Das ist die Realität in jedem Blutspendedienst in diesem Land. Man muss einen Fragebogen ausfüllen und angeben, ob man homosexuell oder bisexuell ist. Gibt man das wahrheitsgemäß an, ist man für sein ganzes Leben von der Blutspende ausgeschlossen.
matisiert. Die Lösung, die die Macher der Serie „Lindenstraße“ vorschlagen, kann nicht die richtige sein. In unserer offenen und demokratischen Gesellschaft sollte man seine sexuelle Identität nicht verleugnen müssen, um etwas Gutes tun zu können.
Der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutzpolitik John Dalli hat bereits im Jahr 2011 eingeschätzt, dass die deutsche Regelung, die homosexuelle und bisexuelle Männer pauschal von der Blutspende ausschließt, mit EU-Recht nicht vereinbar ist.
Nun frage ich mich auch vor dem Hintergrund dessen, worüber wir gestern diskutiert haben, nämlich vor dem Hintergrund dessen, was das Bundesverfassungsgericht in dieser Woche entschieden hat: Ist es wirklich so, dass wir jede Kleinigkeit, die die Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Menschen in Deutschland betrifft, höchstrichterlich einklagen müssen?
Meine Fraktion schlägt eine grundsätzliche Lösung vor. Das individuelle Risikoverhalten und der Gesundheitszustand der spendenwilligen Personen sind allein dafür entscheidend, ob das Blut genommen wird oder nicht.
Keine pauschale Gruppenzugehörigkeit darf entscheidend sein. Es muss dasselbe Recht gelten wie auch für heterosexuelle Menschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich steht an erster Stelle, dass Infektions- und Gesundheitsrisiken auch bei der Blutspende minimiert werden müssen. Wir müssen für größtmögliche Sicherheit bei der Blutspende sorgen, aber eben nicht für falsche Sicherheit, nicht für vorgegaukelte Sicherheit, die auf Unterstellungen, Mutmaßungen und Diskriminierung beruht.
Das fängt bei den zugrunde liegenden Richtlinien von Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut, den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten, an. Dort sind unter Punkt 2.2.1 folgende Ausschlusskriterien aufgeführt:
„Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten wie HBV, HCV oder HIV bergen:
heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, zum Beispiel Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern,
die nach ihrem individuellen Risikoverhalten beurteilt werden, dessen Einschätzung auf ihren eigenen Angaben beruht, und auf der anderen Seite stehen homosexuelle Menschen, die pauschal negativ konnotiert werden, denen monogame Partnerschaften offenbar überhaupt nicht zugetraut werden und die mit Vorurteilen belegt werden, die wir spätestens im letzten Jahrtausend hätten hinter uns lassen sollen.
Man muss bedenken, dass mehr als die Hälfte der homo- und bisexuellen Männer in einer festen, dauerhaften Partnerschaft lebt.
Um es auf die Spitze zu treiben, möchte ich es ganz plastisch darstellen: Auf der einen Seite steht ein Mann, der seit Jahrzehnten monogam in einer festen Partnerschaft lebt, vielleicht sogar in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft - ein homosexueller Mann, wie er etwa in der „Lindenstraße“ dargestellt wurde. Auf der anderen Seite steht eine verheiratete Frau, die möglicherweise jeden zweiten Samstag auf dem Dorf um die Häuser zieht, wie man bei uns zu Hause sagt. Sie darf, ohne dass es jemand hinterfragt, Blut spenden. Ich finde das unsachgemäß und ungerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Richtlinie, die der Blutspende in Deutschland zugrunde liegt, atmet noch den Geist der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts, als HIV pauschal als Schwulenseuche verdammt wurde.
Das Paul-Ehrlich-Institut begründet den generellen Ausschluss damit, dass der Fragebogen eben nicht geeignet sei, eine frische Infektion nachzuweisen, nicht geeignet sei nachzuweisen, ob derjenige Safer Sex betreibt oder ob derjenige vielleicht von seinem Partner hintergangen wird. Darin gebe ich dem Paul-Ehrlich-Institut vollumfänglich Recht. Aber ich frage mich, würde das im Zweifel nicht auch auf mich oder auf jede andere heterosexuelle Person ganz genauso zutreffen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen ehrlich sein: Ein gewisses Restrisiko bleibt immer, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Deswegen, so vermute ich, hat man in der Richtlinie der EU-Kommission folgenden Wortlaut gewählt - ich zitiere -: „Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt“, sind von der Blutspende ausgeschlossen. Das halte ich für konsequent und für ehrlich.
Die Richtlinie der Bundesärztekammer, die vor knapp drei Jahren in einem ersten Schritt geändert wurde und auch das individuelle Risikoverhalten aufgenommen hat, hat dies eben nur für heterosexuelle Personen getan.
Nach Informationen von Mitarbeitern der Blutspendedienste minimieren neueste Testverfahren dieses Restrisiko auf ein wirklich vertretbares Niveau. Die sogenannte Methodik der Polymerase-Kettenreaktion ist durchaus geeignet, sehr schnell und sehr genau in massenhaften Testverfahren nachzuweisen, ob eine HIV-Infektion oder eine Infektion mit anderen übertragbaren Krankheiten vorliegt. In der Praxis wird das Blut ja nicht bereits Minuten nach der Entnahme weitergegeben; das ist nicht der Fall.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, dass wir genauer hinschauen und nicht pauschal vorverurteilen. Ich halte dies für eine Frage der Gerechtigkeit. Aber es ist auch eine Frage der pragmatischen Notwendigkeit. Man muss die Situation nicht auf die Spitze treiben, wie es in der „Lindenstraße“ geschehen ist, man kann oder muss sich einfach die Realität anschauen.
Die Anzahl der Blut spendenden Personen in Deutschland geht kontinuierlich zurück. Das DRK hat allein für Sachsen-Anhalt im Jahr 2012 einen Rückgang um 6 700 Blutspenden gegenüber dem Jahr 2011 verzeichnet. Die Anzahl der Erstspender ging in einem Jahr um 1 260 zurück. Es ist also eine Frage der medizinischen Notwendigkeit, im Interesse der Allgemeinbevölkerung spendenwillige gesunde Menschen zur Blutspende zuzulassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles, was ich dargestellt habe, trifft auch auf andere Gruppen zu, die pauschal von der Blutspende ausgeschlossen werden, beispielsweise Drogenabhängige, Strafgefangene und Prostituierte.
Ich wundere mich seit Jahren, warum dies bei den Strafgefangenen der Fall ist. Das sind häufig sehr gut durchtrainierte junge Menschen, die sehr willig wären und bei denen man quasi in ihren Rehabilitationsprozess einbauen könnte, dass sie der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen.
Ich habe mich kürzlich mit der Leiterin der Jugendarrestanstalt unterhalten. Sie hat gesagt: Wir könnten das sehr gut umsetzen; die Blutspendedienste in Sachsen-Anhalt sind mobil; es wäre kein Problem, dabei die Hygiene zu gewährleisten. Aber die jungen Menschen dürfen nicht spenden. Das ist, so finde ich, überhaupt nicht nachvollziehbar.
Deswegen möchte ich Ihnen mit Blick auf das Abstimmungsverhalten insbesondere Punkt 4 ans Herz legen, in dem wir die Landesregierung darum bitten, sich dafür einzusetzen, dass niemand auf
Ich glaube, das ist eine Frage der notwendigen Gerechtigkeit. Ich beantrage hiermit eine Direktabstimmung und bitte Sie um Zustimmung. - Danke.
Frau Lüddemann, vielen Dank für die Einbringung Ihres Antrages. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Bischoff. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lüddemann, ich möchte Ihnen ausdrücklich für diesen Antrag danken.
Ich frage mich selbstkritisch: Wieso ist uns das eigentlich erst jetzt aufgefallen? Ich bin Blutspender und fülle, wenn ich dorthin gehe, diese Unterlagen aus, in denen man das Risikoverhalten anzeigen muss. In den Anlagen ist tatsächlich zu lesen - ich habe es zunächst nicht geglaubt -, welche Gruppen ausgeschlossen sind. Ich habe mir darüber bisher keine Gedanken gemacht. Ich denke, das haben viele, die Blut spenden, auch nicht getan.
Ich denke, dass diese Frage eine wichtige Frage ist. Natürlich steht beim Thema Blutspende der Gesundheitsschutz an erster Stelle, und dass Bluttransfusionen unbedenklich und frei von Krankheiten sein müssen, ist auch völlig klar. Dafür wird viel getan und das Blut wird in vielerlei Hinsicht überprüft. Auf diesem Gebiet hat sich auch die Technik weiterentwickelt, das Personal ist qualifiziert und auch die Blutspendeeinrichtungen selbst müssen ständig kontrolliert werden und das muss dokumentiert werden.
Wie viele Menschen auf Spenderblut angewiesen sind, haben Sie eben deutlich gemacht. Der Bedarf wird im Sommer wieder ansteigen. Ich bin für jede Initiative dankbar, die sich damit beschäftigt, egal ob sie von den Ministerien, dem Landtag, anderen Einrichtungen oder auch den Vollzugsanstalten - vielleicht ist die Blutspende auch dort bald möglich - ins Leben gerufen wird.
Wir sind darauf angewiesen. Wenn wir das Blut nicht hätten - ich kenne das Problem durch die Universitätskliniken, Frau Wolff war auch dabei - und es einkaufen müssten, vielleicht sogar im Ausland, dann wäre es nicht nur unheimlich teuer,
Deshalb bin ich den Menschen dankbar, die sich bereit erklären, Blut zu spenden. Ich wusste auch nicht - man durfte früher nur bis zum 60. Lebensjahr spenden, weshalb ich dachte, ich dürfte das nicht mehr -, dass man heute auch bis ins hohe Alter hinein spenden darf. Das ist gut.
Jeder weiß, dass die Spender eine ärztliche Voruntersuchung durchlaufen, dass eine Vielzahl von Vitalparametern ermittelt wird, dass das Infektionsrisiko erfragt wird - das kennen alle - und auch dass die Frage nach wechselnden Sexualpartnern und Ähnlichem gestellt wird, ist klar.