Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Jeder weiß, dass die Spender eine ärztliche Voruntersuchung durchlaufen, dass eine Vielzahl von Vitalparametern ermittelt wird, dass das Infektionsrisiko erfragt wird - das kennen alle - und auch dass die Frage nach wechselnden Sexualpartnern und Ähnlichem gestellt wird, ist klar.

Die derzeit geltenden Richtlinien der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Institutes zur Gewinnung von Blut ordnen- das haben Sie gesagt - homo- und bisexuelle Männer einer ähnlichen Risikogruppe wie Drogenabhängige, Prostituierte und Strafgefangene zu und verwehren ihnen damit die Möglichkeit zur Blutspende.

Ohne Frage soll die größtmögliche Sicherheit von Blutspenden gewährleistet werden. Dennoch stellt ein pauschaler Ausschluss von homosexuellen Männern von der Blutspende einen Generalverdacht dar.

Wahrscheinlich ist das darauf zurückzuführen, dass in den späten 80er-Jahren - man überlegt ja, woher das eigentlich kommt; es muss schließlich Gründe dafür gegeben haben - gehäuft Blutprodukte festgestellt wurden, die mit HIV infiziert waren. Ich kann mich daran noch erinnern. Möglicherweise ist damals sozusagen kompromisslos dieser Deckel zugemacht worden, um jedes Risiko auszuschalten. Der Sicherheit der Empfänger von Blutprodukten wurde damit die absolute Priorität gegeben, auch um den Preis, viele Menschen möglicherweise ungerechtfertigt auszuschließen.

Die Tests auf HIV-Antikörper sind heute jedoch äußerst zuverlässig, ganz anders als in den 80erJahren. Daher stellt sich die Frage, ob weiterhin ein Dauerausschluss von homosexuellen Männern gerechtfertig ist.

Interessanterweise wurde die genannte Richtlinie zur Gewinnung von Blut zuletzt im Jahr 2010 geändert, ohne dass dabei diese aktuellen Entwicklungen berücksichtigt worden sind. Es wurde einfach übernommen, wie es bisher war, das heißt, homosexuelle Männer wurden weiterhin ausgeschlossen, diskriminiert.

Diese nach wie vor bestehende Diskriminierung hat bereits im Dezember 2012 im Landtag Nordrhein-Westfalen zu einer Diskussion geführt. Die

dortige Landesregierung steht der Abschaffung der Diskriminierung homosexueller Männer positiv gegenüber und wird sich im März 2013 im Rahmen einer Sitzung des dortigen Sozialausschusses mit diesem Thema beschäftigen.

Ich halte es für an der Zeit, dass auch wir dies tun und die bloße Zugehörigkeit zu einer Gruppe nicht als Ausschlussgrund gelten lassen.

Auch andere Länder - das ist wichtig - in Europa und darüber hinaus haben sich in den vergangenen Jahren mit dem Thema beschäftigt, jedoch mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

In Spanien, Australien und Südafrika gelten Regelungen, die homosexuelle Männer befristet von einer Blutspende zurückstellen. Dies lehne ich ab, da es bei der dort veranschlagten Rückstellung zwischen einem und zehn Jahren nach dem letzten Sexualkontakt schnell zu einem verdeckten Dauerausschluss käme. Das hieße nämlich, dass diese Männer nachweisen müssten, dass sie in dieser Zeit dauerhaft keinen Geschlechtsverkehr hatten. Das ist völlig unrealistisch. Das kann, so denke ich, nicht unser Weg sein.

Ein gutes Beispiel ist Italien. Dort können homosexuelle Männer schon seit 2001 offiziell Blut spenden. Ein sprunghafter Anstieg der Zahl HIV-infizierter Blutspenden wurde nicht festgestellt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass sexuelle Präferenzen nicht darüber entscheiden dürfen, ob Blut gespendet werden darf oder nicht. Daher sollten Blutspender nicht nach der Zugehörigkeit zu Risikogruppen, sondern explizit nach dem Risikoverhalten gefragt werden. Es darf keinen Generalverdacht geben. Es sollte in der Verantwortung jedes Einzelnen liegen, ob er Blut spendet. Daher nehme ich die Anregung unter Punkt 4 besonders ernst.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten in die vereinbarte Dreiminutendebatte ein. Sie wird eröffnet durch Herrn Schwenke von der CDU. Bitte schön, Herr Schwenke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Lüddemann, ich nehme es gleich vorweg: Unsere Fraktion wird Ihrem Antrag zustimmen, allerdings nicht ohne einige kritische Anmerkungen.

Wir haben auch überlegt, analog zu dem Verfahren in Nordrhein-Westfalen - dort ist dieser Antrag wortgleich debattiert worden -, eine Überweisung in den Fachausschuss inklusive Fachgespräch zu beantragen. Da ich jedoch davon ausgehe, dass es uns gelingen wird, die Ergebnisse oder Proto

kolle des in NRW stattfindenden Fachgespräches zu erhalten, können wir nach deren Kenntnisnahme überlegen, ob wir dieses Thema dann hier oder im Ausschuss noch einmal aufrufen.

Zweiter Kritikpunkt: Ihre Antragsformulierung unterstellt, die Landesregierung würde homosexuelle Männer oder andere spezifische Gruppen diskriminieren. Dies sehen wir selbstverständlich nicht so. Die mit Recht kritisierten Richtlinien sind Richtlinien der Ärztekammer, die auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts erlassen worden sind, also von Fachleuten, nicht von der Bundes- oder der Landesregierung. Dazu würde ich mir eine etwas sorgfältige Formulierung, auch von einer Oppositionspartei, wünschen. Das würde uns die Zustimmung erleichtern.

Aber - Sie haben schon darauf hingewiesen - vor allem mit Punkt 4 Ihres Antrages haben Sie uns dann doch davon abgehalten, einen Änderungs- oder Überweisungsantrag zu stellen.

Es bleiben in der Sache zwei wesentliche Dinge festzustellen. Erstens. Wir haben einen zunehmenden Mangel an Blutkonserven zu verzeichnen. Die Blutspendebereitschaft ist dramatisch zurückgegangen. Die aktuellen Zahlen - wir haben Anfang der Woche neue Zahlen bekommen; die „Lindenstraße“ habe ich nicht gesehen - sind hochgradig alarmierend.

Wir brauchen dringend Blutspenden. Schon allein deshalb können wir es uns gar nicht leisten, blutspendewillige Menschen aus grundsätzlichen Erwägungen hinsichtlich gruppenspezifischer Faktoren von der Blutspende auszuschließen.

Zweitens. Der einzige nachvollziehbare Grund ist meines Erachtens eine medizinische Indikation. Einen Menschen allein wegen seiner sexuellen Orientierung, wegen seines Geschlechts oder seines sexuellen Verhaltens von der Blutspende auszuschließen, ist zweifellos diskriminierend.

Die Statistiken weisen bei den benannten Gruppen zum Beispiel höhere HIV- oder Hepatitisrisiken aus, allerdings scheint mir dies vor dem Hintergrund der heute möglichen modernen Testverfahren sowohl in Bezug auf die Personen als auch in Bezug auf die Bluttests sekundär.

Selbstverständlich erwarte ich eine größtmögliche Sicherheit bei Blutspenden. Selbstverständlich ist eine gewissenhafte Kontrolle unverzichtbar. Dabei vertraue ich auf die Mitarbeiter in den Blutbanken, auf die Mediziner und Wissenschaftler.

Ich sage ganz deutlich, sollte ich einmal eine Blutspende brauchen, dann ist es mir völlig egal, ob der Blutspender männlich oder weiblich, heterosexuell oder homosexuell ist, ob er Inder, Engländer oder Deutscher - ich hätte beinahe noch gesagt: Vegetarier oder Pferdefleischesser - ist.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Das ist mir egal. Hauptsache ist, mir oder auch jedem anderen Patienten wird geholfen.

Wir schließen uns der Bitte - so möchte ich es formulieren - an die Landesregierung an, alles hierbei Mögliche zu tun, damit die bestehenden pauschalisierenden und diskriminierenden Richtlinien überarbeitet werden. In diesem Sinne werden wir Ihrem Antrag zustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schwenke. Ich hoffe, Sie würden es auch von einem Sachsen nehmen.

(Heiterkeit)

Für die LINKE ist jetzt Frau von Angern an der Reihe. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen von den GRÜNEN! Auch ich nehme es vorweg: Wir werden dem Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, zustimmen.

Kurz zu den Kritikpunkten, die Herr Schwenke für die CDU vorgetragen hat. Diese teile ich ausdrücklich nicht. Spätestens wenn man die Begründung liest und den Sachzusammenhang insgesamt erkennt, sieht man auch, dass die Verantwortung auf der Bundesebene liegt. Das ist eine Anregung, die wir als Landesebene geben. Ich finde es gut, dass wir diese als Landesebene geben, weil es auf der Bundesebene noch nicht zu dem Durchbruch gekommen ist, den man sich wünschen könnte.

Frau Lüddemann hatte das mit dem Zitat aus der „Lindenstraße“ vorgetragen. Aus Bekanntenkreisen wird mir das auch genau so gesagt. Für einen Schwulen ist es nur dann möglich, mit einer Blutspende etwas Gutes zu tun, wenn er auf dem Fragebogen lügt.

Ein Bekannter von mir tut das seit vielen Jahren. Bei ihm ist es dann allerdings irgendwann prekärerweise dazu gekommen, dass er von der Blutbank darauf angesprochen worden ist, dass er das doch gar nicht darf. Aber das ist noch ein ganz anderes Thema, dann reden wir nämlich über den Datenschutz. Doch auch das ist ein Punkt - das sagten Sie auch -: Man ist ein Leben lang abgestempelt; die Daten werden flächendeckend ausgeteilt.

Sie sprachen auch davon, dass die jährlichen Aufrufe der Blutbanken, insbesondere zur Sommerzeit - wir kennen all die Plakate -, zum einen Anregung dafür sind, dass tatsächlich alle Menschen Blut spenden dürfen, sofern sie nicht krank sind oder andere Ausschlussgründe bestehen.

Allerdings möchte ich auch ausdrücklich sagen: Allein der Mangel an Blutkonserven sollte heute nicht unsere Entscheidung bestimmen, diesen Antrag zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU)

Sie haben aus der Richtlinie der Bundesärztekammer zitiert. Ich gebe Ihnen Recht, man könnte meinen, dass sie aus dem letzten Jahrtausend oder aus dem letzten Jahrhundert sei. Schaut man genau hin, stellt man fest, dass sie im Jahr 2010 überarbeitet worden ist.

In der Antwort auf eine Anfrage meiner Bundestagsfraktion verwies die Bundesregierung, sozusagen als großen Pluspunkt, darauf, dass jetzt alles gut sei. Wenn man dann aber in die Fußnote zu den Erläuterungen schaut, sieht man, welche begrenzte Sinnhaftigkeit dies hat. Darin werden nämlich genannt: homosexuelle und bisexuelle Männer. Ich frage mich: Was ist mit Frauen, die mit bisexuellen Männern schlafen? Des Weiteren werden genannt: Drogenabhängige, männliche und weibliche Prostituierte. Was aber ist mit den Männern oder Frauen, die mit Prostituierten verkehren?

Zu den Häftlingen kann ich sagen - ich unterstütze das, was Sie vorgetragen haben -: Ich glaube, die Häftlinge in Sachsen-Anhalt sind wahrscheinlich diejenige Gruppe, die medizinisch am besten versorgt ist. Sie erinnern sich in diesem Zusammenhang vielleicht an den Nachtragshaushalt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das wäre eine Gruppe, über die wir dringend reden müssten.

Zum Ende meiner Redezeit möchte ich noch auf Folgendes eingehen: Sie sprachen die Hinweise des EU-Kommissars an. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Bundestagsfraktion durch die Bundesregierung aus dem Jahr 2010 fand ich die Aussage, dass man an dieser Stelle überhaupt keinen Harmonisierungsbedarf sehe; das solle weiterhin national geregelt werden und müsse nicht europaweit geregelt werden.

Spanien, Italien, auch Russland sind uns dabei voraus, aber vielleicht gehen wir jetzt gemeinsam einen weiteren Schritt nach vorn. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau von Angern. - Für die SPD spricht Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Auch wir finden es richtig, dass

nicht die sexuelle Orientierung ausschlaggebend für den Zugang zur Blutspende ist, sondern das individuelle Risikoverhalten. Deshalb stimmen wir dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN uneingeschränkt zu.