Die Landesregierung selbst hat dies nicht gesagt, sondern sie hat es die Leitenden Oberstaatsanwälte sagen lassen. Sie sprachen sich ausdrücklich für die Beibehaltung beider Standorte aus. Ich den
Lassen Sie mich noch ein Beispiel nennen, das Professor Dr. Lessig auch gegenüber den rechtspolitischen Sprechern nannte, und zwar das furchtbare Zugunglück nahe Hordorf aus dem Jahr 2011, das zehn Todesopfer forderte. Deren Körper waren bis zur Unkenntlichkeit entstellt, sodass eine Identifizierung nur mithilfe der Rechtsmedizin, also dem Einsatz von Spezialisten und Spezialistinnen möglich war.
Dank an jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rechtsmedizin, aber auch der Polizei, die dafür gesorgt haben, dass nach 48 Stunden sämtliche Todesopfer identifiziert werden konnten.
Professor Lessig gab uns damit die Botschaft mit auf den Weg: Wir benötigen gerade auch für solche Fälle, die leider vorkommen können, ausreichendes, schnell verfügbares und hoch qualifiziertes Fachpersonal der Rechtsmedizin.
Ohne die forensische Medizin sind wir in solchen Situationen hilflos. Fehlt jedoch die fachliche Ausbildung bzw. wird diese eingeschränkt, müssen wir uns Hilfe im Ausland suchen. Dass das wenig erfolgversprechend ist, kennen wir aus vielen anderen Bereichen.
Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zudem an dieser Stelle, dass ich noch auf die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2011 zu Defiziten im Bereich der Leichenschau eingehe. Ich fragte damals die Landesregierung, ob sie diesbezüglich Defizite sehe und wie sie damit umgehe.
In der Antwort des Sozialministeriums nahm man Bezug auf die rechtsmedizinischen Institute, die darlegten, dass bei bis zu 7 % der Leichenschauen die Todesursache fehlerhaft eingetragen sei. Das heißt nicht, dass dahinter zwangsläufig Tötungsdelikte stecken. Die Landesregierung führte in der benannten Antwort aber selbst aus, dass Gründe für die falsche Einschätzung der Todesursache fehlende Fortbildung sowie mangelnde Erfahrung seien. Hinzu kommt das Problem, dass unser Bestattungsgesetz lediglich bei Feuerbestattungen eine zweite Leichenschau durch die Rechtsmedizin vorsieht.
Wir wissen also nicht, wie viele unnatürliche Todesfälle auf diese Weise bei Erdbestattungen unentdeckt bleiben, weil diese von der Rechtsmedizin nicht noch einmal angeschaut werden. Nicht jede Todesart ist noch zu einem späteren Zeitpunkt nachweisbar. Das heißt, der Verweis auf die spätere Möglichkeit der Exhumierung reicht nicht aus.
Es besteht dringender Handlungsbedarf sowohl hinsichtlich der Aus- und Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten als auch beim Bestattungsgesetz des
Die Landesregierung äußert des Weiteren, dass mit den ärztlichen Körperschaften vor allem geklärt werden müsse, ob es machbar sei, die erste Leichenschau nur Ärzten und Ärztinnen zu übertragen, die über eine anerkannte kontinuierliche Fortbildung für die Leichenschau verfügten. Doch wer soll das letztendlich realisieren, wenn nicht die rechtsmedizinischen Institute an den medizinischen Hochschulen?
Eine von der Landesregierung in die momentane Debatte eingeführte Überlegung, ein Landesamt einzurichten, ist nur begrenzt hilfreich. Forschung und Lehre sind an einem Landesamt eben nicht möglich.
Ich denke, gerade in einem Bereich wie der Rechtsmedizin, in dem sich rasante Entwicklungen zeigen, ist dies unverzichtbar. Das dürfen wir nicht unberücksichtigt lassen.
Die Debatte in den Fachausschüssen bzw. im Finanzausschuss hinsichtlich der mangelnden Kostendeckung in den letzten Jahren zeigte unter anderem, dass wir bundesweit mit dem Problem der nicht kostendeckenden Arbeit der rechtsmedizinischen Institute nicht allein stehen. Lediglich in Bayern und in Rheinland-Pfalz, so die Aussage der Landesregierung nach einer Umfrage unter den Ländern, werde von einer Vollkostendeckung ausgegangen. Wenn man genauer hinschaut, dann ist aber auch das, die Einschätzung von Bayern und Rheinland-Pfalz, fragwürdig.
Als Grund für die vorhandenen Defizite wird von allen Ländern das derzeitige Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz genannt. Dies ist im Bundestag nun in der Überarbeitung. Es wird eine Erhöhung der Fallpauschale um 15 % bis 20 % erwartet. Dies würde das Defizit, das in Halle und in Magdeburg besteht, verkleinern, aber eben nicht beseitigen.
Wenn nach Aussagen von Rechtsmedizinern, die der aktuellen Presse zu entnehmen sind, knappe Kassen die Aufklärung von Verbrechen verhindern, dann ist das mehr als alarmierend und von uns allen ernst zu nehmen. Die Frage, ob beispielsweise eine Obduktion angeordnet wird, darf nicht von den entstehenden Kosten abhängig gemacht werden.
Diese Frage ist rein anhand der Strafprozessordnung und der darin genannten Voraussetzungen zu beantworten. Alles andere ist eine Bankrotterklärung des Rechtsstaates.
Es kann auch nicht sein, dass die Angehörigen in die finanzielle Pflicht genommen und somit zweimal zum Opfer werden. Zum Glück hat dies bisher niemand in die Debatte eingeschleust.
Meine Damen und Herren! Ich freue mich natürlich sehr, wenn aus dem Justizministerium zu hören ist, dass an beiden Instituten festgehalten werden soll, um eine hohe Qualität in der Strafverfolgung sicherzustellen. Allein dieser Ausspruch, der sich fast jährlich wiederholt, reicht aber nicht aus.
Es reicht bei weitem auch nicht aus, den Finger bei anderen Ressorts in die Wunde zu legen. Man schiebt die Verantwortung hin und her und ist weit von einer Lösung entfernt.
Die Ressorts, die von der Rechtsmedizin profitieren - das sind neben dem Wissenschaftsministerium auch das Justiz-, das Innen- und bitte nicht zu vergessen auch das Sozialministerium -, müssen gemeinsam zeitnah - der Haushalt für das Jahr 2014 steht vor der Tür - eine Lösung finden und sich gegebenenfalls auch paritätisch an der Finanzierung beteiligen.
Es bedarf einer klaren Entscheidung der Landesregierung hinsichtlich des Erhalts beider Standorte. Da die Landesregierung hierzu seit Jahren nicht bereit ist, müssen nun wir als Parlament der Exekutive diese politische Leitplanke geben.
Ich kann meine Kollegin Frau Dr. Pähle von der SPD nur darin unterstützen, wenn sie ein klares Bekenntnis für den Erhalt beider Institute fordert und das im Interesse einer hohen Qualität der Strafverfolgung, aber auch von Lehre und Forschung tut. Beides kann ich nur unterstützen.
Mit Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen über den Haushalt für das Jahr 2014 dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Das hat die Landesregierung bereits in ausreichendem bzw. in nicht hilfreichem Maße getan. Daher werbe ich heute um eine direkte Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend noch deutlich sagen, dass ich das Leistungsspektrum der rechtsmedizinischen Institute durch unsere parlamentarische Initiative keinesfalls einschränken möchte. Ich nehme wohlwollend zur Kenntnis, dass das bisher auch niemand vorgeschlagen hat, auch nicht aus den Reihen der Koalition.
Es ist wichtig, dass künftig auch Konsiliartätigkeiten der rechtsmedizinischen Institute in den Kliniken im Rahmen des Kinderschutzes wahrgenom
men werden, dass Untersuchungen von Gewaltopfern stattfinden, dass Begutachtungen von Frauen in Frauenschutzhäusern stattfinden, dass die telefonischen Beratungen weiterhin möglich sind und dass Fort- und Weiterbildungen für die Landesärzte- und -zahnärztekammer, für die Polizei und für die Justiz durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der rechtsmedizinischen Institute realisiert werden.
Meine Damen und Herren! Ein privater Dienstleister wird diese Aufgaben sicherlich nur übernehmen, wenn er dafür entsprechend bezahlt wird. Dieser Preis ist hoch. Damit meine ich nicht nur die finanzielle Seite, sondern möglicherweise auch qualitative und datenschutzrechtliche Aspekte. Das ist aus unserer Sicht überhaupt keine Alternative zu dem, was wir momentan haben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Frau Kollegin, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Professor Dr. Wolff. Bitte sehr.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Uniklinika dienen zunächst der jeweiligen medizinischen Fakultät zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre. Darüber hinaus können sie noch Aufgaben für Dritte erfüllen.
Es ist unbestritten, dass die Rechtsmedizin für die Rechtssicherheit von erheblicher Bedeutung ist und durch das Land in gemeinsamer Verantwortung mit den beteiligten Ressorts eine Lösung für die im Raum stehenden Fragen gefunden werden muss.
Im Rahmen der komplementären Kooperation zwischen den medizinischen Fakultäten in Magdeburg und in Halle hat die gemeinsame Kommission, die es nach § 25 des Hochschulmedizingesetzes gibt, in der 25. Sitzung am 10. Januar 2007 beschlossen - Beschluss Nr. 4/2007 -, für das Land Sachsen-Anhalt nur eine Professur der Rechtsmedizin vorzuhalten, und zwar an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Diese Professur sichert gemäß Kooperationsvertrag vom 5. März 2008 zwischen den beiden medizinischen Fakultäten die Lehre an den Standorten Magdeburg und Halle.
Die Finanzierung der Lehre und Forschung erfolgt aus dem Budget der medizinischen Fakultäten. Mit der Vereinbarung wird abgesichert, dass es im Bereich Forschung und Lehre für die Studierenden
Unter Berücksichtigung der Stellung der Rechtsmedizin im Curriculum der Medizinstudenten wurde eine Professur zur Sicherung der Lehre in Sachsen-Anhalt als ausreichend erachtet.
Davon zu unterscheiden sind die Leistungen, die unter anderem bedingt durch die Vorschriften der Strafprozessordnung erbracht werden, vereinfacht umschrieben mit dem Schlagwort „Gerichtsmedizin“ oder „Dienstleistungen für Strafverfolgungsbehörden“. Dabei geht es um Aufgaben aus den Geschäftsbereichen des Justiz- und des Innenministeriums. Diese Dienstleistungen werden in Sachsen-Anhalt wesentlich von den rechtsmedizinischen Instituten der Universitätsklinika in Halle und in Magdeburg erbracht.
Im vergangenen Jahr wurden - damit man ein Gespür für die Größenordnung bekommt - in Magdeburg 350 und in Halle 386 Obduktionen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt. Im Jahr 2010 führte die Rechtsmedizin in Magdeburg darüber hinaus 288 Sektionen durch und erstellte 205 Gutachten und 219 toxikologische Gutachten für die Justiz. Für die Polizei wurden im gleichen Jahr 2 916 Blutalkoholuntersuchungen und 680 Untersuchungen auf Drogen und Medikamente vorgenommen.
In Halle gab es im gleichen Jahr 267 Sektionen, wurden 287 Gutachten erstellt und 3 545 Blutalkoholbestimmungen, 890 Betäubungsmitteluntersuchungen und 81 toxikologische Analysen von Obduktionsfällen durchgeführt und 113 Abstammungsgutachten und 43 Spurengutachten angefertigt. - Das als exemplarische Illustration dessen, worum es konkret geht.
Die rechtsmedizinischen Institute erfüllen mit ihren Dienstleistungen für die Strafverfolgungsbehörden hoheitliche Aufgaben. Diese Dienstleistungen werden bundesweit - das hat Frau von Angern eben völlig korrekt ausgeführt - nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz vergütet, allerdings - das wissen wir aus der erwähnten Länderumfrage - zumeist nicht kostendeckend.
Darüber hinaus gibt es Tätigkeitsfelder der rechtsmedizinischen Institute, die bisher nicht vergütet werden, die aber von großer sozialer und juristischer Bedeutung sind, zum Beispiel Konsiliartätigkeit in den Kliniken des Landes im Rahmen des Kinderschutzes, Untersuchungen von Gewaltopfern, Anliegen von Frauenhäusern, telefonische Beratungen sowie Fort- und Weiterbildungen für die Landesärztekammer, für Polizei und Justiz. Sie haben also drei Arten von Aufgaben.
Diese Situation führt zu Defiziten bei den rechtsmedizinischen Instituten, für die gegenwärtig in der
Tat keine Deckung vorhanden ist. Mittel aus Forschung und Lehre der medizinischen Fakultäten können nur für den relativ geringfügigen Anteil, der auch für Forschung und Lehre in Anspruch genommen wird, an die Institute fließen.