Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Sie von der Bezeichnung „Arrest“ in diesem Gesetzentwurf abgerückt wären. Der Begriff „Arrest“ stammt aus der NS-Zeit und entspricht der NS-Ideologie. Herr Borgwardt ist bereits darauf eingegangen, dass das ganze Gesetz eine Erfindung aus dieser Zeit ist. Auch deswegen ist es völlig unzeitgemäß.
Der in der Wissenschaft verwendete und vorgeschlagene Begriff „stationäres soziales Training“, der sich von früheren Vorstellungen des Jugendarrestes als Zuchtmittel abkoppelt und eine positivsozialpräventive Ausrichtung signalisiert, wäre an dieser Stelle besser geeignet gewesen.
zugsgesetz brauchen, wenn wir doch offensichtlich einheitlich der Auffassung sind - so verstehe ich auch Ihre Begründung zum Gesetzentwurf und stimme Ihnen zu -, dass der Jugendarrest als Sanktionsform alles andere als modern ist und schlichtweg abgeschafft gehört.
Der Jugendarrest ist tot; es lebe der Jugendarrest! - Einer solchen Parole wollen wir uns nicht anschließen und nach einer solchen Methode wollen wir nicht verfahren.
Sie mögen mir entgegenhalten, dass sich die Notwendigkeit für ein solches Gesetz aus dem Jugendstrafgesetzbuch ergibt, das den Jugendarrest weiterhin als Strafe vorsieht. Das ist auch richtig. Aber nach meiner Meinung ist das zu kurz gedacht. Unser Ziel sollte es sein, den Jugendarrest in die Strafrechtsgeschichte zu verbannen, da er sich als untauglich erwiesen hat. Dabei hilft es auch nicht, den Arrest aufzupeppen.
Insofern unterstützen wir ausdrücklich Nr. 9 des Entschließungsantrages, der die Landesregierung auffordert, sich auf der Bundesebene für die Abschaffung des Jugendarrestes, insbesondere auch des Warnschuss- oder Einstiegsarrestes, einzusetzen. Allein die in diesem Zusammenhang verwendete Terminologie mit Begriffen wie „Short Sharp Shock“ bzw. „Taste of Prison“ disqualifiziert diese Sanktionsform bereits vom Ansatz her.
Der Jugendarrest weist nach aktuellen Studien nach der unbedingten Jugendstrafe die zweithöchste Rückfallquote auf, nämlich knapp 65 %. Übereinstimmende Resultate der deutschen und internationalen Generalpräventionsforschung weisen nach, dass die erwartete Sanktionsschwere keinen messbaren Erfolg auf das Legalverhalten hat.
Vielmehr wird dieses Legalverhalten bestimmt von der individuellen Einschätzung, der Normverbindlichkeit, den informellen Reaktionen im Familien- und Freundeskreis und eher deliktspezifisch von der angenommenen Entdeckungswahrscheinlichkeit.
Ich halte es daher für einen Trugschluss, dass wir selbst mit einem noch so gut gemeinten und um eine stärkere sozialpädagogische Komponente konzentrierten Arrestvollzug mit dem Jugendarrest ein wirksames Institut im deutschen Jugendstrafrecht haben.
Frau Professor Kolb, es macht es überhaupt nicht besser, dass von diesem Arrest zeitgleich lediglich 14 Jugendliche betroffen sind und einsitzen. Das ist kein Argument, das für diesen Arrest spricht. Wir wollen uns an dieser Stelle dem Problem aus
Meine Damen und Herren! Mir sind noch sehr gut die eindrücklichen Worte der Expertinnen und Experten aus der Anhörung zu diesem Thema in Erinnerung, insbesondere von Herrn Professor Dr. Walkenhorst von der Universität Köln, der Folgendes sagte:
„Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass uns selbst ein noch so pädagogisch hervorragend gestalteter Jugendarrest darin bestätigt, dass wir meinen, dann genug getan zu haben. Jede dieser Sanktionen bleibt immer eine offene Wunde des Sozialstaates und wirft die Frage danach auf, was vorher schiefgelaufen ist - auch die Frage nach dem Versagen öffentlicher Stellen und nicht nur des jungen Menschen. Insofern sollten wir auch ein wenig Demut walten lassen.“
Zum Thema Änderung des Schulgesetzes. Das ist völlig richtig. Außer Zweifel steht, dass das Schulgesetz geändert werden muss. Hierzu sind bei anderer Gelegenheit bereits ausführliche Ausführungen gemacht worden. Ich will dies im Einzelnen nicht noch einmal wiederholen.
Schulabsentismus mit Arrest zu bestrafen, entspricht überhaupt nicht einer modernen und aufgeklärten Pädagogik. Wir waren im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung bereits auf einem sehr guten Weg. Leider ist dieses Ansinnen an der Uneinsichtigkeit der Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker aus den Reihen der Koalition gescheitert. Ich finde das sehr schade. Insofern auf ein Neues, meine Damen und Herren.
Danke schön, Herr Kollege Herbst. Es gibt eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Rothe. Möchten Sie diese beantworten?
Herr Kollege Herbst, zu Ihrem Stichwort Schulabsentismus möchte ich eine Anekdote erzählen. Mir ist noch gut in Erinnerung, dass ich als Gymnasiast einmal eine halbe Stunde zu spät zum Unterricht erschienen bin mit der Begründung, ich richtete mich nicht nach der mitteleuropäischen
Zeit, die künstlich sei, sondern nach der tatsächlichen Ortszeit an meinem Schulort. Der Schulleiter hat noch am selben Tage den Unterricht für mich um diesen Zeitraum verlängert.
Ich wurde individuell von einer Lehrerin betreut und habe das in Erinnerung behalten. Das heißt, in meinem Fall wurde wegen des Schulabsentismus nie ein Jugendarrest erforderlich. Teilen Sie meine Auffassung, dass das eine vorbildliche Reaktion des Schulleiters war und dass man mit solchen Maßnahmen einen Jugendarrest auch ohne eine Gesetzesänderung verhindern kann?
Das ist eine interessante Anekdote. Ich finde das Verhalten des Schulleiters völlig richtig. Ich glaube, das war eine angemessene Maßnahme.
Ich meine aber, dass Schulabsentismus grundsätzlich nicht mit Jugendarrest betraft werden sollte. Ich verstehe den Zusammenhang überhaupt nicht. Ich finde, es ist ein ungerechtfertigtes und auch unverhältnismäßiges Mittel und in einer aufgeklärten Gesellschaft überhaupt nicht mehr zu transportieren, warum man Menschen, weil sie ihrer Schulpflicht nicht entsprechen, sozusagen in den Karzer sperrt. Das ist eine Gedankenwelt, die mir völlig fremd ist. Aber Ihre Frage beantworte ich mit Ja.
Danke. - Die Einlassung des Kollegen Rothe hat mich nun doch zu einer Nachfrage bewogen. Wenn der Schulleiter schon damals Ihren Terminus Technicus vom sozialen Trainingsprogramm verwendet hätte, glauben Sie, dass der Schüler dann die halbe Stunde dageblieben wäre, oder hätte er die Maßnahme eines sozialen Trainingsprogramms wahrgenommen?
Ein sozialpräventives Training muss ja nicht angenehm sein. Dabei geht es ja nicht um Kuschelpädagogik. Dies muss für die Betroffenen fordernd und fördernd sein; das ist doch ganz klar. Es geht nicht darum, Leute für Fehlverhalten zu belohnen, sondern es geht darum, die Ursachen für
Danke schön. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Dr. Brachmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst der Fraktion DIE LINKE, Frau von Angern, für ihr doch nachdrückliches Handeln, was den Jugendarrest anbelangt, meine Anerkennung zum Ausdruck bringen. Sie hat bereits vor Jahresfrist einen sehr umfänglichen, alle Handlungsfelder umfassenden Antrag eingebracht. Die Diskussion heute ist gewissermaßen durchaus die logische Fortsetzung.
Die Fraktion DIE LINKE hat mit diesem Antrag auch einiges bewirkt. Eine ganze Reihe von Mitgliedern des Landtages, und zwar aus dem Rechtsausschuss und aus dem Bildungsausschuss, hat sich vor Ort über die Umstände, unter denen bisher der Jugendarrest vorgehalten worden ist, ein Bild machen können.
Ich erinnere an die sehr eindringlichen Worte von Frau Leske - das ist die Vollzugsleiterin der Arrestanstalt - in der Anhörung, die wir Anfang September 2012 im Rechtsausschuss hatten. Auch sie hat deutlich gemacht, dass manches noch im Argen liegt.
Aber seither ist einiges geschehen. Die Frau Ministerin hat das hier verdeutlicht und aufgeführt. Fest steht auch: Am Ziel sind wir damit nicht. Die Frage ist aber, wohin das Ziel eigentlich führen soll.
Die Fraktion DIE LINKE hat in ihrem Entschließungsantrag in acht Punkten dargelegt, wie man den Jugendarrest künftig idealtypischerweise ausgestalten soll, um dann in der Nr. 9 den Landtag aufzufordern festzustellen, dass die Sanktionsform des Jugendarrestes wenig erfolgreich und folglich ein untaugliches Sanktionsmittel bei jugendlichen Straftätern ist, dessen Wirksamkeit in empirischen Daten keinen positiven Rückhalt findet. Der Jugendarrest gehört letztlich abgeschafft, heißt es weiter.
Diesen Widerspruch hat auch Herr Herbst angesprochen. Was denn nun? Wollen wir ihn abschaffen oder wollen wir ihn zukunftsfähig gestalten? Worauf soll sich die Politik konzentrieren?
Ich denke, die Forderung nach der Abschaffung des Jugendarrestes - auch die Frau Ministerin hat dies durch ihre Offenheit deutlich gemacht - ist ja
nicht verkehrt, weil diese Forderung auch in der Fachwelt schon seit Längerem bekannt ist. Die DVJJ fordert dies seit Langem. Selbst der Deutsche Juristentag hat dies 2002 so beschlossen.
Bislang ist allerdings nichts geschehen. Ob sich im Bundesrat und im Bundestag in der Zukunft Mehrheiten dafür finden, bleibt ungewiss. Aber es macht in der Tat Sinn, nach der Bundestagswahl auszuloten, ob das bundesgesetzlich erreicht werden kann.
Meine Damen und Herren! Solange der Jugendarrest eine vorgegebene Sanktionsform ist, müssen wir die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für seinen Vollzug schaffen, der - in diesem Anliegen sind wir uns einig, Frau von Angern - die individuelle und soziale Entwicklung der betroffenen Jugendlichen fördert. Insoweit kann man einigen Punkten, die in dem Entschließungsantrag aufgeführt worden sind, durchaus beipflichten.
Richtig ist: Es gibt gewichtige verfassungsrechtliche Gründe, den Jugendarrest, solange es ihn gibt, auf eine gesetzliche Regelung zu stellen. Die Frage ist aber in der Tat: Brauchen wir ein solches Gesetz sofort?
Ich erinnere daran: Wir haben im Rechts- und Justizbereich andere gewichtige Baustellen abzuräumen. Das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz ist bereits im Verfahren. Wir werden uns in absehbarer Zeit über ein Landesstrafvollzugsgesetz unterhalten müssen und damit auch über die Frage, wie wir den Strafvollzug künftig insgesamt ausstatten und inhaltlich gestalten wollen.