Protokoll der Sitzung vom 20.02.2013

Das Land Sachsen-Anhalt bleibt ein sicheres Bundesland. Sie suggerieren mit Ihrem Gesetzentwurf, die Bürgerinnen und Bürger, wir alle befänden uns in ständiger Gefahr und nur eine umfassend ermächtigte Polizei könnte uns vor aller Unbill bewahren. Das ist falsch, das ist schlecht für die Grundrechte und es gaukelt Sicherheit vor, die Sie mit einem Polizeigesetz nicht schaffen können. Ihr Bedrohungsszenario hat mit objektiven Gegebenheiten so wenig zu tun, wie sich Ihre Maßnahmen als tauglich erweisen.

Wir brauchen ein Polizeigesetz, das die Waage zwischen Freiheit und Sicherheit hält. Ihr Gesetz tut das nicht.

Für uns GRÜNE gelten Grund- und Freiheitsrechte, die verfassungsrechtlich verbürgt sind, für alle Menschen unterschiedslos. Wir kritisieren deshalb beispielsweise die von Ihnen geplante Regelung zu Zwangstests. Zwangstests sind unnötig. Fälle aus der Vergangenheit, für die die Regelung anwendbar gewesen wäre, konnten weder von den Polizeigewerkschaften noch von Sachverständigen benannt werden.

Zwangstests sind unverhältnismäßig; denn sie greifen massiv in das Recht von Menschen ein, bei denen in den Augen der Polizei ein Grund zu der Annahme besteht, sie seien möglicherweise Träger einer Krankheit und stellten schon allein deshalb eine Gefahr dar.

Das führt zwangsläufig - damit muss ich Ihnen widersprechen, Herr Minister - zur Diskriminierung sogenannter Risikogruppen, also beispielsweise von Homosexuellen, Drogenabhängigen oder Prostituierten. So schürt man irrationale Ängste, leistet aber keinen Beitrag zu mehr Sicherheit für Polizisten und Rettungssanitäter.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Zwangstests - das ist fast das Schlimmste - sind unnütz. Sie führen nicht zu mehr Sicherheit. Bei einem Verdacht auf eine mögliche HIV-Infektion muss weiterhin eine spezielle Behandlung, eine sogenannte Postexpositionsprophylaxe, erfolgen.

(Zurufe von der CDU: Ach was! - Quatsch!)

Sie müsste selbst dann erfolgen, wenn sich der Verdacht per Schnelltest nicht fundieren ließe, weil das sogenannte diagnostische Fenster auch mit einem Zwangstest nicht geschlossen werden kann. Auch beim Träger des HI-Virus, also der möglicherweise ansteckenden Person, ist das Virus erst nach drei Monaten sicher diagnostizierbar. In

dieser Zeit kann bereits eine Weitergabe des Virus an Dritte erfolgt sein.

Die Aufklärung zu den Gefahren von Aids und über Ansteckungswege sowie der Versuch, der Mythenbildung entgegenzuwirken, würden besser helfen als jeder Zwangstest.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Dass bis heute Polizistinnen und Polizisten in diesem Land eingeschärft wird, sie sollten ihren Streifenwagen desinfizieren, nachdem sie einen HIVpositiven Menschen transportiert haben, zeigt doch, welchen Debattenstand wir derzeit leider noch haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Wo gibt es die Anweisung? - Herr Schröder, CDU: Was hat das mit dem Ge- setz zu tun? - Weitere Zurufe)

Was drohende Infektionen mit Hepatitis A oder Hepatitis B anbelangt, könnten Sie für Feuerwehrleute wirklich etwas tun. Sie könnten dafür sorgen, dass die Kosten der Impfung auch tatsächlich übernommen werden. Hierbei lassen Sie jedoch potenzielle Betroffene unter Verweis auf die Kommunen im Regen stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Herr Lange, DIE LINKE: Ja!)

Zurück zum Polizeigesetz. Während Sie die Befugnisse der Polizei - Stichworte: Staatstrojaner, Videoüberwachung, Zwangsabschaltung des Mobilfunknetzes - gar nicht weit genug ausdehnen können, verweigern Sie den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin die Kommunikation mit der Polizei auf Augenhöhe.

(Zuruf von der CDU: Wir haben gar nichts verweigert!)

Ihr Unwillen, auch Polizeihandeln rechtsstaatlich überprüfbar und damit notwendigerweise individuell zuordenbar zu machen, ist beschämend. Als scheinmodernisierte Pickelhaubenträger war von Ihnen, meine Herren von der CDU, nichts anderes zu erwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der LINKEN: Jawohl! - Oh! bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Tätä, tätä! - Zurufe von der CDU: Na, na! - Unruhe bei der CDU)

Nach dem Mitgliederentscheid der SPD hätte ich zumindest bei den Sozialdemokraten etwas anderes erhofft. Es sind von niemandem in der Anhörung tatsächliche Gründe gegen eine Kennzeichnung vorgetragen worden, aber es wurden viele gute Argumente dafür genannt.

(Zurufe von der CDU: Was machen Sie denn jetzt? - Ach was!)

Die Sachverständigen und Praktiker haben sich einhellig für eine solche anonymisierte Regelung ausgesprochen.

(Zurufe: Ach was! - Schön!)

Lediglich die Polizeigewerkschaften fallen durch einen irrationalen und ideologisierten Kampf gegen die Kennzeichnungspflicht auf.

(Herr Geisthardt, CDU: Die müssen ja auch den Kopf hinhalten im Gegensatz zu Ihnen!)

- Die müssen nicht nur den Kopf hinhalten, die müssen vor allem auch hinterher für ihr Handeln Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zuruf von der CDU: Meine Herren! - Lachen bei der CDU - Unruhe bei der CDU, bei der SPD und auf der Regierungsbank)

Genau deshalb ist es in einem Rechtsstaat wichtig, dass das Handeln der Polizei individuell zuordenbar ist; das ist doch der Punkt. Sie wollen per se dafür sorgen, dass Polizei unter Generalverdacht steht. Dagegen wehren wir uns.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zuruf von der CDU: Ach! - Zurufe von Frau Take, CDU, von Herrn Kolze, CDU, und von Herrn Wunschinski, CDU - Unruhe)

Wir wollen diejenigen wenigen, die sich in der Polizei - auch dort handeln Menschen - fehlerhaft verhalten, hinterher ermitteln können. Das ist das Ziel der Polizeikennzeichnung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU und von Frau von Angern, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Machen wir es doch einmal konkret: Dass inzwischen drei Bundesländer die Kennzeichnungspflicht eingeführt haben und weitere sechs Bundesländer die Kennzeichnungspflicht geplant und entsprechend in Koalitionsverträgen verankert haben, zeigt, meine Herren von der CDU, dass Sie hier lediglich Rückzugsgefechte führen. Die Polizeikennzeichnung wird kommen, spätestens nach der nächsten Landtagswahl.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Polizeigesetz wird keine Sicherheit geschaffen; sie wird auf Kosten der Bürgerrechte suggeriert.

Als im Deutschen Bundestag nach dem 11. September 2001 neue Sicherheitsgesetze beschlossen wurden, stimmte eine Reihe von Abgeordneten diesen nur unter dem Vorbehalt einer persönlichen Erklärung zu. Darin hieß es - Zitat -:

„Wir gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird.“

Persönliche Erklärungen aus den Koalitionsfraktionen sind mir für heute noch nicht bekannt. Aber gehen Sie bitte davon aus, dass das Landesverfassungsgericht die verfassungswidrigen Bestandteile Ihres Gesetzes für unwirksam erklären wird. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Steppuhn, Herr Kollege Striegel. Möchten Sie diese beantworten? - Bitte.

(Zuruf: Tu es nicht!)

Herr Kollege Striegel, ich habe eine Frage, zum einen aufgrund Ihrer Darlegungen hier, aber auch in anderen Zusammenhängen: Wie würden Sie persönlich Ihr Verhältnis zur Polizei und speziell zur Berufsgruppe der Polizisten beschreiben?

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Ambivalent!)

Das beantworte ich gern, auch wenn das hier nicht der Raum für persönliche Erklärungen ist; denn diese erfolgen im Regelfall erst am Ende eines Tagesordnungspunktes. Ich habe ein völlig entspanntes Verhältnis zur Polizei.

(Lachen bei der CDU - Minister Herr Webel lacht - Zuruf von der CDU: Glauben Sie ei- gentlich selbst, was Sie hier erzählen?)

Ich beantworte die Frage gern weiter, sobald die Heiterkeit in den Reihen der CDU-Fraktion etwas abgeklungen ist.

(Herr Leimbach, CDU: O Gott! Sie Ärmster! Das tut uns aber leid!)

Ich habe ein völlig entspanntes Verhältnis zur Polizei, weil ich die Polizei als eine in einem Rechtsstaat notwendige Institution erachte.

(Herr Kurze, CDU: Ach was!)

Ich glaube, dass die Polizei zur Aufrechterhaltung von Freiheit, Sicherheit und Demokratie notwendig ist. Ich glaube aber auch, dass sich die Polizei wie jede Institution in einem Rechtsstaat demokratischer Kontrolle unterwerfen muss und dass sie nicht außerhalb von Recht und Gesetz steht.

(Herr Leimbach, CDU: Unter Ihrer Kontrolle, Herr Striegel! - Zuruf von der CDU: Ach, Quatsch!)