Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während Sie uns vorwerfen, wir würden das Kind mit dem Bade ausschütten, werfen Sie
selbiges erst einmal in den Brunnen, um dann festzustellen, dass die Probleme tatsächlich existieren. Ich verstehe das nicht.
Warum sagen Sie, Sie warten auf das Marktversagen und reagieren dann? Warum schreibt der Bundesgesetzgeber überhaupt eine Rechtsverordnungsermächtigung für eine Bundesregierung in ein Gesetz? - Weil er genau das sieht. Und jetzt, da die Situation eintritt, dass man eventuell davorsteht, dass die Neutralität nicht mehr gewahrt werden kann, ist der Zeitpunkt für eine solche Rechtsverordnung gegeben.
Als das im Jahr 2012 vom Bund in das Gesetz aufgenommen wurde, haben wir gewarnt: Wir werden diesen Zeitpunkt verschlafen; eine solche Verordnung wird es nicht geben; deswegen brauchen wir dafür eine gesetzliche Grundlage.
Die heutige Debatte zeigt, dass nicht nur die Debatte über die digitale Spaltung vor fünf Wochen wichtig war, sondern auch, dass wir die Neutralität gesetzlich regeln müssen.
Wenn ich jetzt nur höre, wie bestimmte Märkte funktionieren, dann muss ich auch sagen, dass Netzneutralität - das habe bei meiner Einbringung ausgeführt - die Wettbewerbsfähigkeit bzw. den freien Wettbewerb im Netz, nämlich unter der Bedingung der Netzneutralität, erst einmal sichert.
Insofern ist unsere Netzpolitik eine Gesellschaftspolitik. Das, was von dem neuen Wirtschaftsminister kam, war eher Konzernpolitik.
(Zustimmung bei der LINKEN - Oh! bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Mensch, das kannst du vergessen!)
Meine Begründung dafür ist, dass er nicht in einem einzigen Punkt zwischen der puren Drosselung des Netzverkehrs und einer inhaltediskriminierenden Drosselung des Netzverkehrs unterscheidet und unkritisch die bisherige Argumentation der Deutschen Telekom übernimmt.
- Ja, natürlich, unser Wirtschaftsminister. Er oder sein Haus hätten sich im Vorfeld mit dem Wirtschaftsverband in Sachsen-Anhalt zusammensetzen können. Dieser sieht nämlich das, was auf der Bundesebene gerade passiert, genauso kritisch. Das hat der Minister aber nicht getan.
Zu dem Vorwurf, die LINKE maße sich an, die Netzneutralität zu definieren. Im Moment ist die Legaldefinition der Netzneutralität das, was unter § 41a steht. Ich gebe zu, ich hätte das ein biss
chen genauer formuliert. Aber das haben nicht wir getan, das war der Bundesgesetzgeber. Bei der damaligen Änderung hat DIE LINKE, weil es eben keine gesetzliche Regelung war, dagegen gestimmt.
Zu dem Argument, in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Bundestag habe es sehr lange gedauert, bis so eine Definition zustande gekommen sei. Das liegt weniger daran, dass es schwer war. Ich glaube, auch die SPD weiß, welche Spiele in dieser Enquete-Kommission im Bundestag gespielt worden sind.
Auch sie hat Experten für die Enquete-Kommission benannt, die am Ende nicht zufrieden waren, wie diese Enquete-Kommission gearbeitet hat.
Noch einmal zu der Netzauslastung. Im Moment gibt die Telekom selbst zu, dass heute 3 % der Nutzer die Grenze von 75 GB im Monat überschreiten. Wir wissen nicht, wie die Kostenkalkulation ist. Man vermutet, dass für den Basissatz von 75 GB die 30 € gelten, die im Moment auch für Flatrates gelten. Das hieße, dass ein normaler Vierpersonenhaushalt im Monat Kosten von 120 € hat, nur um eine nach dem heutigen Standard geltende Netzverbindung zu haben. Natürlich schlagen dann alle Verbraucherschutzorganisationen Alarm. Aber nicht nur die, sondern auch die Bürgerrechtsorganisationen.
Am 17. April 2013 haben europaweit 80 Bürgerrechts- und Verbraucherschutzorganisationen die EU-Kommission aufgefordert, das Prinzip der Neutralität zu sichern. Diese haben einen europaweiten Blick, zum Beispiel auf die Niederlande, die das bereits getan haben - dort gibt es überhaupt keine Probleme mit dieser Festschreibung -, aber auch auf Ungarn. Denn man stellt sich im Moment völlig andere Sachen vor, was eine solche Technik wie die Deep Packet Inspection tatsächlich realisieren kann.
Auf den letzten Punkt ist in der heutigen Debatte kaum jemand eingegangen. Es geht um eine Inhaltediskriminierung. Es geht nicht einfach nur um eine Drosselung. - Ansonsten sage ich nur: Thema verfehlt - Sechs! Setzen!
Ich hätte mich darüber hinaus gefreut, wenn Sie wenigstens den Versuch unternommen hätten, die Frage, die ich bei meiner Einbringung an alle Fraktionen und die Regierung gestellt habe, zu beantworten. Wenn Sie es nicht tun, kann ich damit leben, aber ich finde das ziemlich traurig.
Herr Kollege Wagner, ich glaube, es besteht nicht die Gefahr einer unnötigen Schleichwerbung, wenn Sie uns verraten, welche Familie bei einem Internet-Anbieter 120 € im Monat bezahlt, um einen Internet-Zugang im Haus zu haben. Welcher Provider oder welcher Anbieter ist das?
Eine netzaffine Person benötigt im Moment im Durchschnitt ein Volumen von ca. 30 GB. In einem Vier-Personen-Haushalt - -
(Unruhe - Herr Borgwardt, CDU: Für was? - Herr Striegel, GRÜNE: Wenn die CDU nicht mehr als 30 GB braucht! - Weitere Zu- rufe von der CDU)
Wenn Sie im Durchschnitt diese 30 GB haben, dann kommen Sie bei einem Vier-Personen-Haushalt auf die 120 GB. Wir kennen die Preise für die neue Tarifstruktur noch nicht, sondern lediglich die Volumenbeschränkungen. Da mit einer Preiserhöhung zu rechnen ist, weil die Deutsche Telekom angekündigt hat, die Preise dadurch zu erhöhen, ist für einen Vier-Personen-Haushalt eine Rech
nung von 120 € monatlich nach der Aufkündigung der Netzneutralität drin. Das ist der entscheidende Punkt. Es sei denn, sie holen sich vier Anschlüsse. Aber die kosten dann auch viermal mehr.
Herr Kollege Wagner, können Sie eigentlich damit leben, dass bei einer Festschreibung der unbegrenzten Datenvolumina gerade die Leute, die wenig Daten nutzen, diejenigen subventionieren, die viel Daten nutzen, dass also gerade die Familien,
die wenig Einkommen haben und nicht über die Technik verfügen oder auch nicht das Interesse daran haben, dann die Leute, die so wie Sie und andere sich alles Mögliche an HD-Filmen aus dem Netz ziehen, subventionieren, damit sie ihren Spaß haben?
Ich hoffe, dass Leute, die im Ansatz verstehen, worüber wir hier heute debattieren, diese Frage wirklich mitbekommen haben. Das war gerade die Definition vom Gegenteil von Netzneutralität.
Damit können wir die Debatte abschließen. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Hier liegen Ihnen zwei Anträge vor, nämlich der Ursprungsantrag und ein Alternativantrag.