Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

nicht die sexuelle Orientierung ausschlaggebend für den Zugang zur Blutspende ist, sondern das individuelle Risikoverhalten. Deshalb stimmen wir dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN uneingeschränkt zu.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Der Minister hat es angesprochen: Warum wird erst heute ein solcher Antrag vorgelegt? - Ich weiß aus vielen Gesprächen, die wir in der Partei geführt haben, dass diese Diskriminierung nicht nur seit Langem bekannt ist, sondern dass man vieles dagegen machen wollte.

Ich persönlich habe mir vor einigen Jahren nicht vorstellen können, dass einem solchen Antrag fraktionsübergreifend zugestimmt wird. Ich freue mich darüber, dass sich die öffentliche Diskussion über die sexuelle Orientierung und über das Leben in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften vollständig verändert hat. Das hat auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag gezeigt. Es macht mich stolz, dass wir einen solchen Antrag heute fraktionsübergreifend verabschieden können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Frau Lüddemann hat mir mittels einer Kopfbewegung angedeutet, dass sie nicht noch einmal sprechen möchte.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Wer stimmt dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1785 zu? - Das ist eine große Mehrheit bei allen Fraktionen. Wer stimmt dagegen? - Zwei Gegenstimmen. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Bei zwei Gegenstimmen ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Erste Beratung

Keine Schießstände in der Nähe von Schulen und Kindertagesstätten

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/1787

Einbringerin ist Frau Professor Dr. Dalbert. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor anderthalb Jahren, am 20. September 2011, beantwortete die Landesregierung

meine Kleine Anfrage zu Schießständen auf Schulgeländen. Die wichtigste Information daraus lautete:

„Es gibt an drei Standorten in Sachsen-Anhalt Schießstände in Schulen oder direkt auf dem Schulgelände. Auf dem Gelände des Gymnasiums in Gräfenhainichen ist seit 2001 ein Schießstand untergebracht. In der Stadt Dessau-Roßlau wird neben dem Gelände der Grundschule in Dessau-Waldersee ein Schießstand betrieben. In Kroppenstedt wird in einem von der Grundschule mitgenutzten Gebäude ein Schießstand betrieben.“

Die Schulleitungen wissen von den Schießständen, aber sie wissen weder, welche Waffen dort eingelagert werden, noch welche Munition in den Gebäuden gelagert wird.

Auf meine Frage, ob die Landesregierung meine Auffassung teile, dass es schulpolitisch wünschenswert wäre, dass Schießstände nicht in Schulgebäuden untergebracht würden, antwortete die Landesregierung - ich zitiere -:

„Bei aller Wertschätzung für die Jugendarbeit der Schützen- und Schießsportvereine und das soziale und sportliche Engagement, welches in diesen Vereinen ausgeübt und gefördert wird, hat für die Landesregierung Priorität, in den Schulen jedes vermeidbare Risiko für Leib und Leben von vornherein auszuschließen. Da durch das Einlagern von Waffen und Munition in Schulen letztlich auch bei aller Vorsorge ein Restrisiko nicht auszuschließen ist, sind Schulen als Verwahrort ungeeignet.“

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

„Schulen sollen sich auch im Nachmittagsbereich ihrem Umfeld öffnen. Auch dieser Anspruch stünde der bei Waffen- und Munitionslagerung gebotenen Verschlusssicherheit entgegen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Was aber ist in den letzten anderthalb Jahren passiert? - An allen drei Standorten hat sich nichts geändert. Nach wie vor sind dort die Schießstände in den Schulen bzw. auf dem Schulgelände untergebracht.

Warum ist das unbefriedigend? Erlauben Sie mir zunächst einen Blick auf die Geschichte der deutschen Amokläufe auf Schulgeländen. Am 26. April 2002 erschoss der 19-jährige Robert S. zwölf Lehrerinnen, eine Sekretärin, zwei Schülerinnen, einen Polizisten. Am Ende erschoss er sich selbst. Das Ganze fand in seinem ehemaligen Gymnasium in Erfurt statt. Seit 2000 war Robert S. Mitglied in einem Schützenverein.

Am 2. November 2006 schoss der 18-jährige Bastian B. in seiner ehemaligen Realschule in Emsdetten wahllos um sich. Fünf Menschen wurden durch Schüsse verletzt. Anschließend erschoss er sich selbst.

Am 11. März 2009 tötete der 17-jährige Tim K. in seiner ehemaligen Realschule in Winnenden 15 Menschen. Am Ende erschoss er sich selbst. Sein Vater war Sportschütze und besaß 15 Sportwaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder dieser Amokläufe ist das Ergebnis eines ganzen Bündels von Ursachenfaktoren. Dazu gehören die individuellen biografischen Erfahrungen. Dazu gehört das individuelle Verhältnis zu Schule und Gesellschaft. Dazu gehört aber eben auch die individuelle Einstellung zu Gewalt und Schusswaffen.

Schulen und Kitas haben einen friedenspädagogischen Auftrag.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Schützenvereine und Schießstände als Teil des Alltags sind damit nicht zu vereinbaren. Schießstände in der unmittelbaren Nachbarschaft von Schulen und Kitas signalisieren: Es ist normal zu schießen. Es ist normal, eine Waffe zu haben. Es ist normal, diese Waffe zu benutzen. All dies trägt zu einer waffenbejahenden Einstellung bei. Diese lehnen wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aus friedenspädagogischer Perspektive ab.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Hinzu kommt Folgendes: Das Einlagern von Waffen und Munition in Schulen oder in deren unmittelbarer Nachbarschaft stellt ein Gefährdungspotenzial für Leib und Leben dar; denn letztlich ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass Waffen und Munition entwendet werden. Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts kennen Schüler so gut wie die eigenen Schule und das eigene schulische Umfeld und nichts macht so neugierig wie Verbote und verschlossene Türen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Fraktion ist daher sehr froh, dass wir bis heute im Zusammenhang mit den drei Schießständen an den Schulen feststellen konnten, dass es nicht zu Zwischenfällen gekommen ist. Mit unserem Antrag, über den wir heute beraten, wollen wir dazu beitragen, dass das so bleibt.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch sehr deutlich sagen: Es geht uns nicht darum, Sportschützen zu diskreditieren. Es geht uns auch nicht darum, die Vereinsarbeit von Schützenvereinen infrage zu stellen. Wir erwarten aber, dass sich Schützenvereine ebenso wie Schulträger in besonderer Verantwortung der Verbindung von Waffen und Schulen stellen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Kitas und Schulen sollen gewaltfreie, offene Orte sein. Wir erwarten, dass sich Schulen als Mittelpunkte, als Knotenpunkte für das soziale und kulturelle Leben in ihren Orten begreifen, dass sie sich am Nachmittag öffnen für kulturelle, sportliche und musische Aktivitäten. Dazu passen Schießstände eben nicht. Dazu passt auch nicht das Einlagern von Waffen und Munition.

Darum unser Antrag, der aus zwei Teilen besteht. Zunächst fordern wir die Landesregierung mit Blick in die Zukunft auf zu prüfen, wie sie dazu beitragen kann, dass es eine Art Abstandsgebot gibt zwischen der Einlagerung von Waffen und Munition und der Implementierung von Schießständen einerseits und Schulen und Kitas andererseits. Dabei sollte ein gewisser Abstand gewährleistet sein. Dies bitten wir die Landesregierung zu prüfen.

Außerdem fordern wir die Landesregierung auf, einen Kommunikationsprozess mit den Beteiligten - das sind die Schulträger, die Schulen und die Schützenvereine - auf den Weg zu bringen, an dessen Ende das Ergebnis stehen sollte, dass die drei bestehenden Schießstände aus den Schulen herausgelöst werden und dass gemeinsam ein anderer Ort für die Schießstände gefunden wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag wollen wir verhindern, dass es eines Tages nach einem Amoklauf bei uns in Sachsen-Anhalt heißt: Der Amokschütze hat Waffenbesitz und Waffengebrauch auf seinem Schulgelände als etwas ganz Alltägliches erlebt. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung unseres Antrages. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr für die Einbringung, Frau Kollegin Dalbert. - Für die Landesregierung spricht nun der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Errichtung und der Bau von Schießständen sind in § 27 des Waffengesetzes normiert. Daneben sind in der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung ausschließlich die materiellen Anforderungen an den ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb einer Schießstätte geregelt.

Die drei in der Nähe einer Schule bzw. Teilen einer Schule befindlichen Schießstände in Wittenberg, in Dessau-Roßlau und in Kroppenstedt entsprechen zunächst diesen gesetzlichen Anforderungen.

Dennoch habe ich damals gemeinsam mit meinem Kollegen Herrn Dorgerloh den Oberbürgermeister der Stadt Dessau-Roßlau, die Verbandsgemeinde

bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Westliche Börde und den Landrat des Landkreises Wittenberg als diejenigen angeschrieben, in deren jeweiligem Zuständigkeitsbereich sich Schießstätten in Schulen bzw. in Schulnähe befinden. Diese sind unsererseits bereits damals gebeten worden, zu überprüfen und sicherzustellen, dass keine Gefahren für Leib und Leben hiervon ausgehen.

Daher ist der Vorwurf, die Landesregierung habe bis heute nichts unternommen, um die Problematik zu lösen, nicht richtig, zumal es sich um eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Verein und Schulträger handelt. Es kann nicht ohne gesetzliche Grundlage in Verträge eingegriffen werden, für die die Privatautonomie gilt.

Von den drei Stellen ist uns geantwortet worden, dass die Erlaubnisse nach dem Waffengesetz vorlägen, die Sicherheitslage mit den Schützenvereinen besprochen worden sei, die jeweils zuständigen Waffenbehörden regelmäßige Kontrollen durchführten, um einen sicheren Betrieb der Anlage zu gewährleisten, dass Schießübungen lediglich nach Schul- bzw. Hortbetrieb stattfänden und eine Erhöhung der Verschlusssicherheit nach den traurigen Ereignissen von Erfurt und Winnenden vorgenommen worden sei.

Darüber hinaus sind in nicht unerheblichem Umfang materielle und finanzielle Aufwendungen in den Ausbau von Vereinsräumen und Schießanlagen durch Eigenleistungen der Mitglieder und von Sponsoren erfolgt.

Ich denke aber, dass wir das gemeinsam in drei Ausschüssen bereden sollten, weil es sich hierbei um eine Querschnittsaufgabe handelt. Wir sollten diskutieren, ob wir möglicherweise neben den Gesprächen, die geführt wurden, Voraussetzungen schaffen sollten, um Abstandsgebote normieren zu können.

Ich bitte um die Überweisung Ihres Antrages zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung in den Ausschuss für Bildung und Kultur, weil das auch Schulen betrifft, und last, but not least auch in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr, weil man gegebenenfalls auch unter baurechtlichen Gesichtspunkten darüber reden könnte und müsste. - Herzlichen Dank.