendwo ein
überzeugendes Konzept, das bezahlbar ist und von allen akzeptiert wird. Zum SPD-Konzept wird vielleicht der Sprecher unserer Fraktion etwas sagen.
Es stellt sich zum Beispiel die Frage, was unter den Punkten 1 und 4 gemeint ist, wenn es um die Modelle geht. Welche Modelle meinen Sie? Oder nehmen Sie von jedem Modell etwas?
Wir kennen zum Beispiel zum großen Teil die Arbeitnehmerversicherung in der Rente. Unter Punkt 1 fordern Sie die Erwerbstätigenversicherung. Das ist eine andere, und zwar eine solche wie sie in England und Frankreich vorkommt, wo die Ansprüche bei den Hochverdienern abgeflacht werden.
Unter Punkt 4 geht es um die Vollversicherung. Die Vollversicherung ist das Modell, das in Holland und in der Schweiz praktiziert wird.
Weiterhin gibt es das Modell der Grundsicherung in Deutschland. Man könnte sich jetzt über die Höhe unterhalten und sagen: Sie muss bei 900 € liegen. - Zumindest gibt es verschiedene Modelle, die eine Rolle spielen.
Trotz der Diskussionen, die man auch im privaten Bereich, etwa mit Geschwistern und Bekannten, führt, bleibt die Frage hinsichtlich der Akzeptanz. Sie sagen zum Beispiel, Sie würden das Beitragsäquivalent wegnehmen. Dann wird zumindest die Diskussion mit denjenigen zu führen sein, die etwas über der Grundsicherung liegen oder aus dem SGB-II-Bezug heraus sind und die am Ende eventuell weniger Rente bekommen als diejenigen, die einen Zuschuss bekommen.
Die Frage, warum ich gerade im Niedriglohnsektor überhaupt arbeiten gehe - wenn ich gar nicht arbeiten gehen würde, würde ich einen anderen Zuschuss bekommen -, ist auch eine Frage der Akzeptanz.
Die SPD hat gesagt, sie würde die Altersberücksichtigungszeiten bis 67 erst einmal aussetzen. Das geht alles in die Richtung, an die man denken muss. Die Frage der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten versuchen mittlerweile alle Parteien zu beantworten. Es geht darum, ob sie rückwirkend anerkannt werden, ob die Grenze vor 1992 liegt, also was eigentlich gerecht ist.
Die Frage ist auch, welche Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente gerecht sind, ob hochgerechnet werden soll bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man in das eigentliche Rentenalter eintreten würde. Denn es kann niemand etwas dafür, wenn er erwerbsunfähig wird.
Das sind alles offene Punkte. Ich denke, es lohnt sich, darüber im Ausschuss zu diskutieren. Das gilt natürlich erst recht für die Ost-West-Angleichung, über die überall intensiv diskutiert wird. Ich glaube, dass es eine riesige Ungerechtigkeit ist, solange es keine Angleichung gibt.
Selbst wenn man Ihrem Vorschlag folgen würde, würde das eine bestimmte Summe kosten. Dann bleibt trotzdem noch der Höherbewertungsanspruch. Den wollten Sie ja beibehalten. Der würde noch zusätzlich etwas kosten. Ich habe jetzt keine Ahnung, wie viel. Dann stellt sich auch die Frage: Welche Akzeptanz gibt es dafür?
Es gibt aber viele andere Dinge, die richtig sind und mit denen man konform gehen kann. So sagen Sie, es muss wieder möglich sein, dass beim SBG-II-Bezug eine Rentenanwartschaft aufgebaut wird und Ähnliches. In manchen Dingen ähneln sich die Vorschläge, manche unterscheiden sich sehr stark. Am meisten bin ich neben der Akzeptanz darauf gespannt, ob es für die eine oder andere Regelung Mehrheiten im Bundestag gibt. Ich muss sagen: Ich bin diesbezüglich mehr als skeptisch.