Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

sentlich die mangelhafte Mitnahme der Betroffenen zu verantworten.

Nun werden Sie sagen, bisher liefen die anderen Verfahren unter anderem in den Regionen Dessau, Zeitz oder Blankenburg, um nur einige zu nennen, relativ geräuscharm. - Ja, das kann ich bestätigen. Allerdings sind diese Flächen wesentlich kleiner und liegen teilweise in Bereichen, die nur begrenzt zugänglich waren und sind, und sie betreffen nicht so viele Nutzungen.

Man muss aber im betroffenen Naturschutzgebiet Elbaue Jerichow mit einer Fläche von mehr als 14 000 ha und einer Vielzahl von öffentlichen oder erwerbsmäßigen Nutzungen unserer Auffassung nach anders herangehen. Naturschutz lässt sich nun einmal nur mit den Menschen umsetzen und nicht gegen die Menschen vor Ort.

(Zustimmung von der LINKEN)

Wenn sich die überwiegende Mehrzahl der Menschen vor Ort nicht mitgenommen fühlt, dann zeugt dies von einem wenig transparenten Prozess der Vorbereitung der Entwurfserstellung durch die Landesbehörden. Das ist unser zweiter Kritikpunkt. Der erste war der zu späte Beginn. Der zweite Kritikpunkt ist eine intransparente Entwurfserstellung.

Der dritte Kritikpunkt betrifft die Verfahrensregel und den Verfahrensablauf zur Unterschutzstellung, die dem Landesverwaltungsamt vorgegeben wurden. Die Verfahrensregel zur Unterschutzstellung hat unserer Auffassung nach an zwei Stellen Defizite. Gerade wenn ich eine Unterschutzstellung für ein so großes Gebiet vorbereite, reicht eben eine bloße Hausbeteiligung zur Entwurfsvorbereitung nicht aus. Hier braucht es zumindest die Beteiligung der unteren Fachbehörden. Ich muss die betroffene Region von Anfang an einbinden.

Noch problematischer ist die Festlegung, dass nach öffentlicher Auslegung und Beteiligung der endgültige Entwurf nach einer hausinternen Abstimmung im Landesverwaltungsamt durch dessen Präsidenten unterzeichnet wird und dann Rechtsgültigkeit erlangt.

Diese Festlegung ist offensichtlich auch in der Behörde so nicht mehr zu halten; denn am Montag erklärte die Pressesprecherin des Landesverwaltungsamtes, dass für das Naturschutzgebiet Elbaue Jerichow nach der Überarbeitung des Entwurfs eine erneute öffentliche Beteiligung erfolgen soll.

Ich bin gespannt, ob der Minister bereits heute verkündet, dass es eine neue Verfahrensregelung geben wird, die genau dies beinhaltet. Das wäre dann aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung und fände unsere Unterstützung. Leider habe ich diesbezüglich wenig Hoffnung, da der Alternativantrag der Koalition darauf kaum eingeht.

Er stellt eher auf Effizienzsteigerung und Verfahrensbeschleunigung ab.

Wer sich etwas mit naturschutzfachlicher Arbeit beschäftigt oder solche Prozesse begleitet hat, der weiß, dass sich die Effizienz von Naturleistungen nur schwer darstellen lässt und eine Verfahrensbeschleunigung kontraproduktiv ist. Gründlichkeit und intensive Begleitung sind da wesentlich wichtiger.

Erhebliche Zweifel habe ich auch an der Machbarkeit der einheitlichen Festlegung für die Erhaltung der Lebensraumtypen und Arthabitaten.

Ich komme noch kurz zu unserem zweiten Punkt und zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dazu. Die Berichterstattung zu der insgesamt 30 021,67 ha und 150 Flusskilometer umfassenden nachgemeldeten Natura-2000Gebietskulisse sollte natürlich zeitnah erfolgen. Daher kann ich den präzisierten Punkt 2 nur unterstützen und würde ihn auch gern übernehmen.

Aber genauso wichtig ist uns eine Aussage des Ministers darüber, ob die personelle Ausstattung des Ministeriums und des Landesverwaltungsamtes dafür und für die Managementbegleitung des Natura-2000-Prozesses ausreichend ist, damit die EU-Vorgaben überhaupt umgesetzt werden können.

Ich möchte mich für die Aufmerksamkeit bedanken und hoffe, dass es eine angeregte Diskussion gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lüderitz - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dr. Aeikens das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE beantragt, dass die Landesregierung im Rahmen des Unterschutzstellungsverfahrens Elbaue Jerichow sicherstellt, dass der Verordnungsentwurf nach seiner Überarbeitung noch vor der Unterzeichnung durch den Präsidenten des Landesverwaltungsamtes den beteiligten Gemeinden, den beteiligten Trägern öffentlicher Belange und den anerkannten Naturschutzvereinigungen nochmals zu einer Stellungnahme vorgestellt wird.

Dazu ist Folgendes anzumerken. Zurzeit findet im Rahmen des förmlichen Verfahrens zur Ausweisung des Naturschutzgebietes Elbaue Jerichow die Auslegung des Verordnungsentwurfs in den Gemeinden statt. Es erfolgt die Beteiligung der Eigentümer, der Nutzungsberechtigten, der Träger öffentlicher Belange sowie der land- und forstwirt

schaftlichen Berufsvertretungen und der anerkannten Verbände gemäß § 15 Abs. 4 des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt.

Im Rahmen des öffentlichen Verfahrens hat das Landesverwaltungsamt bisher eine Vielzahl von Besprechungen und Erörterungen auch als Einzelkonsultationen mit den Betroffenen zu den entsprechenden Themenbereichen durchgeführt. Im Zuge des Verfahrens werden gemeinsam mit den Betroffenen und ihren Vertretungen akzeptable Lösungen erarbeitet, die sowohl den Intentionen der betroffenen Nutzergruppen als auch den naturschutzfachlichen und -rechtlichen Anforderungen entsprechen.

Da die Bearbeitung der eingegangenen Hinweise und Bedenken bereits jetzt erkennen lässt, dass der Verordnungsentwurf anzupassen ist, ergibt sich hieraus die Schlussfolgerung, für die veränderte Verordnung erneut ein Beteiligungsverfahren durchzuführen. Damit wird Punkt 1 des Antrags der Fraktion DIE LINKE Rechnung getragen.

Zum fachlichen Hintergrund möchte ich Folgendes ausführen: Das Land Sachsen-Anhalt ist gemäß der FFH- und Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Kommission verpflichtet, die gemeldeten Natura-2000-Gebiete als besondere Schutzgebiete auszuweisen. Dabei sind nach den Vorgaben der Europäischen Kommission Regelungen zu treffen, die einen günstigen Erhaltungszustand der relevanten Arten und Lebensräume gewährleisten oder unter Umständen auch wiederherstellen. Dementsprechend führt das Landesverwaltungsamt das förmliche Verfahren zur Verordnung des Vogelschutzgebietes Elbaue Jerichow mit fünf FFH-Gebieten als Naturschutzgebiet durch.

Mit dem Abschluss des Ausweisungsverfahrens für das Naturschutzgebiet Elbaue Jerichow wird auch ein Beitrag zur Planungssicherheit von Infrastrukturmaßnahmen in der Region geleistet. Dies betrifft sowohl mögliche Investitionen der im Gebiet befindlichen Industriebetriebe als auch die geplante Realisierung der B 190n.

Zum Punkt 2. Die Fraktion DIE LINKE beantragt im zweiten Punkt, dass die Landesregierung über die Umsetzung der Richtlinie 92/43/EWG Bericht erstattet. Dazu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einen Alternativantrag der Regierungsfraktionen, mit dem die Landesregierung aufgefordert werden soll, das Konzept zur Umsetzung von Natura 2000 mit den Zielen der Effizienzsteigerung und Verfahrensbeschleunigung zu überarbeiten und in den Ausschüssen für Umwelt sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu berichten.

Besonderer Wert wird in diesem Antrag auf die Umsetzung des europäischen Rechts im Verhältnis 1 : 1 und auf die angemessene Beteiligung der betroffenen Landeigentümer und -nutzer sowie der

Verbände gelegt. Ich begrüße ausdrücklich, dass Eigentümer und Nutzer, deren Lebensgrundlagen berührt sind, angemessen beteiligt werden sollen.

Wir sind bestrebt, die nationalrechtliche Sicherung in einem Zeitraum umzusetzen, der gegenüber der Europäischen Union vertretbar ist. Auch deshalb wird das bisherige Konzept überarbeitet. Ich bin gern bereit, gegenüber dem Landtag darüber zu berichten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Frau Kollegin Dr. Paschke würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Ja.

Bitte, Frau Dr. Paschke.

Herr Minister, man konnte jetzt Ihren Darstellungen entnehmen, dass dort alles völlig ordnungsgemäß abgelaufen ist. Sind Sie bereit zuzugestehen bzw. meine Auffassung zu teilen, dass die Unterschutzstellung des Naturschutzgebietes Elbaue Jerichow total an den Menschen vorbeigegangen ist, dass man Stellungnahmen ursprünglich innerhalb von sechs Wochen abverlangt hat, dass man immer wieder die Termine verlängern musste und dass man Naturschutz mit den Menschen so eigentlich nicht betreiben kann? Das ist meine erste Frage.

Die zweite Frage, die auch von Herrn Lüderitz aufgeworfen wurde, ist die Frage nach dem Personal. Ich habe immer nur Herrn Pietsch und die beiden Damen dort gesehen, die sich sozusagen fast jeden Abend und jeden Nachmittag den Anzuhörenden stellen mussten. Haben Sie genug Personal, um das Ganze bis Ende 2013 unter Dach und Fach zu bekommen?

Zu der ersten Frage ist anzumerken, dass es bei jedem Ausweisungsverfahren in der Natur der Sache liegt, dass es intensive Diskussionen mit Nutzergruppen gibt, sei es mit der Land- und Forstwirtschaft, sei es mit dem industriellen Bereich oder mit dem Bereich der Angler. Das ist für ein derartiges Verfahren nichts Ungewöhnliches. Das stellen wir auch in diesem Bereich fest.

Wir haben uns entschlossen, dass eine erneute Auslegung stattfindet, weil in der Diskussion mit

den Menschen vor Ort eine Vielzahl von Punkten dazu geführt hat, dass das Landesverwaltungsamt seine Position noch einmal überdacht hat. Insofern ist dieses Verfahren, so glaube ich, ein gutes Beispiel dafür, dass man versucht, die Menschen durch eine intensive Kommunikation mitzunehmen.

Zu der zweiten Frage. Wir haben darauf hingewiesen, dass wir dabei sind, die Verfahrensregeln für die weitere Ausweisung zu überprüfen, auch mit dem Ziel einer beschleunigten Abarbeitung des umfänglichen Programms. Dazu gehört auch eine Analyse, inwieweit die bisherige Personalausstattung ausreichend ist. Diese Analyse ist noch nicht beendet. Insofern kann ich dem Ergebnis noch nicht vorgreifen.

Herr Minister, es gibt noch eine Frage des Kollegen Weihrich.

Bitte.

Herr Dr. Aeikens, ich hatte im letzten Sommer eine Kleine Anfrage zu diesem Thema gestellt. In der Antwort stellt das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt dar, dass beabsichtigt sei, grundsätzlich alle Natura-2000-Gebiete als Naturschutzgebiete auszuweisen. Ist das noch immer der aktuelle Stand in Ihrem Haus?

Der aktuelle Stand ist der, den ich auch in der Beantwortung Ihrer Anfrage gegeben habe, nämlich dass es grundsätzlich so ist, dass es aber auch nicht ausgeschlossen ist, von der Ausweisung als Naturschutzgebiet abzusehen und mit anderen Schutzkategorien zu arbeiten. Das war im letzten Sommer gültig; das ist auch am heutigen Tage gültig.

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Als erster Debattenredner hat Herr Bergmann für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Bergmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Natura 2000 ist nicht zum ersten Mal Thema hier im Landtag. Ich möchte vorwegschicken: Die Ausweisung der Natura-2000-Gebiete ist nicht nur eine Pflicht gegenüber der Europäischen Union und ein verbrieftes Recht, das die Natur eingeräumt

bekommt und das wir gern unterstützen, sondern - dies möchte ich deutlich sagen - die Natura-2000Gebiete in Sachsen-Anhalt sind ein Aushängeschild für das Land, die unsere wirklich hervorragenden Naturlandschaften darstellen können.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Schade ist - so kritisch müssen wir sein, Herr Minister -, dass es bei dem einen oder anderen Ausweisungsverfahren, gerade auch die Elbaue Jerichow betreffend - ich sage es einmal so -, vielleicht nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen können.

Wir bekommen oft die Kritik, gerade wenn es um die Unterhaltung an Gewässergräben geht, dass die Gräben nicht ordentlich genug gepflegt sind. Auf der anderen Seite, um dieses Bild einmal zu bedienen, haben wir jetzt Gräben gepflügt, die tiefer sind denn je, und zwar zwischen Nutzern auf der einen Seite und Schützern auf der anderen Seite. Genau das hätte vermieden werden müssen. Das ist schade. Wir werden noch eine Zeit lang damit zu tun haben, diese Wunden wieder zu schließen.

Neben den Dingen, die Sie bereits genannt haben, neben der Beteiligung der Nutzergruppen, der Schützergruppen usw., müssen wir sicherlich eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Denn wenn mich an diesem Verfahren etwas gestört hat, dann war es auch die Tatsache, dass kaum jemand darüber Bescheid wusste, was passierte. - Deswegen, Frau Kollegin Dr. Paschke, durfte das gar nicht sein.

Sind wir doch einmal ehrlich zueinander: Wir wissen, dass das Thema Natura 2000 seit Jahrzehnten hier im Landtag eine Rolle spielt. Wir wussten, dass die Gebiete gemeldet worden sind. Ich verlange auch von den Kollegen auf der kommunalpolitischen Ebene, dass man sich mit diesen Dingen beschäftigt, dass man auch weiß, was auszuweisen ist, und dass, wenn schon bekannt ist, dass solche Gebiete gemeldet worden sind, irgendwann der Vollzug kommen muss. Aber zwischen diesen enormen Zeitspannen vergisst man sicherlich einiges. Dann ist es nicht verwunderlich, wenn man vor Ort nicht mehr Bescheid weiß.

Herr Minister, ich denke, an dieser Stelle muss das Land stärker in der Pflicht stehen. Die Öffentlichkeitsarbeit muss besser organisiert werden. Die Gemeinden müssen darauf vorbereitet werden. Denn diese Schutzgebiete fallen ja nicht plötzlich vom Himmel, sondern jeder hat gewusst: Es kommt der Tag, an dem das europäische Vogelschutzgebiet in ein Naturschutzgebiet nach deutschem Recht umgewandelt wird. Deswegen ist die Überraschung manchmal nicht zu verstehen und irgendwie dann doch. Das zeigt hier Handlungsbedarf auf.