Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine Fraktion wird heute gegen den von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Gesetzentwurf stimmen, weil wir nach wie vor das Konstrukt der Verfassungsschutzämter sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene als letztlich untaugliches Objekt im Sinne von Grundrechtsschutz und Demokratie ablehnen.
Die Institutionalisierung des Verfassungsschutzes als ein nach innen gerichteter Nachrichtendienst muss als gescheitert angesehen werden. Effektive und wirkliche Kontrollen geheimdienstlicher Aktivitäten existieren unserer Ansicht nach nicht.
Auch die Ausweitung der Kontrollbefugnisse der Parlamente stellt kein echtes Gegengewicht dar. Parlamentarische Kontrollgremien können am grundsätzlichen Problem nichts ändern. Geheimdienste lassen sich nicht ernsthaft kontrollieren, ändern oder sogar verbessern. Sie entziehen sich selbst der parlamentarischen Kontrolle, insofern sie selbst darüber entscheiden, welche Informationen sie den parlamentarischen Kontrollgremien übermitteln - oder meistens eben auch nicht.
Zu der konkreten Gesetzesberatung möchte ich sagen, dass es dem parlamentarischen Miteinander wenig zuträglich war, dass die Koalition mit der Macht ihrer Stimmenmehrheit eine Anhörung zu diesem Thema verhindert hat. Welche Ignoranz der Macht!
Lassen Sie mich jedoch sagen, dass damit das Thema Reform des Geheimdienstes bzw. Abschaffung des Geheimdienstes nicht erledigt und nicht von der Tagesordnung genommen worden ist. Im Gegenteil: Das Thema ist aktueller denn je.
Auch die Vogel-Strauß-Taktik funktioniert bei diesem Thema auf Dauer garantiert nicht. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren, weil wir auch und gerade als Landesparlament dringend unserer Verantwortung gegenüber den NSU-Opfern, deren Angehörigen und der gesamten Gesellschaft gerecht werden müssen.
Aussitzen bzw. alleiniges Handeln der Exekutive funktioniert gerade bei dieser Problematik nicht mehr. Das haben wir als Parlament lange genug getan. Das müssen wir selbstkritisch feststellen.
Insofern haben wir mit Ihrer Verhinderungstaktik, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, eine Chance vertan, nämlich die der Anhörung von Expertinnen und Experten, welche auch Alternativen zu dem bestehenden - ganz klar gescheiterten - System der Geheimdienste aufgezeigt hätten.
Nicht ohne Grund wird seit Jahren über das V-Mann-Wesen erbittert debattiert, ein folgenschweres System der Informationsbeschaffung des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern, welches sich wesentlich auf V-Leute und damit untrennbar auf das Prinzip „Quellenschutz statt Strafverfolgung“ stützt - ein kontraproduktives System, welches sich zu einer Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie entwickelt hat.
Auch wenn der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und die Koalition hier im Land diese Spitzel als unverzichtbar ansehen, können Sie nicht die Augen davor verschließen, dass die Debatte über Verrat und Vertrauen - oder besser gesagt: über Sinn und Unsinn - neu entbrannt ist.
Doch brauchen wir tatsächlich diesen großen Aufwand an Personal und eine nicht unerhebliche Summe öffentlicher Gelder, um die Verräter durch den Verfassungsschutz anzuwerben, die dann nicht unclever filtern - das haben wir bei der Aufarbeitung der Akten schon mehrfach feststellen müssen -, was sie dem Staat an Wissen zur Verfügung stellen, um letztlich als „guter“ und „vertrauenswürdiger“ V-Mann zu gelten? - Der Preis, meine Damen und Herren, ist hoch.
Doch was hilft es zur Verteidigung des Rechtsstaates, ein verhindertes rechtsextremes Konzert als Heldentat des Verfassungsschutzes zu feiern? Angesichts des erheblichen Schadens für den demokratischen Rechtsstaat rechtfertigen auch ein paar positive Einzelfälle der Aufklärung bzw. Verhinderung von Straftaten mittels V-Personen nicht deren Einsatz in einem System der Konspiration und - das sage ich auch noch einmal ganz deutlich - des unkontrollierten staatlichen Handelns.
Folgende traurige Erkenntnis haben sämtliche Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder erbracht: Seit das NSU-Trio im Jahr 1998 im
Untergrund verschwand, lieferten die V-Leute umfangreiche Informationen an die Verfassungsschutzämter. Doch der Einsatz von V-Personen hat schwerste Verbrechen nicht nur nicht verhindert, sondern zum Teil auch ihre Aufklärung behindert. Und ganz nüchtern festgestellt: Keine der Informationen durch die V-Leute führte zum Ziel. Die Terroristen konnten unter den Augen bzw. in der Reichweite der Ohren der Sicherheitsbehörden ihre Morde planen und ausführen.
Was bedeutet unter diesem Eindruck die Einschätzung der Innenminister, dass V-Männer unverzichtbar seien?
Nun suchen alle Landesregierungen nach der besten Lösung, um aus dieser Misere der Systemkrise der Verfassungsschutzämter herauszukommen. Zum Glück gibt es aber auch Fachleute wie den früheren Bundesrichter Schäfer, die diese Debatte tatsächlich ergebnisoffen und auch mit der Option, auf V-Männer bzw. weitere nachrichtendienstliche Mittel gänzlich zu verzichten, führen.
Sie hatten leider nicht einmal den Mut, eine Anhörung durchzuführen, geschweige denn über Alternativen zu reden und neue Wege zu gehen.
Wir drehen uns letztlich im Kreis; denn weiterhin steht die Frage deutlich hörbar im Raum: Wofür braucht dieses Land überhaupt V-Männer? - Der Innenminister - und eben nicht die Opposition - ist seit November 2011 durch das ans Licht getretene Grauen in der Pflicht zu erklären, warum es V-Männern bedarf, warum es Verfassungsschutzämtern bedarf. Er steckt in dieser Erklärungsnot.
Dazu haben wir bisher leider wenig gehört. Der Innenminister ist momentan leider auch nicht anwesend.
Stattdessen subventioniert auch Sachsen-Anhalt weiter die rechtsextreme Szene mit öffentlichen Mitteln - eine traurige Wahrheit. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau von Angern. Frau Professor Dalbert möchte Ihnen jetzt Gelegenheit geben, Ihre Redezeit zu verlängern.
Es tut mir leid, Frau von Angern, dass ich Sie diesbezüglich enttäuschen muss. Ich möchte den Landtagspräsidenten fragen, wo der zuständige Minister ist.
Die Frage ist gut. Darf ich die Frage an seinen Vorgesetzten weitergeben? - Herr Ministerpräsident, Sie halten hier ganz treu die Fahne hoch.
(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Der Mi- nister hat einen Außentermin! Er ist gleich wieder da! Wenn etwas direkt an die Lan- desregierung gerichtet ist, kann auch ich je- derzeit sprechen!)
Dann werden wir das nach der Geschäftsordnung des Landtages tun. Kann jemand Auskunft geben, ob das eine geraume Zeit braucht? - Dies wird sicherlich der Fall sein.
Dann unterbreite ich den Vorschlag, dass wir nicht die Sitzung, sondern die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes unterbrechen, mit dem nächsten Tagesordnungspunkt beginnen, den Minister herbeischaffen und den Tagesordnungspunkt 7 wieder aufrufen, wenn der Minister kommt.
Dann findet jetzt ein Wechsel in der Sitzungsleitung statt. Der Präsident wird den Tagesordnungspunkt 8 aufrufen und ich gehe.
- Sie sagen es; dazu wird auch der Innenminister gebraucht. Dann können wir nur den Tagesordnungspunkt 10 - Kulturstiftungen - aufrufen. Den dafür zuständigen Minister sehe ich aber auch nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt in die Rolle einer ganz merkwürdigen Moderation gekommen. Wir haben - ohne Widerspruch - festgelegt, dass wir die Behandlung des Tagesordnungspunktes 7 unterbrechen, bis der zuständige Fachminister anwesend ist. Es wurde der Versuch unternommen, die nachfolgenden Tagesordnungspunkte aufzurufen, was aber nur dann möglich ist, wenn wir es erstens wollen, wenn zweitens die Sprecher der Fraktionen im Plenarsaal sind und wenn drittens die zuständigen Fachminister anwesend sind.
Wir sind in einer sehr schwierigen Situation, in der selbst Schachspieler länger überlegen müssten. Zu dem nachfolgenden Tagesordnungspunkt 8 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verwaltungsvollstreckungs- und verwaltungsverfahrens
rechtlicher Vorschriften - ist keine Debatte vorgesehen. Da zu diesem Punkt keine Debatte vorgesehen ist, können wir ihn vorziehen. - Ich sehe großzügiges Wohlwollen, keinen Widerspruch.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verwaltungsvollstreckungs- und verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass der Innenminister der für dieses Gesetz zuständige Fachminister ist. Aber ich vermute einmal, dass seine Abwesenheit bei diesem Punkt hinnehmbar sein dürfte.
Den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung verwaltungsvollstreckungs- und verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften in der Drs. 6/1422 überwies der Landtag in der 31. Sitzung am 21. September 2012 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport. Mitberatend wurde der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung beteiligt.
Der Gesetzesentwurf verfolgt insgesamt das Ziel, das Verwaltungsvollstreckungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Der Ausschuss für Inneres und Sport befasste sich erstmals in der 23. Sitzung am 4. Oktober 2012 mit dem Gesetzentwurf und verständigte sich zum Verfahren.
Zur Beratung lag ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Der Bitte, diesen Antrag in die rechtliche Prüfung durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages einfließen zu lassen, wurde entsprochen.
Im Ergebnis seiner ersten Beratung zu diesem Gesetzentwurf beschloss der federführende Ausschuss nach kurzer Aussprache, eine schriftliche Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände einzuholen. Diese lag zur zweiten Beratung, die am 7. November 2012 stattfand, vor. Außerdem lagen dem Ausschuss eine Stellungnahme des Deutschen Gerichtsvollzieherbundes sowie eine